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77.2% Bewertung
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    Freundeskreis am Sterbenbett

    Ähnlich wie beim Titel des ersten Teils fragt man sich, was der hier mit dem Film eigentlich zu tun hat. Familie und Freunde versammeln sich am Sterbebett das todkranken Rémy Girard, der in seinen besten Zeiten Womanizer und Professor war, aber auch Ehemann und Vater. Die geistige Elite philosophiert über Gott und die Welt. Man redet über die –Ismen des 20. Jahrhunderts und über gesellschaftliche Größen aus dem Pop- und Showgeschäft (Francois Hardy, Julie Christie u.a.) ebenso selbstverständlich wie über Plato und Aristoteles. Dabei ist man sich einig, dass die Intelligenz verschwunden ist und heute nur noch ‘Barbaren‘ ihr Unwesen treiben (siehe Titel!). Einer sagt ‘Man kann sein Leben doch nicht auf den Texten von Schlagern aufbauen.‘ Ganz nebenbei werden familiäre Unebenheiten an die Oberfläche gespült, eine Vater-Sohn Problematik aufgedeckt. Und ganz locker über Sex geredet (‘Ihre Titten sind größer als ihr Hirn‘). Wie bei den 68ern nicht unüblich, besorgt der Sohn Sébastien (Stephane Rousseau) dem Vater gegen die Schmerzen Heroin.
    Selbst als es mit Rémy zu Ende geht, kommen keine Sentimentalitäten auf, wegen des geistigen Überbaus des Intellektualismus‘, der auf dem ganzen Geschehen liegt. Was nicht ausschließt, dass Emotionen doch kurz aufblitzen. Aber die allgemeine Gemengelage ist voll von geistreicher Ironie und makabrem Witz. Und als Beweis, dass die Herzen noch nicht ganz tot sind, gibt es am Ende noch kurze Gefühlsausbrüche mit wunderschönen Bildern.
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    08.11.2013
    18:53 Uhr
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    Der Tod abseits von Filmgemetzeln...

    ...ist immer noch ein veritables Tabu, da könnte man ja in die Verlegenheit kommen sich mit seiner eigenen zeitlichen Begrenztheit auseinandersetzen zu müssen.

    Dieser Film ist erfrischend satirisch auch zynisch, gesellschaftskritisch mit einer ordentlichen Portion Humor.

    Speziell empfehlenswert für Leute, die im Krankenhaus tätig sind, diese werden oft wissend und nickend auflachen bzw. zumindest nickend lächeln.
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    02.03.2008
    16:01 Uhr
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    Handwerklich meisterhaft, inhaltlich problematisch

    Wie schon Jetmir in seiner Kritik schreibt, ist der Film ein eindeutiges Plädoyer für das Leben. Leben ist besser als tot zu sein. In einer materialistischen Sichtweise stimmt das ganz gewiss.

    Mir persönlich bereitet dieser Ansatz aber ein wenig Kopfzerbrechen, aber das ist eine eher philosophisch-ethisch-theologische Debatte, die dem Film nicht schaden soll. Berührend inszeniert mit einer Prise Humor und doch bitterer Ernst.

    Wie Rosenblütenwasser und Zartbitter-Schokolade.
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    25.04.2005
    18:16 Uhr
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    Ein Mann wartet auf den Tod

    Ein Mann und politisch Linksorientierter wartet auf den Tod. Er kann es sich nicht aussuchen, sein Wille zu leben ist größer denn je, doch das Leben hat nun mal ein Ende. Sein Sohn ist das Gegenteil des ehemaligen Geschichteprofessors, denn er verdient seinen Lebensunterhalt als Treasury-Manager in der Vermittlung von Öl-Swaps. Gegensätzlicher können Vater und Sohn kaum sein, aber eines verbindet alle Besucher im Krankenhaus, der drohende Abschied! Das Abschiednehmen kann aber auch zu einem Fest werden. Freunde, Geliebte, Studenten, die Tochter, die Ehefrau und der sich aufopfernde Sohn, grandios dargestellt von Stéphane Rousseau, sind in den letzten Tagen und Wochen des erfüllten, mit leichten Selbstzweifel geplagten Lebemanns (Rémy Girard) nicht nur physisch da, sie alle gemeinsam zelebrieren ein Fest, ein Fest zu Lebzeiten des Freundes und Vaters.

    Selten hat man das Gefühl das wahre Leben auf der Leinwand wiederzuerkennen. Denys Arcand, verantwortlich für die Regie und das beste Drehbuch seit langem, schafft es den Zuschauer in die Handlung zu integrieren. Ein bekanntes Gefühl erlebt man mit den eigenen Erinnerungen und Gedanken zum Thema. Jeder von uns wird sich fragen, wann der Zeitpunkt des Todes naht und wie man darauf reagieren wird. Wird man sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen? Gibt es noch etwas, was man noch unbedingt machen möchte? Erinnert man sich nur der schönen Momente des Lebens? Was kann man gegen bürokratische Hürden und politische Inkorrektheit unternehmen? Wie überzeugt man die Verwaltungsdirektorin bzw. die Gewerkschaft von einem eigenen privaten Krankenzimmer innerhalb des Krankenhauses?

    Eine gewaltige Portion Gesellschaftszynismus mit Verstand und Humor ist „Die Invasion der Barbaren“. Laut Arcand wird eine Zivilisation von Barbaren jeglicher Art heimgesucht, wenn sie zerfällt. Bush and his friend Silvio als amerikanisch-italienische Conans? Fragt sich nur, welcher Teil damit gemeint ist – wirklich the Barbarians oder doch the Destroyers? Der Film ist mehr als nur eine Zwischenbilanz und gegenwärtige Satire, er ist im Moment die einzig wahre Rettung im allgemeinen Kinomüll und der intelligenteste Beitrag des jungen Kinojahres 2004! Wenn möglich unbedingt die Originalversion anschauen.
    19.03.2004
    12:00 Uhr