1 Eintrag
1 Bewertung
75% Bewertung
  • Bewertung

    Beiläufig, beabsichtigt

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In Erinnerung an die heuer verstorbene deutsche Schauspielerin, Model, Modedesignerin und Groupie Anita Pallenberg ergänzte die Viennale ihr Programm mit „Dillinger e morto“, der im Jahr 1969 auch im Wettbewerb von Cannes lief. Ironischerweise teilt sich dieser Film sowohl Schauspieler als auch einige Motive mit Marco Ferreris (1928 – 1997) vielleicht größtem Erfolg. Ähnlich wie in „La Grande Bouffe“ (1973) befasst sich Michel Piccoli auch hier mit Kochen und Essen sowie mit Fragen über Leben und Tod.

    In diesem Fiebertraum spielt Piccoli den Produktdesigner Glauco, der von der Arbeit nach Hause zu seiner Frau Ginette (Pallenberg) und seiner Geliebten, dem Hausmädchen Sabine (Annie Girardot) fährt. Da seine Frau ihre Migräne ausschlafen muss und davor anscheinend ein unappetitliches Abendessen vorbereitet hat, begibt er sich in die Küche um sich eine Alternative vorzubereiten. Dabei findet er zufälligerweise eine Pistole, eingewickelt in eine Zeitung, die über den Tod des amerikanischen Gangsters John Dillinger (1903 – 1934) schreibt, über den wenig später auch im TV berichtet wird... Dieser kreative Umgang mit Ebenen vermengt sich im Narrativ des Films fortan mit dem Spiel des Protagonisten mit just dieser Pistole: er nimmt sie auseinander und setzt sie wieder zusammen, tränkt sie in Olivenöl ein, färbt sie in diverse Muster und nimmt sie mit, wenn er im Haus herumirrt, kocht, ißt, die Privatsphäre der beiden Frauen verletzt und Nachrichten, private Archivaufnahmen oder Popsongs im Radio rezipiert. Obwohl wahrscheinlich viele Handlungen auch ohne sie genauso stattfinden würden, ist die Pistole zu keinem Zeitpunkt aus seinem oder dem Bewusstsein der Zuschauer wegzudenken. Man bekommt keine logische Erklärung wie sie dort gelandet ist und wer sie ursprünglich wie verwenden wollte. Eigentlich ist es auch egal. Sie steht zur Verfügung und wird benutzt. Bis zur bitteren Konsequenz, die doch etwas anders ausfällt als erwartet.

    „Dillinger e morto“ ist ein Fest der Exzentrizität. Objektiv gesehen geschieht fast nichts, wobei es immer ein Risiko ist einen Film über banale Tätigkeiten einer Person zu machen, denn „Drama ist das Leben ohne die langweiligen Teile“ (Alfred Hitchcock). Dennoch gelingt es diesem Film Spannung aufzubauen, indem er einen genrespezifischen Gegenstand als Katalisator nutzt. Die Szenen mit der Pistole sind erotisch aufgeladen, Glauco liebkost jedes Detail und genießt sowohl das Vorspiel mit ihr als auch den höhepunktartigen Gewaltakt, mit dem es endet. Im Vergleich dazu ist er im Umgang mit beiden Frauen, ursprünglichen Objekten sexueller Begierde, entweder kalt oder grausam. Die Welt steht Kopf. Alles ist so absurd, dass man nur noch lachen kann. Und Marco, Michel und Glauco sitzen inmitten davon, machen was sie wollen ohne sich dafür erklären zu müssen und versinken dabei tief im allergrößten ekstatischen Spaß.
    orson_46084c1270.jpg
    07.11.2017
    15:29 Uhr