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7 Bewertungen
67.1% Bewertung
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    Nur für Amis

    Wer geglaubt hat, dass nach dem ‘War Horse‘ vom Vorjahr Spielberg wieder einen besseren Film abliefern würde, sieht sich enttäuscht. Hier konnte er dem Amerikanismus bis zum Abwinken frönen. Er bietet eine hochprozentige Mischung aus Pathos und Patriotismus, gestützt auf tiefes Gottvertrauen mit der Botschaft ‘Am amerikanischen Wesen soll die Welt genesen.‘ Dreiviertel des Films sind Dialoge. Hier wird versucht, Dramatik durch das sich gegenseitige Anschreien der Akteure zu erreichen. Die zwischengeschalteten Szenen aus dem Privatleben des Präsidenten passen zur Umgebung wie der Fisch zum Fahrrad. Von den Darstellern möchte ich nur Sally Field als Mrs. Lincoln und Tommy Lee Jones als Senator Stevens hervorheben. Die Präsidentengattin (etwas auf Queen Victoria aufgeplüscht) trägt die auffälligste Garderobe und zeigt etwas persönliche Tragik neben spitzzüngiger Ironie. Der Senator legt am Ende vor dem Zubettgehen nicht nur seine schlecht sitzende Perücke ab, sondern hat auch noch eine interessante Enthüllung neben sich. Von Daniel Day-Lewis fallen mir spontan fünf Filme ein, in denen er mich weit mehr beeindruckt hat. Es will einfach keine Spannung aufkommen, weil man den Zusammenhang nicht immer nachvollziehen kann. Die historische, namentliche Abstimmung der Abgeordneten gerät dann zur albernen Lachnummer auf Bingo-Niveau. Die historischen Ungenauigkeiten kann man getrost vernachlässigen. In Europa ein Flop, für Amis Top und viele Nominierungen gingen vorbei.
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    04.03.2013
    10:31 Uhr
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    Lincoln spricht, Spielberg filmt es

    Keine Frage: Alle Beteiligten (Regie, Musik, Kamera, Cast...) sind Vollprofis, und dennoch gilt, was seit der Stummfilmzeit gilt: Ein Film funktioniert über Bilder und nicht Dialoge. Spielberg erzählt von einem Präsidenten, der gern Geschichten erzählt und irgendwie gehen ihm dabei unterwegs die Bilder aus, die erzählenswert wären.
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    21.02.2013
    20:55 Uhr
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    Naja,

    ausholen will ich da jetzt nicht groß, dafür sind zu wenig Zeichen vorhanden, also in der Kürze liegt die Würze: ein Film, der eindeutig zu lange dauert. Lincoln wird als sehr einfühlsam porträtiert (wie er wirklich war, werden wir wohl nie erfahren), dennoch sind mir die Charaktere insgesamt zu "nett" porträtiert (Sally Field als seine Frau Molly ist meiner Meinung nach besser, Day-Lewis schaut sogar noch als alternder Lincoln super gut aus). Wie die Geschichte ausgeht weiß man ja, dennoch hat mich das Ende etwas gestört - der Fokus liegt ja eigentlich auf dem Durchbringen des 13. Zusatzartikels, auf dem Abschaffen der Sklaverei, das Ende relativiert diesen Akt etwas und stellt Lincoln als noch heroischer und als besonders tollen Samariter dar. Man darf auf die Oscarverleihung gespannt sein (ich bin mir sicher, der Film wird den ein oder anderen gewinnen, Day-Lewis hat ihn wahrscheinlich schon sicher, passt doch die Rolle, das Genre etc. wie auf den Leib geschneidert und weiters beeindruckten solche Filme schon immer und räumten ordentlich ab - natürlich gab es Ausnahmen, aber die bestätigen ja bekanntlich die Regel).
    02.02.2013
    21:29 Uhr
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    Politisches Drama mit vorhersehbaren Nebenwirkungen

    Mit dem Thema der Sklaverei hatte sich Steven Spielberg bereits intensiv auseinandergesetzt, als er Ende der 90er Jahre den Drang des Menschen nach Freiheit und sein Recht auf Freiheit in "Amistad" thematisierte. Sein Bemühen vollzog sich mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit, kam der zweite "Dreamworks"-Film zwar bei den Kritikern gut an, erregte an der Kinokasse jedoch wenig Aufsehen. Mit der Besetzungsliste seines Filmes zum wohl berühmtesten US-Präsidenten der Geschichte wird es an Aufmerksamkeit nicht mangeln, schließlich spielt Daniel Day-Lewis die Hauptrolle und wie es zu erwarten war spielt er Abraham Lincoln nicht - er IST Abraham Lincoln. Natürlich gibt es keine Videos von ihm, aber aus den Biografien sind sein Gang und seine Art zu sprechen ausreichend detailliert beschrieben und begegnen uns in D.D-L's Spiel in jeder Minute des Filmes. Dafür hat er sich den Oscar verdient und wird ihn auch sicherlich bekommen. Der restliche Film ist ein überraschend untypischer Spielberg, fehlt es ihm doch über weite Strecken an Musikuntermalung und nimmt er sich die Zeit, den Stillstand in der politischen Debatte auch dramaturgisch umzusetzen. Sein Film gerät dadurch zu einem ständigen filmischen Luftholen vor der nächsten Episode seiner Geschichte. So umrahmt er die Hauptfigur nicht nur, sondern verkörpert sie zugleich. Eine vorhersehbare Nebenwirkung des Konzepts: einzelne Phasen von Langeweile durchziehen den Film. Aber so ist Politik wohl meistens.
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    29.01.2013
    20:54 Uhr
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    Ein demokratietheoretisches Mainstream-Essay


    Die Kritiken zu Steven Spielbergs „Lincoln“ überschlagen sich vor Jubel. Es scheint, als seien die US-amerikanischen Rezensenten nur damit beschäftigt, die Genialität eines Daniel Day-Lewis hervorzuheben und sich die Frage zu stellen, ob es zu Oscar Nummer 3 reichen wird. Die Oscar-Frage scheint überhaupt in den bisher erschienenen Besprechungen zentraler als die ernsthafte Beschäftigung damit, warum nun Spielbergs „Lincoln“ wirklich sein bester Film seit „München“ ist.

    Tony Kushners Skript fokussiert sich ganz auf die letzten Woche und Monate in Abraham Lincolns Leben und beschreibt den harten Weg zum 13. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, der 1865 nach einem blutigen Bürgerkrieg beschlossen wurde und zur Abschaffung der Sklaverei führte. Spielbergs Film ist zweifelsohne die Geschichtslektion, die man sich erwartet hat, jedoch mit einer intellektuellen Tiefe, die Spielberg seit nahezu einer Dekade nicht mehr auf Leinwand brachte: Man kann den Film mit all seinen Details einfach nur als einen genau recherchierten Historienfilm betrachten, als ein Bio-Pic, wie es nur ein Meister wie Spielberg mit seinem Kameramann Janusz Kaminski inszenieren kann, aber auch als eine Analyse der problematischen und selten kritisch reflektierten Mechanismen demokratischer Prozesse. Abraham Lincoln und diverse Parteifreunde wollen die Sklaverei abschaffen. Dies gelingt ihnen letzten Endes nur über Drohungen, Bestechungen und Lügen – und das fast schon den Großteil des Inhalts zusammen. Eine der größten Leistungen der kurzen Geschichte der US-Demokratie führte also nur über durch und durch undemokratische Prozesse zum Erfolg. Der US-amerikanische Bürgerkrieg wurde in zahlreichen Filmen und Serien verewigt und auch Abraham Lincoln bekommt hiermit nicht gerade seine erste filmische Würdigung. Spielberg portraitiert jedoch weniger, wie der Titel suggerieren mag, Abraham Lincoln als vielmehr den harten Weg zur Abschaffung der Sklaverei, wie er im Kongress, im Weißen Haus und unter den Mächtigen des Staates abgelaufen ist, also fernab von Schlachtfeldern und persönlichen Dramen. Thaddeus Stevens, einer der engsten Verbündeten Lincolns und mit Tommy Lee Jones kongenial besetzt, fasst das eigentliche Thema des Films in einer Dialogpassage zusammen: „Trust?! You seem to have forgotten that our chosen career is politics!“ – Man muss hinter die Fassaden des genialen Schauspiels und der historischen Genauigkeit, so toll all dies auch sein mag, blicken, um die wahren Leistungen in „Lincoln“ zu erkennen. Die großen Errungenschaften der Demokratie, mit der sie sich selbst immer wieder auf die Schulter klopft und mit deren Werten sie gerne in zerstörende Kriege zieht, ist stets begleitet von Blut und Tod, Schmerz und Leid, Bestechung und Korruption. Lügen und Betrügen gehören schon ebenso zur Demokratie wie zu anderen politischen Systemen – und dies muss nunmal gesagt werden, egal wie löblich die Ziele der demokratischen Prozesse letzten Endes sein mögen. Spielberg verheimlicht dies auch in keinem Moment, ganz im Gegenteil: Die schmutzigen politischen Prozesse auf dem Weg zur Befreiung der schwarzen Bevölkerung werden herausgehoben, ironisiert und bis zum Ende detailliert betont.

    Einziges auffallendes Manko ist, dass es noch zu viele Überbleibsel des angeblich ursprünglich 500 Seiten starken ersten Entwurfs von Autor Tony Kushner gibt. Natürlich erleben wir, neben den reinen politischen und historischen Prozessen, auch Abraham Lincoln als Privatperson. Doch die Konflikte, die durch seine politische Karriere und seine Attitüde als Workaholic entstehen, sind bestenfalls angedeutet. Paradebeispiel hierfür ist der Subplot mit Abrahams Sohn Robert Lincoln (Joseph Gordon-Levitt): Vater Abraham will nicht, dass Sohn Robert freiwillig zur Armee geht und in den Krieg zieht. Sohn rebelliert und will es trotzdem tun, Vater verbietet es nicht als Vater, sondern als oberster Befehlshaber eines Staates. Und... ja... und dann? Es scheint, als ob Szenen fehlen, denn dies wird, wie so manch andere Konflikte, einfach nicht auserzählt.
    Faux-Pas wie diese kann man verzeihen. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Kinopublikum im Laufe der Zeit in „Lincoln“ mehr sehen wird, als das, was es ohnehin und offensichtlich ist: Ein sensationell fotografiertes und gespieltes Historien-Epos.
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    13.12.2012
    09:51 Uhr
    • Bewertung

      Bin gespannt

      Vielen Dank für diese tolle Rezension, bei der Du die US-amerikanische Geschichte höchst treffend und genau beschrieben und kritisiert hast. Auf Deiner Skala der Filmbewertungen bedeuten 80 % ein sensationell gutes Ergebnis, weshalb ich mich jetzt auf den Film noch ein wenig mehr freue als bisher. Persönlich denke ich, dass Daniel Day-Lewis ganz sicher den Oscar bekommen wird - die Kombination aus herausragender Leistung und optimalem Thema für eine US-amerikanische Jury ist ein nahezu sicheres Ticket zum Goldjungen. Mein Gefühl ist ganz ähnlich jenem, das ich bei Christoph Waltz und "The Inglorious Basterds" hatte - und es hat mich nicht in die Irre geführt.
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      13.12.2012
      10:08 Uhr