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    Schön kompliziert

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Es schaffen nicht viele Filmemacher bereits nach einem einzigen Film als Kultregisseure zu gelten. Doch dem US-Amerikaner Shane Carruth ist dieses Kunststück gelungen. So hat sich der studierte Mathematiker über ein Jahr lang intensiv mit Physik beschäftigt, um seinen sehr wissenschaftlichen Zeitreisefilm „Primer“ zu drehen (bisher auch sein einziger Film). Und dieser etwas nerdige Film machte Carruth über Nacht zum Helden einer gewissen Zielgruppe.

    Doch während „Primer“ lediglich aufgrund seiner wissenschaftlichen bzw. physikalischen Genauigkeit für Nicht-Physiker etwas kompliziert wirkt, hat der Regisseur in seinem avantgardistischen Werk „Upstream Color“ jegliche Logik eliminiert. Der in drei Drittel geteilte Film beginnt dabei als noch einigermaßen zu verstehender Thriller: Ein Mann züchtet toxische Maden, die andere Menschen willenlos machen können, worauf diese gezwungen sind, dem Täter ihr ganzes Vermögen auszuhändigen. Eines der Opfer ist die junge Kris. Doch was in weiten und einigermaßen verständlichen Kreisen beginnt, wird immer undurchsichtiger. Denn plötzlich ist der Täter verschwunden, dafür taucht aber immer wieder ein komponierender Schweinezüchter auf, der Kris ein Stück eines Schweins transplantiert, worauf hin die an starken Persönlichkeitsstörungen leidende Frau und das Schwein auf mystische Weise miteinander verlinkt sind. Noch dazu lernt sie einen von Carruth gespielten Mann kennen, der vielleicht sogar das selbe Schicksal durchmachen musste. Die beiden verbringen viel Zeit zusammen, doch wissen sie weder wer sie sind, noch was mit ihnen geschehen ist. Sie sind isolierte Geschöpfe in einer von Sinneseindrücken dominierten Welt. Und diese Sinneseindrücke sind es letztendlich auch, worum es in „Upstream Color“ wirklich geht.

    Denn es macht (zumindest beim ersten Mal ansehen) nicht sehr viel Sinn, sich über die einzelnen Wirren Details der dichten Handlung große Sorgen zu machen. Viel mehr gehört der Film zu jenen Werken, die sich über ihre Atmosphäre und dem visuellen Ausdruck von Gefühlen definieren. Hören und Fühlen sind vor allem jene Sinne, die hier im Mittelpunkt stehen. Und während das Fühlen vor allem über wunderschöne Großaufnahmen von Fingern und dem sachten Abtasten der Kamera von Gegenständen und der Umgebung vermittelt wird, wird das Hören von einem großartigen Sound-Design übertragen. Und lässt man die gefühlvollen Bilder des Films einfach auf sich wirken, ist „Upstream Color“ wirklich schön. Somit ist der Film zumindest stilistisch etwa mit „The Fountain“ oder „The Tree of Life“ vergleichbar – auch wenn er nicht ganz an sie heran reicht. Doch ist „Upstream Color“ vor allem eines dieser Werke, von denen man beim ersten Mal nicht annähernd alles erfassen kann. In diesem unglaublich dichten Film, gibt es noch so viele Details, Metaphern, wissenschaftliche Fakten, Verbindungen und Anspielungen zu entdecken, sodass man ihn auf alle Fälle ein Zweites oder sogar Drittes Mal betrachten sollte, bevor man ihn letztendlich beurteilt.
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    14.02.2013
    23:59 Uhr