1 Eintrag
1 Bewertung
80% Bewertung
  • Bewertung

    Child´s Pose

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Man sagt, das Menschen, die von ihren Müttern überbehütet aufwachsen, als Erwachsene große Schwierigkeiten haben, sich im Leben zurecht zu finden, die richtigen Entscheidungen zu treffen und selbständig für ich selbst zu sorgen. Umgekehrt wird es wohl auch so sein, dass Menschen, denen niemand je geholfen hat und die sich von Kindesbeinen an immer selbst durchschlagen mussten, Schwierigkeiten haben, anderen zu vertrauen, Verantwortung zu delegieren und mit Situationen umgehen zu lernen, die Auswirkungen auf sie selbst haben, aber von anderen verschuldet worden sind.

    In diesem Film geht es um das Extrem der ersten Art, konkret: um die Beziehung zwischen einem längst erwachsenen Sohn zu seiner Mutter. Bogdan ist ein Einzelkind, was die Sache noch mehr verschlimmert. Eigentlich spürt er in sich den Wunsch, sich aus der Umklammerung seiner Mutter zu lösen, gleichzeitig merkt er aber, dass er sich als ziemlich hilflos erfährt, wenn er ohne ihre Hilfe und ihre Fürsorge dasteht. Das Hin- und Hergerissensein ist sein ständiger Begleiter und als er mit seinem Auto bei einem Unfall einen Jugendlichen überfährt, der in Folge des Unfalles stirbt, wird die längst aufgeschobene Loslösung von seiner Mutter einerseits dringlich wie noch nie, zugleich aber dadurch erschwert, dass sie alle nötigen Kontakte hat, um ihm in seiner Situation juristisch weiterzuhelfen. Regisseur Călin Peter Netzer zeichnet in seinem Film zwei Chronologien der Krise und montiert sie dramaturgisch neben- und ineinander: zum Einen die Krise durch den Autounfall und die Trauer, den Schmerz bei allen Beteiligten und die schwierige Suche nach einer Strategie, um emotional und vor dem eigenen Gewissen damit umzugehen, zum Anderen die Krise der längst überfälligen Trennung Bogdans von seiner Mutter Cornelia, die das Gefühl hat, ihren Sohn zu verlieren, wenn sie ihm die Freiheit gibt, um die er sie bittet. Das große schwarze Loch, das sie vor sich sieht, erscheint unerträglich, wenn er nicht mehr der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit und Sorge sein würde. Nach zahlreichen Reibungspunkten beider Chronologien klingt der Film auf beiden Ebenen zwar noch nicht versöhnlich, aber offener aus, als er begonnen hätte. Zahlreiche hervorragende Dialoge, die man als Musterbeispiele für gelungene bzw. gescheiterte Kommunikation im Trainingsseminar für Lebensberater verwenden könnte, sowie die starke Performance der Hauptdarstellerin Luminiţa Gheorghiu runden das positive Bild des Filmes ab. An einzelnen Stellen erscheint der Schnitt jedoch noch nicht mutig genug, um dem Film ein wenig mehr Tempo zu geben.
    uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
    11.02.2013
    23:51 Uhr