Forum zu Kundun

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    Kundun (Blu-Ray)

    Unzählige Wissenschaftler und Kritiker haben sich bereits mit Scorseses eher mäßig bekannten Werk „Kundun“ beschäftigt und nahezu alle kommen zur Conclusio, dass es der untypischste Film der lebenden Regielegende ist. Hier geht es erstmals nicht um einen Protagonisten, der versucht aus seiner Welt auszubrechen und in eine andere einzutauchen, sondern es geht um einen jungen Menschen der alles dafür geben will in seiner Umgebung bleiben zu dürfen. Die Rede ist hier von Tendzin Gyatsho, dem 14. Dalai Lama. Als „untypisch“ würde ich „Kundun“ keineswegs bezeichnen: Es finden sich unzählige Motive, die man einfach nur als scorsesianisch bezeichnen könnte: Beobachtende und anfangs unwissende Kinder, (brutale) Traum- bzw. Fantasiesequenzen, Spiritualität und Glaube als Leitmotiv etc.

    „Kundun“ funktioniert auf der Ebene, die Martin Scorsese laut eigenen Aussagen wichtig war, perfekt: Er fokussiert sich voll und ganz auf die Geschichte des kleinen Jungen Tendzin Gyatsho, der bald zum Führer einer Weltreligion werden würde. Wichtig ist die Perspektive des anfangs unwissenden Protagonisten. Weder Scorseses Inszenierung noch das Drehbuch von Melissa Mathison („E.T.“) versuchen zwanghaft zu erklären, warum der vom Dalai Lama ewig gepriesene Frieden der grenzenlosen Brutalität der chinesischen Supermacht (heute noch) trotzt. Doch hier findet sich zugleich die große Schwachstelle des Films: Komplexe politische und religiöse Problematiken (natürlich vor allem der tibetanische Buddhismus im Angesicht des aufstrebenden chinesischen Kommunismus) werden viel zu einfach dargestellt und auf simpel-erklärende Dialoge herabgebrochen. Scorseses Filme sind nie in erster Linie politisch oder religiös - und hier wäre man vielleicht wieder bei der Frage danach, ob dies ein untypischer Scorsese-Film sei. Der Ansatz, die Geschichte des 14. Dalai Lama rein aus seiner Perspektive zu erzählen und sich dabei auf den Menschen zu konzentrieren funktioniert gut, jedoch thematisiert der Film viel zu wenig den tiefen religiös-politischen Kontext in den er sich bettet.
    Auszug aus der Blu-Ray-Reviewweiterlesen
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    01.06.2010
    11:06 Uhr