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70% Bewertung
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    Langatmiger Western, der keine Helden kennt

    Big Whiskey, Wyoming 1880. Ein randalierender Freier schneidet der Bordelldame Delilah das Gesicht auf. Der herbeigerufene Sheriff Little Bill (Gene Hackman) verhängt über den Übeltäter und seinen Begleiter lediglich eine Geldstrafe: Sie müssen dem Bordellbesitzer fünf bzw. zwei ihrer Pferde überlassen. Die Huren rund um Strawberry Alice sind empört und setzen 1000 Dollar Kopfgeld auf die zwei Cowboys aus.
    Die Nachricht dringt bis zu William Munny (Clint Eastwood), der früher ein Schurke der übelsten Sorte war, aber seinem Verbrecherleben vor zehn Jahren abgeschworen hat. Das Geld könnte der Witwer für seine zwei Kinder aber gut gebrauchen, und so reitet er mit seinem alten Partner Ned Logan (Morgan Freeman) und dem tatendurstigen „Schofield Kid“ (Jaimz Woolvett) nach Big Whiskey. Der Sheriff hat aber mittlerweile ein Waffenverbot über seine Stadt verhängt und vertreibt Kopfgeldjäger brutal.

    Für manche ist „Erbarmungslos“ der beste Western überhaupt; das sind wohl dieselben Cineasten, die „The Shining“ als besten Horrorfilm bezeichnen. Beide Filme sind für eingefleischte Genrefreunde zu actionarm und langatmig und lösen nicht das ein, was man sich von einem einschlägigen Genrefilm erwartet. „Erbarmungslos“ bringt es auf 125 Minuten, wobei man die längste Zeit darauf wartet, dass Munny auf die zwei Gejagten trifft. Gegen Ende kommt es (wie zwanzig Jahre später in Quentin Tarantinos „Django Unchained“) zu einem schon nicht mehr erwarteten erhöhten Patronenverbrauch.

    Eine Stärke von Clint Eastwoods 1992er-Western ist die Ambivalenz der Charaktere und Handlungen. Wer gut und wer böse ist, ist schwer zu entscheiden. Das ist eine abgedroschene Feststellung, die hier aber wie sonst nur selten zutrifft. Der jüngere der beiden Cowboys ist etwa durchaus schuldbewusst und will Delilah, deren Verunstaltungen bald nur mehr gröbere Schönheitsfehler sind, sein bestes Pferd schenken. Doch Strawberry Alice sieht auch das als Affront und besteht auf der Ermordung der beiden. William Munny sagt ständig, er sei geläutert, und doch lockt ihn das Geld so sehr, dass er zwei Wildfremde zu erschießen gewillt ist, deren Taten nicht den Tod verdienen. Der Sheriff tritt Entwaffnete sadistisch zusammen, aber hat dabei das Wohl seiner Stadt im Sinn.

    Den Film sollte man wenn möglich im Originalton (zur Sicherheit mit Untertiteln) sehen, denn in der Synchronisation geht unweigerlich all das verloren, was in der jeweiligen Sprechweise der Cowboys, Gunmen und Huren mitschwingt. Etwa die Arroganz im gepflegten Britisch von English Bob (Richard Harris), der mit eigenem Biographen anreist und dessen angebliche Heldentaten der Sheriff nur zu gerne korrigiert, oder die mangelnde Bildung im grammatikalisch falschen Singsang der Cowboys.
    Durch den ganzen Film ziehen sich Behauptungen und Geschichten, die sich als übertrieben oder gelogen herausstellen. So war das wohl im Wilden Westen, als sich Revolverhelden einen Namen machen wollten und Nachrichten bei jedem Weitererzählen verzerrt wurden. Nur die wilden Geschichten über Bill Munny aus Missouri dürften wahr sein, ironischerweise will gerade er, der großsprecherisch auftreten könnte, nicht über seine Vergangenheit reden.

    Vier Oscars gab es für „Erbarmungslos“: Bester Film, beste Regie, bester Nebendarsteller (Gene Hackman) und bester Schnitt. Die Darsteller sind kompetent bis brillant, die Dialoge ebenso. Aber es ist ein Film ohne befreiende komische Szenen (wenn auch mit leisem Humor), ein Film, bei dem man Geduld mitbringen muss. Dann aber kann man ihn sich wohl immer wieder ansehen.
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    21.01.2015
    22:57 Uhr
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    Unverzeihlich

    Es will mir trotz mehrfachem Anschauen und ewig langem Nachdenken nicht in den Kopf, wieso es für diesen Film von und mit Clint Eastwood 4 Oscars gegeben hat. Inhaltlich bietet er nichts Neues, die üblichen Westernzutaten sind drin. Verwitweter Farmer, Clint Eastwood, braucht Geld und verlässt Hof und Kinder um eine Hurenschändung zu rächen. War er da Stammgast oder was? Die Promis bringen den Plot professionell rüber. Der eine oder andere agiert etwas wunderlich: Richard Harris spielt das zwar ganz toll. Ich versteh nur nicht was er will. Ebenso ergeht es mir mit dem Sherriff, den Gene Hackman verkörpert. Einfach unberechenbar. Ist das etwa preiswürdig? Der gute alte Morgan Freeman spielt seine beste Seite als treuer Freund aus. Das kann er am überzeugendsten. Dann ist Clint Eastwood auch noch angeschlagen. Anna Thomson pflegt ihn ganz selbstlos gesund. Die bringt wenigstens etwas darstellerische Klasse in ihrer kleinen Rolle.
    Das Argument ‘Spätwestern‘ und ‘Abgesang auf einen Mythos‘ scheint mir etwas ausgetrocknet. Klar kann man 1992 keinen Western mehr wie Altvater Henry Ford drehen. Aber warum denn überhaupt? Etwa weil Eastwood mit diesem Genre groß und erfolgreich geworden ist? Auf diesem ausgetrampelten Pfad trabt er weiter. Hat er doch gar nicht nötig. Bleibt nur noch die Musik. Die ist auch von ihm, hört sich in ihrer Schlichtheit an wie von jemandem, der zum ersten Mal eine Gitarre im Arm hält und passt mit ihrer süßlichen Melodei zum Western wie Matjes zu Himbeereis. Und der Promibonus? Hätte es auch Preise gegeben, wenn den Film ein unbekanntes Greenhorn gemacht hätte? Vielleicht lieben die Amis ja so etwas? Ein Großer kann nur Großes vollbringen. Und der Western ist ja ihre ureigenste Erfindung. Der Titel besagt so etwas wie ‘ Gott verzeiht, Django nicht‘ oder so…
    Ich für meinen Teil kann nur sagen: inhaltlich abgedroschen, teilweise kryptisch und unheimlich laaaangweilig. Sorry Clint!
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    31.10.2014
    16:55 Uhr