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    Tour de Force der Gefühle

    Der Film führt die Tradition der großen Ehedramen fort, die wir seit Ingmar Bergmann (‘Szenen einer Ehe‘), Mike Nichols (‘Virginia Woolf‘) oder auch Franz Peter Wirth (‘Die Zimmerschlacht‘) her kennen. Aus dem großen Topf könnte man noch ‘Das Piano‘, ‘Die Verachtung‘, Little Children’ oder auch Fassbinders ‘Martha‘ nennen.
    Maïwenn hat im Gegensatz zu den genannten Beispielen in gut zwei Stunden alle kleinen und großen Ehrprobleme hineingepackt die man sich nur vorstellen kann, inklusive Kinderwunsch und Scheidung. Dabei geht sie von einer überschwänglichen supergroßen Liebe aus. Der deutsche Titel ist genauso ironisch wie der des Originals: ‘Mein König‘, und ähnelt fast dem geflügelten Wort ‘Mein Herr und Gebieter‘.
    Diese Ironie wird von Anfang an durch die beiden grandiosen Hauptdarsteller Vincent Cassel (Georgio) und Emanuelle Bercot (Tony) überhöht und damit der tiefe Fall noch tiefer. Es wird deutlich, dass diese Amour Fou nur so lange geht, bis das Harmoniebedürfnis und die Leidensfähigkeit von Tony erschöpft sind. Die Beziehung bekommt aber immer wieder neue Nahrung von der gegenseitigen sexuellen Lust.
    Ausgangspunkt und Parallelhandlung ist Tonys Skiunfall mit anschließendem Reha Aufenthalt. Dieser symbolträchtige Heilungsprozess hinterlässt bei ihr deutliche Spuren. Während sie weiter heranreift, bleibt er am Ende eigentlich, was er immer war: ein ‘dämlicher Arsch‘. Und durch das augenfällige Umschalten von einem ‘Vorher‘ und ‘Nachher‘ des Skiunfalls kommt zusätzlich Spannung auf.
    Eine überzeugende, turbulente Charakterstudie aus dem Ehealltag mit Änderungspotential. Es soll weibliche Zuschauer gegeben haben, die immer wieder mit dem Wunsch kämpfen mussten, vorzeitig das Kino zu verlassen, weil die dem psychologischen Druck verstärkt durch eigene leidvolle Erfahrungen fast nicht gewachsen waren.
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    07.05.2016
    12:40 Uhr