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  • Bewertung

    Schuld und Sühne

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Jenny (Adèle Haenel) scheint alles richtig zu machen. Sie ist eine junge Ärztin, die auf Grund ihrer hervorragenden Leistung bald in einer Privatpraxis ordinieren darf. Bis dahin vertritt sie noch einen Hausarzt, in einer eher vernachlässigten Ecke der belgischen Stadt Liegè. Sie erklärt ihrem Assistenten mit Schärfe und Korrektheit, wie die Dinge laufen müssen und hat auch an sich selbst hohe Ansprüche. Doch als eines Abends die Klingel der Praxis läutet, öffnet sie die Türe nicht und bereut dies schon kurz darauf zutiefst: die junge Frau, die bei der Ärztin Zuflucht finden wollte, wird am nächsten Tag tot aufgefunden. Die Polizei ermittelt nun, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelt, hat jedoch Schwierigkeiten die Identität der Toten zu klären. Jenny macht es sich nun zum Ziel, den Namen des Mädchens herauszufinden, um ihre Familie zu finden oder die Tote zumindest beerdigen zu können.

    Während man der Ärztin dabei folgt, den kleinsten Hinweisen nachzugehen und dennoch ihre Arbeit gewissenhaft zu erledigen, wirken ihre Taten wie Buße. Der Minimalismus der Protagonistin ist dabei fesselnd, hohes Tempo ist nicht notwendig.
    Die Rolle der moralisch korrekten Ärztin, bei der nur selten Gefühlsregungen durchblitzen, kauft man Haenel sofort ab. Zum Ausbruch ihrer Emotionen kommt es allerdings nicht.

    Die Einsamkeit der jungen Ärztin scheint in dieses Bild zu passen. Abgesehen von den Beziehungen zu ihren Patienten, pflegt Jenny sonst keine Kontakte. Allerdings meinte Luc Dardenne im Publikumsgespräch, dass dies nicht gewollt ist, sondern einfach kein Platz mehr gewesen sei, um dieser Frau auch noch ein Privatleben zu geben.

    Wie schon in ihren früheren Filmen, erschaffen die Dardenne-Brüder eine Engelsfigur, die versucht das Ungleichgewicht der Welt auszugleichen. Man sieht wie sie sich durch die ärmsten Orte des belgischen Städtchens fragt, wie sie sich um alte Menschen kümmert und einen Lichtblick in deren Einsamkeit bringt. Die Geschichte entwickelt sich suggestiv und fesselt in ihrem moralischen Thema dennoch nicht ganz so wie beispielsweise in „Deux Jour, Une nuit“. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich diesmal viel eher erahnen lässt, was kommen wird. Der Film lebt nicht so sehr von der moralische Zerrissenheit, manchmal wirken die Dinge hier einfach, sympathisch – fast wie in einem Tatort, nur länger.
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    (Gloria Halder)
    31.10.2016
    21:57 Uhr
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