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    der terrorist als geschäftemacher (und medienstar)

    wegen der vielen “grauzonen“ und der umstrittenen faktenlage nur ein “faction“-film – mit einem talentierten und redegewandten hauptdarsteller, der aber mit dem bild des feisten, aufgeschwemmten “carlos“ nicht viel mehr gemein hat als den namen ramírez. interessant zwar als anstoß, sich mit dem thema “internationaler (links)terrorismus“ zu beschäftigen, mit den medienpräsenten hauptdarstellern und ihrer rechtfertigungs-suada, für die (nie näher definierte) “sache“ zu kämpfen, für die “unterdrückten“, die nie diese art von hilfe erbeten haben.
    (ideologische anpassungsschwierigkeiten zeigt carlos dabei nie: mit ende des kalten kriegs und mit dem auftauchen neuer auftraggeber wird “meine religion ist der marxismus“ flugs zu “meine religion ist der islam“, ab da geht’s gegen die “imperialisten des westens“ – wenngleich mehrheitlich muslims die opfer sind.)

    aus österreichischer sicht interessant die OPEC-geiselnahme in wien (mit aufsehen erregendem handshake in schwechat) – trotz PLO-“flagge“ soll saddam hussein der auftraggeber im hintergrund gewesen sein, das ziel des überfalls die ermordung des saudiarabischen öl- und des iranischen finanzministers. carlos, wenig verlässlich, dafür umso geschäftstüchtiger, verkauft die geiseln um viele millionen.
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    24.11.2010
    20:25 Uhr
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      entlarvend...

      ...auch die doppelstrategie von stasi/KGB: carlos wird zwar ausgespäht, erhält aber großzügig gastrecht – solange der terrorismus gegen die eigenen feinde gerichtet ist und das eigene territorium frei von anschlägen bleibt. nach der wende bröckelt diese unterstützung ab, flucht in den arabischen raum, waffengeschäfte, kleinere mordaufträge und erpressungen zwecks finanzierung des eigenen luxuslebens – aber auch da zieht sich langsam die schlinge zu, das charisma des “terrorismus-stars“ reicht nicht mehr.

      weitere politische zusammenhänge und interessenslagen werden nicht angerissen. der fokus liegt einzig auf der person bzw dem medienprodukt carlos – selbst politisch naiv, und fokussiert nur auf sein übergroßes ego. und so bleiben noch (zu) viele fragen offen: war carlos wirklich der gefährliche “schakal“ der medien, oder unbedarfter handlanger (und willkommener sündenbock) politischer strippenzieher?

      worin liegt die faszination, diesem eitlen, selbstverliebten hochstapler, als “soldat“ unkontrollierbar und disziplinlos, als anführer jedoch bedingungslosen gehorsam und loyalität einfordernd, bis in den tod zu folgen?
      als “privatmann“ mit frau und kind: hier im film wohl zu geschönt gezeichnet – realiter ein janusgesichtiger despot und charmeur, ein unattraktiv-abstoßender frauenfeind, der dennoch überall unterschlupf bei freundinnen findet: worin liegt seine macht über menschen – sie nach gutdünken zu manipulieren, zu verführen, und bei der stange zu halten?
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      24.11.2010
      20:34 Uhr
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      fazit:

      als bio zu unvollständig (es werden nur die zwei jahrzehnte des aufstiegs und falls beleuchtet), als charakterstudie zu oberflächlich, als zeitdokument wenig brauchbar. das auffüllen der “grauzonen“ mit fiktion hinterlässt den schalen nachgeschmack, nicht genau zu wissen wann etwas den fakten entspricht. trotzdem: wenn damit ein breiteres publikum (vielleicht erstmals) angesprochen werden kann, ist das auch was.
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      24.11.2010
      20:35 Uhr
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    Faktengetreuer als alle Biografien und dennoch ein guter Film

    Carlos (R: Olivier Assayas, F/D 2010)

    Positiv überrascht hat mich dieser fünfeinhalb(!) Stunden dauernde Film.

    Beachtlich ist die gute schauspielerische Leistung der Darsteller. Edgar Ramirez verkörpert Carlos von den Anfängen als junger, urbaner Marxist über seine Phase in der PFLP in welcher er sich selbst beinahe als Pop-Ikone inszeniert bis dorthin wo er beginnt, sein eigenes Netzwerk aufzubauen. Dabei erfährt man förmlich als Zuschauer wie leicht der schmale Grat von Befreiung über Revolution bis Terror überschritten werden kann. Carlos wird am Ende Teil eines Systems oder noch eher eines Werteverständnisses, welches er ursprünglich wohl abgelehnt hätte (Waffenschiebereien und internationale "Beziehungen").

    Auch wenn einiges aus den 70er Jahren aus heutiger Sicht unrealistisch wäre (z.B. dass 5 verdächtige Typen mit Ledermäntel und Taschen einfach so in die OPEC Konferenz reinplatzen können oder man auf dem Flughafenklo eine Bazooka zusammenbauen kann) behält der Inhalt von "Carlos" auch heute seine Gültigkeit. Damals Kalter Krieg & Geheimdienst - heute Diplomatie & gezielte Tötung.

    Assayas hätte sich meiner Meinung nach nicht so genau den Fakten unterwerfen müssen. Die verschiedenen Momente im Leben von Carlos wirken dadurch aber noch viel stärker weil sie nicht Instrumentarium einer einzuhaltenden Dramaturgie sind. Wir sehen Carlos auch als Privatmensch, im Urlaub mit Frau und Kind am Strand.
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    09.11.2010
    10:28 Uhr