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    36, reich, single und schwerkrank sucht...

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Die deutsche Regisseurin Angela Christlieb, die einst den sehr interessanten Dokumentarfilm „Cinemania“ über extreme Cinephilie in New York drehte (sehr empfehlenswert!) porträtiert in ihrem aktuellen Film Marc Rollinger. Bei Marc Rollinger handelt es sich um einen steinreichen luxemburgischen Opernliebhaber. Eigentlich sieht er sich aber nur jedes Monat in einer anderen europäischen Stadt eine Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ an – andere Opern mag er nicht. Zudem bezahlt er auch gerne junge Männer (meist Models oder Pornodarsteller) für ihre Gesellschaft und auch etwas mehr. Er lebt in seiner eigenen Luxuswelt in der er mit Hilfe seines Reichtums Macht und Kontrolle über andere ausübt. Christlieb und ihr Kameramann schaffen es das verschwenderische Leben in Rollingers Welt in tollen und vor allem kreativen Bildern und Einstellungen einzufangen. Untermalt wird das ganze von Szenen einer Don Giovanni-Verfilmung und gelungener Chello-Musik. Rollinger bestimmt dabei anscheinend selbst, was er vor der Kamera zeigen will und was nicht. Doch was er macht lässt einen des Öfteren schmunzeln, lachen oder ungläubig den Kopf schütteln. Doch „Naked Opera“ ist kein Film über einen dekadenten Schnösel. Nein dieser gelungene Dokumentarfilm funktioniert auf sehr vielen Ebenen. Ein wirklich interessanter Punkt in seinem Leben ist beispielsweise die Tatsache, dass er bereits 36 Jahre alt ist. Nichts besonders? Eigentlich schon, denn die Ärzte gingen ursprünglich von einer maximalen Lebensdauer von 33 Jahren aus. Rollinger ist nämlich unheilbar krank.

    Der Film zeichnet dabei ein recht sympathisches Bild dieses ungewöhnlichen Menschen, der für viele Filmemacher und viele private Fernsehstationen ein gefundenes Fressen wäre und von einer ausbeuterischen Kamera auch leicht zum Lugner gemacht werden könnte. Doch auch, wenn er weltfremde Vorstellungen hat und nicht gerade eine ästhetische Erscheinung ist, wird er in diesem Film von der Kamera nicht ausgenutzt. Und so darf man im Kino auch lachen – jedoch ist es in den meisten Fällen ein lachen mit einem sympathischen Menschen, der eben sehr anders ist und kein Lachen über ihn. Zu den stärksten Momenten des Dokumentarfilms gehören aber Szenen, in denen Christlieb aus dem Off direkt mit dem Millionär diskutiert. Gerade hier wird die Essenz des Dokumentarfilms und das Verhältnis zwischen Regisseurin und Darsteller deutlich. Es wird klar, dass es sich immerhin um einen Film und nicht um Realität handelt und, dass auch in Dokumentarfilmen immer ein Kamerateam anwesend ist und die Regisseurin oft Anweisungen gibt, was der Porträtierte in der nächsten Szene vorzeigen könnte. Beim Verlassen des Kinosaal weiß man somit, dass man dem Film wohl nicht alles abnehmen kann, was er einem zeigt. Aber man weiß vor allem auch, dass man ein sehr interessantes Porträt gesehen hat.
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    10.02.2013
    23:53 Uhr