Filmkritik zu Jackie

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  • Bewertung

    Lass sie nie vergessen sein, die scheinenden Momente

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Natalie Portman scheint diese Rolle wie auf den Leib geschrieben: Die traurnde Witwe, die jedoch seit dem Tod ihres Mannes ihren Stolz umso mehr aufgebauscht hat. So sitzt sie da in ihrem Lehnstuhl, hochnäsig mit der Zigarette schnippend, und vertraut einem Journalisten (Billy Crudup) ihre persönlichsten Erinnerungen an, im gleichen Atemzug wie sie ihm verbietet, irgendetwas davon zu veröffentlichen. Das alles in einer gelblichen Färbung, die an einen Instagram Filter erinnert, und uns signalisiert, dass wir und in der Gegenwart des Films befinden. Was ist die Gegenwart? Wir befinden uns in den 60er Jahren, und die Zeit in der die Zeitungen begannen, weniger idealistisch über Jacqueline Bouvier Kennedy (Natalie Portman), Frau des verstorbenen Präsidenten zu schreiben. Für sie ist es essentiell wichtig, die Vergangenheit in einer Weise festzuhalten. Auch früher schon, als sie viel Geld investierte um die Möbel im Weißen Haus zu renovieren und das alte Hab und Gut instand zu halten. Über ihre scheinbar so bemerkenswerte Arbeit wurde sogar ein Film gedreht (ja - schon wieder ein Film im Film) – diesmal nicht in sepia, sondern monochrom, und mit der Realistik eines Originals... Wieder eine neue Ebene der Realität.

    Doch wie real ist es wirklich, was da in der scheinbaren Dokumentation gezeigt wird? Jackie spricht von ihrem Mann John F. Kennedy, dem ehrenhaften Helden… und bricht selbstverständlich in Tränen aus. Wer steht ihr jetzt noch zur Seite? Und zwar, man sehe und staune: Es ist Greta Gerwig, in der Rolle der huldigenden persönlichen Assistentin. Ihr ruhiger und liebevoller Blick bringt die First Lady immer wieder in Fassung. Und das ist oft nötig, bei so einem unfassbaren Trauma, das hier verarbeitet werden muss. Der Film zirkuliert um das Erleben des Todes von John F. Kennedy, in einem Auto, direkt neben Jackie, getroffen von einer Kugel. Der Film stochert jedoch nicht zu viel in den Leichen, was ich für eine vorteilhafte Entscheidung halte: Obwohl es um den Tod von Kennedy geht, bleiben wir ganz nah an der Hauptperson, seiner Frau. Wie geht sie mit dem Verlust um, wo geht sie hin, wo sind ihre Gedanken, und wem kann sie jetzt noch vertrauen?

    „Don't let it be forgot, that once there was a spot, for one brief shining moment that was known as Camelot.“ Das Lieblingslied des Ehepaars trägt uns durch den Film und unterstreicht wunderschön das Grundthema: Die Erinnerungen werden konserviert. Doch es müssen ja auch die richtigen Erinnerungen sein, um das gute Image hochzuhalten und dafür wurde der Journalist angeheuert, der extremes Feingefühl beweist, um auf die sensible Ms. Kennedy und ihre Erwartungen einzugehen.

    Im Endeffekt scheint es eine Therapie zu sein, alles Erlebte zu erzählen, und dies lässt uns, auch mit Hilfe von gekonnt geschnittenen zeitlichen Abschnitten, ruhigen und durchkomponierten Bildern und einem schaurig schönen, dramatisch-disharmonischen Soundtrack (der im Kopf bleibt) einen Blick in das Leben einer bemerkenswerten Persönlichkeit werfen.
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    (Luzia Johow)
    08.10.2016
    09:07 Uhr