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90% Bewertung
  • Bewertung

    Viele große böse Wölfe

    Dreierlei Dinge platzieren diesen Film haushoch über dem Durchschnitt. Die Folterszenen überschreiten die Grenzen des normal Erträglichen, alle Figuren entpuppen sich im Laufe der Handlung als jemand anderes, als sie uns anfangs glauben machen wollten und schließlich verlässt der Plot die im Titel angedeuteten märchenhaften Sequenzen und geht auf einen Horrortrip mit unerwartetem Ausgang und einem großen Fragezeichen. Die Regisseure Keshales und Papushado lassen den Zuschauer über weite Strecken im Ungewissen über die wahre Herkunft, und lassen sogar Komik zu. Und das Ende ist ein Knaller für sich.
    Es geht um den Mord an einem kleinen Mädchen. Der Leiche fehlt der Kopf. Ob es der gefangene Religionslehrer Dror (Rotem Keinam) war, kann möglicherweise derjenige, der am Ende ganz genau hinschaut, während sich die Kamera wortlos vom Ort des Geschehens verabschiedet.
    Miki (Lior Ashkenasi), ein suspendierter Ermittler, der einzige den Dror kennt, paktiert mit Gidi (Tzahi Grad), einem Mieter eines abgelegenen Hauses. Der angebliche Interne Ermittler outet sich als potentieller Vater des getöteten Mädchens. Teilweise arbeiten Miki und Gidi miteinander, dann aber auch gegen einander. Als Gidis Vater Yoram (Doval’e Glickman) auftaucht, bringt der keine Entspannung, sondern er foltert munter mit. Komik kommt nur von Mikis Vorgesetztem Tsvika (Dvir Bendek) und seinem vorlauten Sohn Eti (Guy Adler).
    Gidi plant genau die gleichen Foltermethoden wie sie der Mörder an dem kleinen Mädchen verübt hatte: vergifteten Kuchen anbieten, Finger brechen, Nägel rausreißen, Kopf absägen. Nichts für schwache Nerven. Neben der Spur mit den Hinweisen ins Märchenland, taucht plötzlich noch ein Reiter auf und verwickelt Gidi in ein Gespräch über Araber und Israelis.
    Die Schlusspassage gibt Anlass zu Streitgesprächen, denn was die schweigsame Kamera zeigt, ist im wahrsten Sinne des Wortes Ansichtssache. Das Mehrzahl -‘s‘ im Titel meint dann wohl auch mit Sicherheit Gidi, Miki und Yoram. Bei Dror wäre ich mir da nicht so sicher.
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    01.08.2021
    13:08 Uhr
  • Bewertung

    Israelischer Kindermörder-Thriller à la Coen Brothers

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Die Polizei ist hinter einem Serienkiller her, der schon mehrere Mädchen auf dem Gewissen hat. Scheinbar die ganze Stadt hat sich festgelegt: der Lehrer Dror (Rotem Keinan) soll der Täter sein. Als die Tochter von Gidi (Tzahi Grad) schließlich auch tot aufgefunden wird, greift dieser zu extremen Schritten: er will Dror kidnappen und ihn so lange foltern, bis er gesteht – wenn nicht länger. Der Polizist Miki (Lior Ashkenazi; die israelische Antwort auf Clive Owen), dem es trotz Einsatz von illegalen Ermittlungsmethoden nicht gelang, den Fall zu lösen, ist allerdings auch auf Drors Fersen.

    Trotz des sehr düsteren Thematik des Kindermordes ist die Grundstimmung von „Big Bad Wolves“ eine – zumal zeitweise – beschwingte. Manche werden dies anstößig finden; das Regieduo Aharon Keshales und Navot Papushado hat allerdings eine Mischung zwischen ernstem Thema und witzigen Dialogen, zwischen spannenden, lustigen und brutalen Szenen gefunden, wie es nur absolut hochkarätige Filmemacher können. Dabei erinnern sie beispielsweise an die Coen Brüder und einem Film wie „Miller‘s Crossing“.

    „Big Bad Wolves“ ist ein u.a. durch Dialoge getragener Film. Der Cast – allesamt bei uns wenig bekannte israelische Schauspieler – liefert eine grandiose Leistung ab. Das Timing passt in jedem einzelnen Dialog – das merkt man sogar, wenn man wie ich dem Hebräischen nicht einmal ein bisschen mächtig ist.

    Aharon Keshales und Navot Papushado haben allerdings nicht nur ein Gefühl für Sprache, sondern auch für Visuelles. Dies zeigten sie schon in ihrem Erstlingswerk, dem Horrorfilm „Rabies“ aus dem Jahre 2010. Schon die Vorspann-Sequenz von „Big Bad Wolves“, die drei Kinder in einer Zeitlupen-Montage beim Verstecken spielen zeigt und zum Abschluss hat, dass schließlich eines verschwunden ist, kann sich sehen lassen.

    Dazwischen ist auch noch Platz für gesellschaftspolitische Kommentare, wenn in fast gänzlich aus der Diegese fallenden Szenen, der jüdische Protagonist von einem berittenen arabischen Israeli, trotz erstem Misstrauen, unterstützt wird und umgekehrt.

    Die größte Schwäche des Filmes ist sein Ende, dass die Folter im Film zu legitimieren scheint. Außerdem wirkt es zu aufgelegt und zu billig. Dabei hätte dem Filmerlebnis ein offenes Ende keinen Abbruch getan. „Big Bad Wolves“ wäre ein (noch) besserer Film, wenn der Abspann fünf Sekunden vorher angefangen hätte zu rollen.
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    25.09.2013
    18:05 Uhr