dezember 1964, martin luther king bereitet sich für die verleihung des friedensnobelpreises vor.
ortswechsel: ein paar schwarze mädchen, herausgeputzt in weißen kleidchen, gehen eine treppe runter, weiße handschuhe auf dem holzgeländer, weiße strümpfe... eine explosion zerreißt die idylle, trümmer regnen, kinderbeine fliegen...
selma, alabama: annie lee cooper (oprah winfrey) möchte sich ins wahlregister eintragen lassen. als schwarze muss sie dafür einen besonderen wissenstest bestehen, von fragen zur verfassung bis zur anzahl der bezirksrichter in alabama – weil sie deren 67 namen nicht aufsagen kann, wird ihr das wahlrecht verweigert.
und der zusammenhang zwischen beiden sequenzen? bei 40000 rassistisch motivierten morden wurde kein einziger weißer verurteilt – weil alle behörden mit weißen besetzt waren, die wiederum von weißen gewählt wurden, und die jury-mitglieder ebenfalls weiß waren, da nur in die jury berufen werden konnte, wer als wähler registriert war...
märz 1965: MLK, inzwischen "ungeduldig" und nicht länger gewillt, die forderung nach dem wahlrecht nur zu predigen, organisiert – strategisch wohl durchdacht – mitten im rassistischsten süden die märsche der bürgerrechtsbewegung von selma nach montgomery, alabama – erst niedergeknüppelt und mit tränengasgranaten und peitschenhieben von berittenen state troopers blutigst zurückgeschlagen, bereiten sie doch den boden für die durchsetzung des voting rights act 1965.
wie spielbergs "lincoln" zeigt "selma" auch die politik hinter den kulissen, die absprachen in hinterzimmern und gegenseitigen rücksichtnahmen, etwa in den zähen gesprächen mit präsident johnson – zentrales thema ist jedoch der harte kampf der zivilgesellschaft um mehr gleichberechtigung, der blutzoll der kleinen leute, der ihren gewaltlosen widerstand erst so heroisch wirken lässt, dass sich ihm auch weiße anschließen – und die öffentliche meinung sich gegen die rassistischen gewalttäter und bornierten machthaber richtet: "the biggest weapon is to stay peaceful..."
NB: wer "selma" mit den heutigen zuständen vergleicht, wird erschüttert feststellen müssen, wie aktuell das thema, und wie brüchig das friedliche zusammenleben ist. aber zumindest in hollywood hat sich eins zum besseren geändert: durch substanzielle drehbuchüberarbeitungen hat regisseurin ava duvernay den fokus von MLKs verhandlungen mit präsident johnson auf den bürgerprotest verlegt – und damit nehmen in "selma" erstmals die schwarzen ihr schicksal selbst in die hand. ob "the help", "12 years a slave", "lincoln" oder "django unchained": bisher war es doch immer ein wohlmeinender weißer, der sich für ihre belange einsetzen musste, oder ein weißer, der der filmgeschichte "einen schwarzen helden beschert" hat. na wenn das kein fortschritt ist...!