Forum zu Drei

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    Die Algebra des flotten Dreiers

    Lange nichts mehr von Tom Tykwer gehört. Zumindest nichts, was mit dem Kino zu tun hätte. Der Visionär aus dem Wuppertal trägt zumindest für die heimische Flimmerkiste ein Stück Fernsehgeschichte mit: Babylon Berlin geht mitunter auf sein Konto, den Ruhm für dieses einmalige Event muss er sich mit Achim von Borries und Henk Handloegten teilen. Macht doch nichts, Tykwer scheint mir einer zu sein, der kein Problem damit hat, im Team zu arbeiten – siehe Cloud Atlas. Gerade die Bereitschaft, Agenden aufzuteilen, um so zu einem besseren Ganzen zu gelangen, hat das multitemporäre Science-Fiction-Epos zu dem gemacht, was es ist: einem besonderen Meisterwerk, unterstützt durch die Wachowski-Geschwister, die seit Matrix auch nicht mehr das Gelbe vom Ei freilegen konnten.

    Tykwer allerdings funktioniert auch auf Solopfaden bestens, und nicht erst seit seinem Stress-Thriller Lola rennt. Ganz besonders funktioniert Tom Tykwer auch, wenn die Reise in die zwischenmenschlichen Terra incognita führt. Wenn sich Männer und Frauen wechselwirkend aufeinander einlassen und nicht unbedingt nur zwei dazugehören, sondern eben – wie der Titel schon sagt – drei. Diese drei sind anfangs aber eben nur zwei, und da taucht plötzlich dieser eloquente, völlig gelassene und über allen Dingen stehende Adam auf – Stammzellenforscher und sowieso schon mal offen für Experimente aller Art, die die Physik des Daseins nutzen, um völlig Neues aufzudecken. Adam – der Name ist Programm. Devid Striesow darf sich als Erleuchtung bringende, wandelnde Institution erklären, die Liebenden das Feuer neuer Möglichkeiten bringt. Die Liebenden sind Hanna (die unvergleichliche Sophie Rois) und Simon (Sebastian Schipper). Simon pflegt seine krebskranke Mutter bis zu ihrem Ableben, während Hanna Adam kennenlernt – und mit ihm eine Beziehung anfängt. Zeitgleich erkrankt nun auch Simon. Da Hanna ihn liebt, bleibt sie an seiner Seite – letzten Endes heiraten sie. Adam jedoch wird für beide zum fixen Bestandteil ihres Lebens, denn der vom Krebs Genesende lernt diesen wiederum im Schwimmbad kennen. Da Adam sofort kein Hehl daraus macht, seine Bisexualität offen zu kolportieren, entdeckt auch Simon seine Lust am Manne. Denn, und das ist das Motto dieses komplexen und hochgradig amüsanten, aber niemals der seichten Unterhaltung dienenden Erotikfilms: Die Biologie deterministisch zu sehen, ist eine Ansicht, von der Mann und Frau sich lösen muss. Schließlich hält sie in petto, was möglich ist. Und somit natürlich.

    Auch dieser wilde Dreier voller Leidenschaft. Spannend macht die Beziehungskiste vor allem die Tatsache, dass Hanna und Simon jeweils vom anderen nicht wissen, dass Adam längst Teil ihres Lebens ist. Dadurch gewinnt Drei eine zusätzliche beziehungskomödiantische Facette, die andernorts und vielleicht auch in Hollywood für einen ganzen Film reichen hätte kommen. Tykwer gibt sich mit dieser einen Dimension längst nicht zufrieden. Seine Ansätze sind gar wissenschaftlicher, sozialphilosophischer Natur – das begeisterte Spiel des Trios, ihre Hingabe und ihr erfrischender Mut, Nacktheit zu zeigen und womöglich auch ihrer eigenen Gesinnung entgegenlaufende Abenteuerlust völlig ungeniert darzustellen, lässt die auf mehreren Metaebenen laufende Dramödie nicht nur selbstbewusst als mathematische Formel in neonleuchtenden Schwimmbadlettern über allem strahlen. Wie dieses Dreiergespann aber in sich greift, wie jeder jedem und jede jedem und jeder jede um sein intimes Lebensglück aus Versuchung und Verlangen bereichert, ist fast schon ein vollendetes Verhaltensmuster.



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    14.02.2024
    18:14 Uhr
  • Bewertung

    Ménage à trois

    Exklusiv für Uncut
    „Seien Sie bereit für eine romantische Komödie interpretiert von Tom Tykwer“, heißt es bereits im Trailer und seine Interpretation ist durchaus interessant. Im Mittelpunkt stehen Simon und Hanna (beide um die 40), die als Alternative zu ihrer 20-jährigen Beziehung fremd zu gehen beginnen. Jedoch verlieben sich beide in denselben Mann – Adam. Keiner ahnt etwas von der Affäre des anderen und somit nimmt die Dreiecksbeziehung ihren lauf, bis Hanna schwanger wird…

    Doch ist es wirklich eine romantische Komödie? Nein, es gelingt zwar immer wieder den Film aufzulockern, jedoch dominieren ernste Themen und Fragestellungen. Simon leidet z.B. an Hodenkrebs und muss operiert werden, aber auch viele andere heikle Themen wie z.B. Sterbehilfe, Stammzellenforschung, Leben nach dem Tod, Abtreibung, Kopftuchverbot, Naturkatastrophen, Nationalsozialismus, Terroranschläge und vor allem Homosexualität werden thematisiert.

    Während ein Großteil dieser Inhalte nur am Rand angeschnitten wird, stellt gerade der letzte Punkt die große Stärke des Films dar. Geschlechterrollen und ihre Sexualität machen beinahe keine Unterschiede. Genauso selbstverständlich wie die Affäre von Hanna und Adam ist auch das Verhältnis der beiden Männer zueinander. Es werden weder Gründe noch Ausreden oder Erklärungen dafür gesucht, dass Simon sich plötzlich auch zu Männern hingezogen fühlt. Wie bereits in früheren Filmen von Tykwer ist vieles dem Schicksal unterworfen. Die Figuren selbst sind Opfer des Zufalls und können es nur eingeschränkt beeinflussen.

    Neben einer großartig inszenierten Traumsequenz fallen vor allem die immer wiederkehrenden Splitscreen Montagen auf, die stark an „Lola rennt“ erinnern und durch die der Film auch immer wieder an fahrt aufnimmt. Neben der Optik gehören des Weiteren noch Schauspieler, Inszenierung und der ständige Wechsel der Erzählperspektiven hervorgehoben.

    „DREI“ ist ein sehr provokativer Film, der viele heikle Themen aufgreift und versucht alles zusammen in einen mehr oder weniger romantischen und lockeren Film zu packen. Dadurch entsteht ein Genrecocktail, der ein wenig überladen wirkt. Eine ausgiebig gezeigte Hodenoperation, sowie diverse Sexszenen und pornografisches Material dürften bei konservativem Publikum in Verbindung mit der Handlung wohl für einige Aufreger sorgen.
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    26.11.2010
    09:40 Uhr