Filmkritik zu Seefeuer

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  • Bewertung

    Blick auf die Wahrheit

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    Dokumentarfilmregisseur Gianfranco Rosi hat sich ein Jahr lang auf der italienischen Insel Lampedusa aufgehalten, um zu beobachten wie hier täglich hoffnungsvolle Flüchtlinge ankommen und wie die Bevölkerung der Insel auf diese reagiert. Diese Erfahrungen hat er in eine packende Dokumentation gepackt, die die weltweite Flüchtlingsproblematik sowohl spür- als auch begreifbar macht.

    Im Zentrum des Films steht der junge Samuele (Samuele Pucillo), der wie die meisten Kinder auf der Insel lieber auf Felsen klettert, Steinschleudern bastelt oder am Hafen herumstreift, als zur Schule zu gehen. Man würde eigentlich meinen, dass der Junge ein ganz normales Leben führt, wenn seine Heimatinsel nicht die Anlaufstelle Nummer eins für Flüchtlinge aus Afrika wäre.

    Es gibt nämlich kaum einen Fleck in Europa, der so nah an Afrika liegt, somit ist diese Insel verständlicherweise das Einfallstor für Flüchtlinge dieses Kontinentes. Täglich wird Lampedusa Schauplatz fürchterlicher Flüchtlingsdramen. Die Überfahrt hierher ist extrem gefährlich, vor allem, weil die alten Kähne und überfüllten Schlauchboote der Migranten kaum seetüchtig sind. Viele überleben den Seeweg gar nicht. Gianfranco Rosi beschreibt hier sehr überzeugend, dass es selbst auf diesen einfachen Booten so etwas wie eine erste, zweite und dritte Klasse gibt. Flüchtlingen, die in der „dritten Klasse“ reisen (im untersten Teil des Bootes im Heizraum), wird keine Überlebenschance bei einem Unglück angerechnet. Das Benzin vermischt sich nämlich mit dem Meerwasser, wird zu einer ätzenden Säure und sorgt für übelste Verbrennungen, wenn es Menschenhaut berührt.

    Man hat bei diesem Film das Gefühl, dass zwei Welten miteinander kollidieren: einerseits das gewöhnliche Inselleben auf Lampedusa und andererseits die Flüchtlingstragödien, die sich alltäglich vor aller Augen abspielen. Dadurch wird auch der Kinozuschauer mit zwei krassen Gegensätzen konfrontiert, was für heftige Pro und Cons unter dem Publikum gesorgt hat. Man stellte sich nämlich die Frage, ob es legitim sei, die momentane Flüchtlingsproblematik derart zur Schau zu stellen. Meiner Meinung nach muss sich Gianfranco Rosi nicht zurückhalten, es ist nämlich ein gegenwärtiges Problem, das absolut jeden zum Nachdenken animieren sollte! Die Wahrheit soll nicht unter den Teppich gekehrt oder irgendwie beschönigt werden. Auch wenn gewisse Szenen hart zum Anschauen sind, stellen sie die Realität dar. Davor soll man nun wirklich nicht die Augen verschließen!

    Das einzige kleine Problem, das ich mit „Fuocoammare“ hatte, war, dass er relativ langsam voranschreitet. Klar, es ist ein Dokumentarfilm und muss deshalb nicht in jeder Szene für Aufregung und Spannung sorgen, aber manche Momente fühlten sich beinahe unnötig an, sie sorgten nämlich nicht dafür, dass die Handlung weitergetrieben wird. Am Ende bleibt es aber ein wirklich sehr gelungener Film, über den man noch Stunden später nachdenkt.
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    (Sumaiya Akhter)
    15.02.2016
    20:24 Uhr
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Seefeuer

Italien 2016
Regie: Gianfranco Rosi
AT-Start: 29.07.2016