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    Die Mädels

    Den deutschen Titel müsste man mit einem Fragezeichen versehen, denn das ist hier wirklich die Frage ‘Wer führt das bessere Leben?‘ Die Studentinnen Lola (Anais Demoustier) und Alicja (Joanna Klug), die als Nachwuchsnutten jobben oder die sie interviewende Journalistin Anna (Juliette Binoche). Die hat Probleme mit ihrem Mann Patrick (Louis-Do de Lencquesaing) und den beiden Buben, Stress mit der Doppelbelastung und ist sexuell verödet.
    Der Originaltitel bezieht sich auf das Frauenmagazin Elle. Mit der Mehrzahl meint man aber die Frauen ganz allgemein.
    Erstaunlich wie Anna im Verlauf der Befragung aufblüht und am Ende die Nutten sogar imitiert. Die haben es auch nicht immer leicht mit brutalen Freiern, die sie schon mal quälen.
    Im Vergleich scheint es aber doch so, als hätten die Huren die Nase vorn. Sie müssen nur ihre Eltern über ihr Studium etwas belügen. Und meistens macht ‘vögeln‘ ja Spaß. Anna kämpft aber an mehreren Fronten und das ständig. Selbst ihre Mutter (Cameo von Chrystyna Janda, der großen Dame des polnischen Films) bietet ihr keine Unterstützung.
    Bei der Beantwortung der Titelfrage hält sich Regisseurin Malgorzata Szumowska auffallend zurück. Annas Ausflug in die Nacht weg von der Tafel eines Abendessens wird nicht näher geschildert. Stattdessen sehen wir wie Anna erst mit Freunden tafelt dann mit all den Freiern von Lola und Alicja. Doch so werden wir nicht entlassen. Eine ganz lange Einstellung zeigt Annas Familie beim Frühstück. Was da so alles unter dem Teppich gekehrt worden sein muss!? Diskussionswürdig.
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    17.10.2014
    13:24 Uhr
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    Exzellent gespielte Wertekritik


    Eine wunderschöne Altbauwohnung im Herzen von Paris. Der Vater, perfekt gekleidet, eilt morgens zur Arbeit, die Mutter Anne (Juliette Binoche) sorgt dafür, dass ihre Kids zur Schule kommen. Das größte Problem scheint zu sein, dass ihr jüngster Sohn lieber PlayStation spielt als Hausaufgaben zu machen. Kurzum: Das Leben ist perfekt.

    Doch bald beginnt Anne für das renommierte Frauenmagazin „Elle“ eine Story über Prostitution in Paris zu recherchieren. Ihre Interview-Partnerinnen sind Studentinnen, die sich das Leben in der teuren Stadt nicht mehr leisten können und deshalb in die Prostitution gingen. Das Überraschende: Sie jammern kaum über ihre Arbeit, ja gelegentlich macht es ihnen sogar Spaß. „Man gewöhnt sich an das Geld“ ist mehr als nur einmal die Antwort auf die Frage, warum man nicht aufhöre.

    Erzählt wird die Geschichte in klug verschachtelten Fragmenten. Eine gewisse Zeit lang braucht man, um sich an diese Erzählweise zu gewöhnen. Doch dann wird dem Zuschauer langsam, genauso langsam wie der Protagonistin, klar, was ihre Recherchen mit ihrem Privatleben zu tun haben. Die Prostituierten berichten von ihren Kunden, allesamt gut aussehende Männer mittleren Alters, die ihre sexuellen Fantasien nicht mit ihren Ehefrauen ausüben können. Tagsüber sind sie erfolgreiche Manager und leben in der Welt, in der auch Anne lebt. Nachts schleichen sie sich in Motels, schlafen mit Frauen für Geld, neigen zur Vergewaltigung, urinieren auf sie. Werte, die pendelnd zwischen Frau, Familie, Job und einem Zwischenstopp im teuren Delikatessen-Shop für ein imposantes Abendessen mit Gleichgesinnten gelten, sind hier ausgesetzt. Anne (und uns) wird dies bewusst obwohl das Drehbuch viele Schwachstellen hat und sich die Regisseurin (zu) sehr auf die SchauspielerInnen verlässt. Doch es funktioniert: Juliette Binoche ist die Idealbesetzung für Anne. Sie trifft die Ballance zwischen tougher Journalistin, brav-moderner Hausfrau und einfühlsamer Zuhörerin gerade zu ideal und trägt den Film problemlos.
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    10.02.2012
    22:25 Uhr