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    Gespräche beim irischen Tafelberg

    Ein kleiner, großartiger Film! Am Anfang steht die Beichte mit der Ankündigung seines Mordes, am Ende wird er ausgeführt, weil der Beichtende als Bub jahrelang von Priestern, die inzwischen bereits gestorben sind, missbraucht worden war. Dazwischen erleben wir eine Woche im Alltag des Dorfpfarrers James Lavelle (Brendan Gleeson in eine seiner überzeugendsten Rollen). Sein bisheriger Lebenslauf ist ungewöhnlich: er war verheiratet gewesen und hat eine Tochter Fiona (Kelly Reilly). Erst nach dem Tod seiner Frau wurde er Priester. Er trinkt. flucht und fährt einen Ami-Schlitten (Cabrio). Lavelle droht mit einer Pistole und geht einem handfesten Streit nicht aus dem Wege.
    Viele im Dorf haben etwas gegen ihn oder gegen die Kirche, aber alle suchen immer wieder sein Gespräch, denn er kann zuhören und weiß immer Rat. Die Dialoge sind in jeder Hinsicht auf religiös fundiertem und schlagfertig entwaffnendem Niveau. Wir erleben Irland zwischen tiefer Religiosität und Rebellion.
    Besonders die zwischen Vater und Tochter, Priester und Metzger Jack (Chris O’Dowd) oder die mit dem Arzt (Aidan Gillen) oder dem Landadeligen. Der einzige Farbige im Dorf Simon (Isaac de Bankolé) ist besonders verdächtig, denn er treibt es mit der Metzgersfrau. Die Dörfler sind fremdenfeindlich und latent rassistisch. Lavelles Kirche wird abgefackelt. Sein Kommentar ‘Wir werden sie wohl wieder aufbauen müssen‘.
    Aus der wunderschönen irischen Landschaft um Sligo taucht immer wieder das tafelbergähnliche Gebirgsmassiv Ben Bulben auf und erinnern an den Originaltitel: Der ‘Kalvarienberg‘. Hier wie dort stirbt/starb ein Unschuldiger für die Missetaten anderer. Metzger Jack nennt es eine sich ‘selbsterfüllende Prophezeiung‘, Pfarrer Lavelle nennt das ‘Zynismus‘.
    Da beeindruckt uns Regisseur McDonagh, weil er es konsequent durchzieht, blutig durchzieht. Western Fans würden bis zum letzten Augenblick die rettende Kavallerie erwarten. Stattdessen ziehen die Personen nochmals vor dem Auge der Kamera vorbei. Fiona besucht den Mörder ihres Vaters im Gefängnis…Eine Perle!
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    02.04.2017
    18:07 Uhr
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    Beklemmender Leidensweg mit viel Humor

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
    Wie bereits in seinem 2011 auf der Berlinale gezeigtem Regiedebüt „The Guard“ verbindet der irische Regisseur John Michael McDonagh eine eigentlich ernste Geschichte mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor. Nur, dass es sich bei „Calvary“ eindeutig um ein Drama und keine Komödie handelt. Und so ist auch die Ausgangsposition nicht gerade zum Lachen: Ein Unbekannter gibt dem äußerst sympathischen, irischen Dorfpfarrer James Lavelle (Brendan Gleeson) sieben Tage lang Zeit, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Denn dann wird er für die Sünden, die ein anderer Priester vor Jahren beging, büßen müssen. Und so beginnt Lavelle in den letzten düsteren Tagen seines Lebens vor allem durch lange und genial in Szene gesetzte Gespräche in seiner Gemeinde, das unbekannte Schäfchen vor seiner Sünde zu bewahren. Doch schnell tun sich dabei tiefe Abgründe auf und der ebenso beklemmende wie spannende Leidensweg des Priesters wird zum Katalysator von gesellschaftlichen Ängsten und ermöglicht eine umfassende Vergangenheitsbewältigung, sodass letztendlich diese bunte ländliche Gesellschaft im „Beichtstuhl Kino“ ihre Karten auf den Tisch legt.
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    10.02.2014
    22:19 Uhr