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    Alfredo & Olmo

    Bernardo Bertolucci hat ein umfangreiches Monumentalwerk, das ein halbes Jahrhundert umfasst, geschaffen. Die Handlung rangt sich um zwei Freunde: Alfredo (Robert de Niro) und Olmo (Gérard Depardieu), die zwar am gleichen Tag das Licht der Welt erblickten (27.1. 1900), aber sonst wenig gemeinsam haben – außer einer seit Kindertagen gewachsenen tiefen Freundschaft. Alfredo ist der Sohn des Gutsherren, gehört zum besitzenden Bürgertum und vertreibt sich die Zeit als Playboy. Olmos Vater Leo (Sterling Hayden) ist Landarbeiter. Der Sohn wird zu einem überzeugten Sozialisten.
    Alfredos familiäres Umfeld wird ausgiebig beleuchtet u.a. mit dem Großvater (Burt Lancaster), der am Werteverfall verzweifelt und sich umbringt. Alfredo heiratet Ada (Dominique Sanda), die mit Olmos sozialistischen Ideen liebäugelt, obwohl sie vom Lebensstyl durchaus zu Alfredo passt (Kokain, Schampus und immer auf der Jagd nach dem ultimativen gesellschaftlichen Gag). Olmo zieht mit Lebensgefährtin Anita (Stefania Sandrelli) durch die Gegend immer von der Polizei oder den faschistischen Schwarzhemden gejagt. Deren Gallionsfiguren sind Attila (Donald Sutherland) und Gefährtin Regina (Laura Betti), die sich mordend nach oben gaunern, bis sie ähnlich wie Mussolini von der Lynchjustiz geschnappt werden. Als linker Antifaschist bezieht Bertolucci klar Position und zeigt heldenhafte Einsätze gegen die aufkommenden Faschisten wie hier die Kurzauftritte von Ida (s/w Ikone Alida Valli). Herrlich auch der Zickenkrieg zwischen der inzwischen alkoholabhängigen Ada und der Gefährtin Regina.
    Stimmungsvolle Bilder der Emilia-Romagna erlauben Einblicke in das Leben von Tagelöhnern. Deren Revolte ist ein weiteres Highlight des Films. Das Massaker an ihnen rückt die Faschisten ins rechte Licht.
    Einziges Manko ist das ausgiebig in die Länge gezogene Ende mit theatralischen, teils pathetischen Passagen. Die Roten Fahnenschwinger mögen noch als Balletteinlage durchgehen. Die sich balgenden uralten Mummelgreise Olmo und Alfredo bieten ein finales Kasperltheater à la teatrino dei burattini. Also hat Bertolucci eine echte italienische Lösung für das Drama gefunden. Nach Gräueltaten, Emotionen, Leid und Lust ist so ein Ende eine passable Option.
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    11.12.2018
    11:33 Uhr