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77.5% Bewertung
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    Solider Abschreckungsfilm

    Tristes Neonazidrama aus den notorischen neuen deutschen Bundesländern. Ein neues „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, nur mit Neonazis statt Heroin.

    Das Milieu ist überzeugend gezeichnet, gewalttätige Pöbeleien im Regionalzug gehen dem Zuseher in die Magengrube und statten die Hauptfiguren gleich zu Beginn mit dem gebührenden Sympathiemalus aus. Überhaupt herrschen unter den Neonazis raue Sitten, eine Wohnung ist nach einer Party bierbesudelt und mit Graffiti verschmiert, feine Freunde hat man sich da eingeladen (darunter ein Österreicher, der große Reden schwingt und mit NS-Devotionalien handelt). Im Autoradio läuft stumpfer Nazirock (eigens für den Film komponiert, um keine einschlägigen Bands zu fördern).

    Stark ist die Hauptdarstellerin Alina Levshin, die Marisas latente Aggression fühlbar macht. Während sich Marisa, die „Kriegerin“, gedanklich von der Szene verabschiedet, ist die 15-jährige Svenja gerade dabei, sich in ihr zu verwurzeln. Der Stiefvater nervt mit Rauchverbot und Taschenkontrolle, daneben wirken die älteren Skins mit Autos, Grillerei am Strand und Alkohol wie Apostel der Freiheit. Die rechtsradikale Ideologie saugt man nebenbei auf, um die Eltern zu schockieren und weil es halt dazugehört.

    Regisseur und Drehbuchautor David Wnendt liefert eine ganz respektable Leistung ab, wenn auch Schwächen in der Geschichte und veritable Plot Holes nicht von der Hand zu weisen sind. Ausgerechnet eine Neonazistin soll etwa einem Flüchtling helfen? Klar, sie hat Schuldgefühle, nachdem sie schon nach 15 Minuten ein Moped samt afghanischem Brüderpaar von der Straße geputzt hat (pure Absicht, WTF?) und der eine sich nicht mehr blicken lässt (tot?). Was macht man da normalerweise, wenn man wegen Fahrerflucht, möglicherweise wegen Mordes gesucht wird? Nicht etwa ein paar Wochen extra unauffällig bleiben, nein, man freundet sich mit dem anderen Bruder an, der sich vertrauensvoll an seine Niedermäherin wendet.

    Mir tun die Schulklassen irgendwie Leid, die diesen Film in Religion oder Sozialkunde durchnehmen müssen. In der Schulstunde Spielfilme schauen ist so ziemlich das Ödeste, und aus diesem Film lässt sich eigentlich wenig Konstruktives mitnehmen. Die Neonaziszene wird als Morast aus Gewalt, Alkohol und Stumpfsinn gezeigt, aus dem es kaum ein Entkommen gibt. Ein hellerer Hoffnungsschimmer hie und da hätte dem Film durchaus nicht geschadet.
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    10.01.2015
    23:27 Uhr