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  • Bewertung

    She-Male mit iPhone

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Eine Transgender-Prostituierte kriegt nach einem Gefängnisaufenthalt mit, dass ihr Freund etwas mit einer anderen Frau hatte. Was folgt ist die Suche nach der vermeintlichen Liebschaft und die Zur-Rede-Stellung des Freundes. Mittendrin ein taxifahrender Familienvater, der selbst zu Weihnachten seiner heimlichen sexuellen Neigung frönen möchte.

    „Tangerine“ sorgt vor allem deswegen für Furore, da es ein Kinofilm ist, der zur Gänze mit einem iPhone (Anmerkung für Apple-Aficionados: einem 5S) gedreht wurde. Doch leider bringt dies dem Film überhaupt keinen Mehrwert. Wenn „Tangerine“ mit einer professionellen Filmkamera gedreht worden wäre, hätte es dem Film keinen Abbruch getan. Augenscheinlich ist, dass es narrativ und aufnahmetechnisch überhaupt keinen Rückverweis auf das Aufnahmegerät gibt. Die Kamera nimmt nie eine Position ein, die beispielsweise nur mit einem kleinen Smartphone zu erreichen wäre. Natürlich ist der Großteil des Films im freien Handkamerastil aufgenommen, jedoch ist dies im Weltkino schon lange nicht mehr innovativ. Die restlichen Szenen sind sogar recht klassisch – viele Dialoge z.B. Schuss-Gegenschuss-Verfahren – aufgelöst.

    Das Unterfangen des Filmes ist, die Transgender-Sexarbeiterinnen-Szene Los Angeles‘ möglich lebensecht einzufangen. Die Dialoge in „Tangerine“ wirken oft improvisiert, sind dabei in den besten Fällen wahrhaftig und in den schlechtesten „cringe worthy“. Der Film weiß genau, wovon er erzählt, bewegt sich dabei jedoch stets zwischen gelungener dokumentarischer Milieustudie und peinlichem Scripted-Reality-Format. Erstere Momente überwiegen. Die Geschichte rund um den armenischen Taxifahrer, der bei Frau, Kindern und Schwiegermutter den Mann des Hauses geben muss, aber während seiner Arbeitszeit Prostituierte bezahlt, um ihnen einen zu blasen, ist das Highlight, der sonst recht dünne Story.
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    (Josko Boschitz)
    29.10.2015
    03:42 Uhr