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    Auf der Suche nach Mr. Reich

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    „This is not a love story“ meinten schon die Macher des Indie-Films „500 Days of Summer“, als sie das Scheitern von Beziehungen in unserer modernen Gesellschaft und den Mythos Liebe genauer unter die Lupe nahmen. Diesen Satz auf Jane Austen zu beziehen, jener Frau, von der so manche moderne Chick Lit Autorin sich noch eine Scheibe abschneiden kann, und die Millionen von Frauen auf die Suche nach ihrem persönlichen Mr. Darcy geschickt hat, wirkt bizarr. Aber eigentlich passt er perfekt in die Welt Austens. In „Love & Friendship“, der Filmadaption ihres Werks „Lady Susan“, ist einfach alles eine Spur ehrlicher.

    Austen schrieb Zeit ihres Lebens über Frauen, die ihren Mr. Right suchen und finden. Was oft bei den romantischen Wirrungen untergeht, ist die blanke Notwendigkeit des 18. Und 19. Jahrhunderts eine Ehe einzugehen, der Zwang der damaligen Frauen eine gute Partie zu finden, da ihnen sonst Armut oder das Amt der Lehrerin drohten. Lady Susans Geschichte ist ebenfalls jene einer Witwe, die sich um das Wohl und die finanzielle Sicherheit ihrer selbst und ihrer Tochter Frederica kümmern muss. „Wir leben nicht, wir besuchen“, fasst sie die Situation nach dem Tod ihres Mannes zusammen. Susan ist sich ihrer Lage schmerzlich bewusst. Sie lässt daher nichts unversucht, eine gute Partie für ihre Tochter zu landen und noch eine bessere für sich.

    Doch ungleich einer klassischen Austen-Heldin hat Lady Susan kein Interesse, Gefühle zu einer Bedingung in dieser Mission zu machen. Wie sie gegenüber ihrer amerikanischen Freundin Alicia Johnson im Geheimen immer wieder betont, geht es ihr rein um das Einkommen. Das Wasser reichen kann der eloquenten, kalkulierten und intellektuell bewanderten Susan sowieso kein Mann. Generell nehmen die Männer in dieser Geschichte eine eher simple und gutmütige Rolle ein. Die Intrigen und Machtkämpfe um ihr Herz und ihren Geldbeutel werden von den Frauen ausgetragen.

    Regisseur Whit Stillmann hat sich über die Jahre eine Filmkarriere mit pointierten Gesellschaftsstücken aufgebaut. Wie in seinem Film „The Last Days of Disco“ aus dem Jahre 1998, vereint er seine damaligen Hauptdarstellerinnen Kate Beckinsale, die eine oscarreife Performance abliefert, und Chloë Sevigny, die die ebenfalls manipulative Vertraute der Protagonistin, oder vielmehr der Antiheldin gibt. Das Kräftemessen von Lady Susan und ihrer Schwägerin Catherine, die verhindern will dass Susan ihren leichtgläubigen Bruder Reginald heiratet und Frederica in die Ehe mit dem dümmlichen James Martin zwingt, gleicht einem militärischen Manöver, einem Schachspiel von hoher Dramatik. So passt es durchaus, dass Stillmann die ungewöhnliche kreative Entscheidung getroffen hat, jeden Charakter in einem nicht der Diegese entsprungenen Profilshot kurz mit Namen und der Verbindung zu anderen Charakteren zu betiteln. Die Figuren werden in Stellung gebracht, die Manipulationen können beginnen. Das wiederholte Einblenden der Namen der Handlungsorte vermittelt das Gefühl in einem Actiondrama zu sein, und nicht in einer Austen-Adaption.

    Der Reiz an dem Film entsteht über die besondere Gabe Susans, Geschehnisse zu ihren Gunsten zu manipulieren. Ihre Sprachgewandtheit und ihr umfangreiches Allgemeinwissen lassen sie ihre Mitmenschen und deren Absichten beeinflussen. Egal in welche Situation Susan gerät, am Ende steht sie immer als die Siegerin da. Selbst ihre Schwägerin erkennt das Genie an, mit dem Susan die Männer um ihren Finger wickelt. Der versierteste Flirt des Landes ist sie laut Reginald DeCourcy. Sein letztes nüchternes Statement bevor er ihr selber heillos verfällt und jedes Anzeichen ihrer wahren Intentionen geflissentlich ignoriert.

    Erwähnenswert ist auch die Leistung Tom Bennetts als James Martin, der dümmliche Verehrers Fredericas, den Susan am Ende selbst ehelicht. Bennett spielt ihn mit viel physischer Komik. James redet langsam, bewegt sich unbeholfen und setzt fast immer ein dümmliches Grinsen auf. In gewisser Weise macht ihn das fast zum sympathischsten Charakter der Geschichte. Er hat keine persönliche Agenda, außer zu heiraten.

    Whit Stillmann hat mit „Love & Friendship“ eine außergewöhnliche Austen-Adaption geschaffen. Mit pointierten Dialogen und Humor schafft er einen kritischen und doch unterhaltsamen Kommentar zur romantischen Idealisierung des 18. Jahrhunderts. Susan ist kein Antagonist. Sie möchte sich ihre Optionen offen halten und beim besten Angebot zuschlagen. In der modernen Welt eigentlich schon altbekannt.
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    (Susanne Gottlieb)
    24.10.2016
    22:14 Uhr
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