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    Die Hoffnung ist trostlos.

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Auch wenn der Titel des Filmes so etwas wie Versöhnlichkeit verheißt und das Wort Hoffnung doch eigentlich intrinsisch etwas Positives enthält, so versetzt Ulrich Seidl mit seinem dritten „Paradies“-Film in ein altes, trostloses und überdimensioniertes Schulgebäude, in dem eine Gruppe Jugendlicher auf einem Camp die richtige Ernährung lernen soll. Sie selbst sind, nach Maßstäben der Gesellschaft, überdimensioniert: zu dick, zu träge, zu hungrig, aber auch: zu einsam. Das äußerlich Überdimensionierte überträgt der Regisseur durch die konsequente Umkehr ins Verdichtete, Verkleinerte, Kontrollierte. Das Grau der Umgebung bestimmt die Emotionen des Filmes, die strenge Tagesordnung und das schon fast militärische Eindrillen von Disziplin als dem (vermeintlich) einzigen Schlüssel zum Glück gerät zum vorprogrammierten Fiasko. Verboten ist die Liebe Melanies zu dem Arzt des Camps und doch so faszinierend für sie. Er wiederum nutzt die Gunst der Stunde, als sie nach einem Vollrausch für einen ganzen Tag bewusstlos und ihm ausgeliefert ist. Er weiß, warum er Melanie auf Distanz hält und Ulrich Seidl braucht in diversen Szenen gar nicht alles zu zeigen, damit das Publikum versteht, was in seinem Kopf vorgeht. Nach außen siegt die Vernunft, nach innen regiert das Verlangen. In diese Spannung projiziert der Regisseur alle Hoffnung, alle Sehnsucht und alle Ungeduld seiner jungen DarstellerInnen und lässt uns dabei zuschauen, wie sie verpuffen in einem Umfeld, das sie nicht die sein lässt, die sie sind und das von ihnen verlangt, sich weit über ihre Möglichkeiten anzupassen. Mit der für Seidl typischen Schonungslosigkeit deckt er das Ordinäre, das Schäbige, Hässliche und das Gewöhnliche auf und macht seinem Publikum mit einem Schlag bewusst, dass es uns im Alltag immer wieder begegnet: das Gewöhnliche ist das Gewohnte, das Ordinäre ist das Gewöhnliche, das Schäbige und Hässliche dort, wo wir wegschauen und zugleich doch hinschauen. Um uns selbst zu vergewissern, dass wir weniger gewöhnlich, schäbiger und hässlicher sind. Sich dieser Selbsterfahrung auszusetzen, erfordert eine große Portion Mut und Selbstbewusstsein, um den Film ertragen zu können – allen zwischendurch eingestreuten Humors zum Trotz.
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    08.02.2013
    23:52 Uhr