Als ich vor ein paar Jahren die oscarprämierte Dokumentation über Philippe Petit sah, der in den 70er-Jahren in einer Nacht- und Nebel-Aktion mit seinem Team ein Drahtseil zwischen den zwei Türmen des World Trade Centers spannte und dann in über 400 Meter Höhe über dieses Seil balancierte, war ich fasziniert. Als großer Zirkusfan war ich natürlich begeistert von diesem wagemutigen Franzosen, dem die spitzbübische Freude über den großen Coup auch heute noch anzusehen ist.
Nun hat sich Robert Zemeckis dieser Geschichte angenommen. Als Meister seines Fachs hat er ja schon mehrfach bewiesen, dass er großes Kino inszenieren kann. Mit „Zurück in die Zukunft“ ist er aktuell in aller Munde und mit „Forrest Gump“ konnte er bei den Oscars groß abräumen. Das eigentlich unmögliche Unternehmen in New York bietet genügend Potential für einen weiteren großen Film. Und der ist auch sichtlich gelungen, wobei er höchstwahrscheinlich nicht so viel Aufstehen erregen wird wie die beiden zuvor genannten Filme.
Das „Problem“ bei dem Film ist, dass er sich sehr stark an der eingangs erwähnten Dokumentation orientiert. Das ist ja nicht unbedingt schlecht, da diese sehr spannend und unterhaltsam gestaltet war. Doch Kennern von „Man on Wire“ wird hier Einiges bekannt vorkommen – wurden doch manche der für die Doku damals nachgestellten Szenen hier quasi 1:1 übernommen. Blendet man diesen Umstand aus, bekommt man hier die Lebensgeschichte eines jungen Mannes präsentiert, die einen staunen lässt. In wirkungsvollen und schönen 3D-Bildern wird der Weg des Philippe Petit (darstellerisch und optisch sehr gut getroffen von Joseph-Gordon Levitt) von seinen ersten Versuchen als Straßenkünstler bis hin zu seinem größten Auftritt aufbereitet. In einer kleinen Nebenrolle ist auch Ben Kingsley als Mentor zu sehen. Alle weiteren Darsteller sind zwar wichtige Rädchen bei der ganzen Operation, bleiben aber eher unsichtbar.
Neben der Story, die natürlich auch damit punkten kann, dass das alles auch wirklich so passiert ist, kann der Film noch mit etwas Anderem überzeugen: mit den Bildern. Robert Zemeckis wusste immer schon, wie man Szenen schön kombiniert und gegebenenfalls auch digital nachhilft. Und hier musste ordentlich nachgebessert werden – da es einerseits leider das World Trade Center nicht mehr gibt und andererseits auch Joseph-Gordon Levitt wahrscheinlich nicht über die notwendigen artistischen Fähigkeiten verfügt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der titelgebende „Walk“ zwischen den zwei Türmen ist wunderschön inszeniert und ein würdiges Finale dieses Films.
Wie es Petit im Film von seinem Mentor gelernt hat – dem Publikum seinen Respekt in Form einer Verbeugung zu zollen, so schließt dieser Film mit einer schönen optischen Würdigung des World Trade Centers.