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    Der Islam und die Frauen

    Der lyrische Titel ist ein erster Hinweis zur Deutung des Films. Ein Frauendrama aus dem vom Krieg heimgesuchten Afghanistans. Eine junge Frau () legt am Krankenbett ihres viel älteren Ehemanns, der im Koma liegt, eine Lebensbeichte ab. Allein schon die Tatsache, dass sie redet, ist schon revolutionär. Normalerweise schweigen die Frauen hier. Zwischendurch rollen Panzer vorbei, MG Salven sind zu hören, das Ergebnis eines Massakers im Hof. Die Taliban vergewaltigen die Mutter von zwei Kindern. Beim nächsten Mal gibt sie sich als Hure aus und wird verschont. Wir erfahren auch warum. Dann wird ein stotternder, junger Taliban ihr Stammfreier. Jetzt hat sie Geld. Und immer wieder beichtet sie ihrem komatösen Ehemann ihre intimsten Geheimnisse z.B. aus ihrer Kindheit. Ihre Geständnisse werden immer intimer: z.B. das Blut als Beweis ihrer Unschuld nach der Hochzeitsnacht oder woher die beiden Töchter sind.
    Der Ehemann (Hamidreza Javdan) erwacht und sie erzählt weiter, glaubt sich auf der sicheren Seite. Er muss sie umbringen, sie trägt immer einen Dolch bei sich. Letztes Bild: sie schaut in die Kamera, eine Träne kullert aus dem Augenwinkel…Der stotternde Soldat findet die beiden.
    Jetzt darf spekuliert werden: Notwehr? Missglückter Tötungsversuch? Droht ihr die Steinigung? Regisseur Rahimi geht es wohl weniger um eine Lösung als um die Darstellung der tragischen Problematik. Das ist ihm hervorragend gelungen, vor allem durch den packenden Off-Kommentar.
    Mit erstaunlich viel Mut zur Freizügigkeit ist ein eindrucksvoller Film entstanden mit einer grandiosen Golshifteh Farahani in der Hauptrolle.
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    22.10.2015
    12:36 Uhr
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    Stein der Geduld

    Es macht staunen, dass der Film mit so schönen Bildern daherkommt: Unattraktive Viertel in mildem Licht, in dem herabgekommenen Haus die heimeligen Polster und Vorhänge, und diese schöne Frau … Aber draußen ist Krieg, man weiß nicht, wann der nächste Treffer einschlägt, und wer hereinkommt, bringt nicht Frieden, auch wenn er von den „Unseren“ ist. Die Geschichte, die diese Frau nach und nach erzählt - ihrem bis aufs Atmen leblos daliegenden Mann - ist die Summe eines Frauenlebens in einer Umwelt, in der Gesellschaft nicht mehr als Familie oder Verwandtschaft ist, in der Kultur einzig der Koran oder dessen Handhabung ist, und in der überdies seit Jahrzehnten Krieg und wenig sonst herrscht, zwischen einheimischen Gruppierungen und deren „Unterstützern“ von außen: Russland, Amerika, Pakistan.
    Wie viel die Frau betet, ist im Film weggelassen. Es nützt ihr zu nichts, denn Frauen haben zukünftige Helden zu gebären, sonst sind sie wertlos in Afghanistan. Aber es muss doch endlich dahin kommen, Helden, die sich nur auf Zerstörung und Töten verstehen, durch solche abzulösen, „die sich auf Liebe verstehen“. So lang nur Frauen dafür ihre Stimme erhoben, konnte, wer wollte, das bloß deren Sache scheinen lassen, aber seit Männer das tun, wie z.B. Atiq Rahimi mit „Stein der Geduld“, ist wohl eine neue Art afghanischen Heldentums gegründet. Selbst wenn der Autor von Buch und Film in Frankreich lebt.
    Literarische und filmische Beurteilungen rücken da in den Hintergrund.
    21.10.2013
    09:03 Uhr