Filmkritik zu Aloys

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  • Bewertung

    Grandiose Symbiose von Ton und Bild zeigt Beziehung ohne Körper

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2016
    Das Wasser läuft, der Kühlschrank ist offen. „Wir melden uns.“ Das Genre in das „Aloys“ geordnet werden kann, lässt sich wohl am besten mit einer Mischung aus Detektiv-Thriller und Liebesdrama beschreiben. Eine spannende Kombination, die Platz bietet für reiche künstlerische Entfaltung auf verschiedenen Ebenen. Die Ebenen variieren auch auf der Suche nach der Wahrheit. Aloys, von Beruf Detektiv, wird auf einmal von der geheimnisvollen Nachbarin Vera in die Mangel genommen. Sie ruft ihn immer wieder an, und Aloys versucht, sein detektivisches Gespür dafür einzusetzen, sie aufzuspüren. Der Beruf des Hauptcharakters, der Detektiv, ist dafür prädestiniert, die Wahrheit herauszufinden, und um den Zuschauer noch mehr in eine simulierte Realität zu führen, gibt es hier mehrere Wahrheitsebenen. Diese Art eine Geschichte zu erzählen, erinnert an Charlie Kaufmans Stil, und so etwas hat der Schweizer Tobias Nölle schon mit seinem ersten Spielfilm geschafft.

    Stil beweist der Film Aloys auch in der Kameraarbeit: Jedes einzelne Bild sagt untergründig sehr viel aus und ist etwas Besonderes. Die Kamera spielt mit ungewöhnlichen Perspektiven, spannenden Schärfen und Unschärfen, stellt detailreich durchgestaltete Sets gekonnt dar. Die Wand die sich Aloys zwischen sich und seine Mitmenschen gebaut hat, wird verdeutlicht durch beschlagene Scheiben und die abgedunkelte Wohnung. Je mehr Vera aber in sein Leben tritt, desto bunter wird es, im Kontrast zu seinem bisher so grauen und unauffälligen Alltag. Die beiden Wohnungen sind schlicht und einfach gegensätzlich: Aloys Wohnung schaut noch immer so braun, langweilig und altmodisch aus, wie sein Vater sie bei seinem Einzug eingerichtet haben muss - immer wieder schwelgt er auch in alten Erinnerungen. Veras Wohnung ist voller Grünpflanzen, Tiere und es gibt auch eine einsame Kapsel, doch sie holt immer wieder etwas Neues von draussen, aus dem Leben herein.

    Das Sounddesign ist eines der besten, das ich auf dieser Berlinale gehört habe. Töne und Geräusche spielen für die Geschichte auch eine ganz grundlegende Rolle: Die Beziehung zwischen Aloys und Vera entsteht am Telefon, die beiden stellen sich anhand ihrer persönlichen Geräusche vor.

    Großartige Rollenarbeit setzt den Grundstein zu einer Geschichte wie dieser. Ein Film beginnt für Tobias Nölle immer mit einem Charakter, der nur durchs Kino erzählt werden kann und daraus entwickelt sich erst der Rest der Geschichte. Der Charakter Aloys bekommt durch seine Gewohnheit, immer Capri Sonne zu trinken etwas unschuldig kindliches. Er war immer ein Vatersöhnchen und auch, dass der Vater gestorben ist, ändert daran wenig. Er geht einfach weiter seiner Arbeit nach. Aloys Adorn filmt die Welt um sich herum. Es scheint, als würde er diese nur noch durch seine Kameralinse und den Telefonhörer an sich heranlassen. Damit bringt er einen bestimmten Abstand, eine Barriere zwischen sich und die anderen. Der Film könnte eine zeitgenössische Beziehungsinterpretation sein, ein Spiegel der zunehmenden Entfremdung der Menschen voneinander.
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    (Luzia Johow)
    22.02.2016
    11:57 Uhr