Forum zu Anonymus

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5 Bewertungen
71% Bewertung
  • Bewertung

    Verblendet und verschachtelt

    Durch die mehrfach ineinander verschachtelten Erzählzeiten ergeben sich für den Betrachter einige Ungereimtheiten, die erst am Ende des Filmes klarer werden. Immer wieder blendet der Film nach vor und zurück - ein Stilmittel, bei dem sich Roland Emmerich so oft bedient, dass man sogar nachvollziehen kann, dass die Königin aus Versehen mit ihrem eigenen Sohn geschlafen haben soll. Ein wenig zuviel des Guten, denn die Idee zum Setting im Theater fand ich eigentlich ganz gut.
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    19.02.2012
    06:23 Uhr
  • Bewertung

    Wer schrieb Shakespeares Werke?

    Im Gegensatz zu Regisseur Roland Emmerich sehe ich mit meiner - wenngleich zugegeben freilich nicht ganz lückenlosen - historischen Bildung keine Veranlassung, mich auf die Seite der "Anti-Stratfordianer" zu schlagen, d.h. also die Urheberschaft Shakespeares an den ihm zugeschriebenen Werken anzuzweifeln. Diese Haltung korreliert auch mit dem Mainstream der wissenschaftlichen Shakespeare-Forschung. Und selbst innerhalb der Anti-Stratford-Fraktion ist die im Film vertretene "Oxford-Theorie" (d.h. dass Edward de Vere, Graf von Oxford Shakespeares Stücke geschrieben haben soll) ja nur eine von mehreren Theorien, wenngleich die populärste.

    Langer Rede kurzer Sinn: Der Film kann meiner Meinung nach im Kern ausschließlich als reine Phantasie betrachtet werden. Das gilt insbesondere auch für die dargestellte Beziehung von Edward de Vere zu Königin Elisabeth.

    Freilich heißt das jetzt nicht, dass das Gesamtambiente im Film definitiv anachronistisch wäre oder dass nicht auch tatsächliche historische Fakten, wie z.B. die Essex-Verschwörung - wenngleich durchaus "frei interpretiert" - im Film abgehandelt werden. Und es heißt auch nicht, dass der Film deswegen langweilig wäre. Wenngleich es ihm mit seinen über 120 Minuten Spielzeit ein bisschen an Linie mangelt und die wiederholten Zeitsprünge, wie bereits hier im Forum angemerkt, ein Verfolgen der Handlung nicht immer ganz einfach machen.
    15.11.2011
    11:07 Uhr
  • Bewertung

    dramatisch...


    Fast ebenso interessant wie die Shakespeare-Autorenfrage ist auch die Emmerich-Autorenfrage. In seiner bisherigen Karriere beschäftigte sich der Regisseur in erster Linie mit USA-Patriotismus und Spektakelkino. Cyborgs, ein japanischer Riesendinosaurier, Kurt Russell und Aliens begleiteten den filmischen Werdegang Emmerichs. Kaum ein Regisseur beging dabei solch eine schmale Gratwanderung zwischen peinlichem Schwachsinn und genialer Unterhaltung wie der deutsche Wahlhollywoodianer. Nachdem er aber in seinem letzten Film die Welt untergehen ließ, bedurfte es schon einiger Kreativität, um dies noch toppen zu können. Und was Emmerich aus dem Hut zauberte überraschte dann durchaus: Die Shakespeare Autorenfrage. Immerhin geht es hier aber auch um die mächtigste Waffe der Menschheit: das Wort.

    Auch wenn sich das Drehbuch gravierend von seinen früheren Blockbustern unterscheidet, beinhaltet „Anonymous“ trotzdem auch einige Elemente der klassischen emmerich`schen Reizüberflutung. Anstatt Flutwellen, Aliens oder Jean-Claude Van Damme ist nun das Kino selbst Spektakel Nummer eins. Die technischen Möglichkeiten des Films rücken mehr in den Vordergrund und werden nun in Verbindung mit einem äußerst dramatischen Drehbuch zur Unterhaltung des Publikums eingesetzt.

    Die Kamera ist im Stil eines guten Actionfilms meist in Bewegung und auch der Schnitt hält das Tempo hoch. Zahlreiche Close-Ups (z.B. gleicht das Anzünden einer Fackel einer Explosion), spektakuläres Sound-Design und ebenso gute wie dramatische und allgegenwärtige Filmmusik manipulieren die Sinneswahrnehmungen des Publikums gekonnt, erschweren eine kritische Reflexion und täuschen über Emmerich-typische Schwächen in der Story hinweg. Diesmal ist die Story aber nicht zu flach, zu kitschig oder einfach nicht vorhanden, sondern fast schon zu verschachtelt.

    Ob und in wie weit der Film historisch korrekten Tatsachen entspricht, sei jedem Hobby-Verschwörungstheoretiker selbst überlassen. Roland Emmerich und Drehbuchautor John Orloff lassen jedoch von Anfang an keinen Raum für Leerstellen oder Zweifel an ihrer durchaus provokanten These. Der Earl von Oxford ist der wahre Schöpfer von Shakespeares Werken - Punkt. Shakespeare selbst kommt dabei nur die Rolle eines untalentierten Analphabeten zu, der sich als Mittelsmann frenetisch vom Publikum feiern lässt. Auch wenn es in der Wissenschaft durchaus auch Zweifel an Shakespeares Identität gibt und Filme nicht zwangsweise historisch korrekt sein müssen, gleicht diese propagandistische und Absolutheit behauptende Inszenierungsweise einem Rufmord am englischen Dramatiker. Dazu kann man stehen wie man will.

    Shakespeares Stücke waren stets sehr dramatisch und sehr dramatisch ist auch „Anonymous“. Nach Belieben wird die Darstellung der Vergangenheit der umstrittenen These untergeordnet. Intrigen, Affären, Inzest und Verschwörungstheorien bestimmen den Alltag des englischen Adels. Doch irgendwie lässt einen dann doch alles ziemlich kalt. Zahlreiche Rückblenden und Rückblenden in den Rückblenden in den Rückblenden, sowie die Anzahl der Handlungsstränge tragen ihren Teil dazu bei. Wie einst Shakespeare missachtet auch Emmerich die klassischen Tragödiengesetze der Einheit von Ort, Zeit und Handlung - er führt sie sogar teilweise ad absurdum. Das Spiel mit all den Zeitebenen und die Mehrfachbesetzung von einigen Rollen machen eine Identifikation mit den Figuren schwierig.

    Was auch immer Emmerich mit diesem Film bezwecken wollte: das Resultat ist ein mittelmäßiger, aber in sich stimmiger und optisch gelungener Politthriller mit durchwegs guten Schauspielern. Allen voran glänzt hier Vanessa Redgrave in ihrer Interpretation der alternden Queen Elisabeth - übrigens die wahrscheinlich erste starke und beste Frauenfigur im Filmschaffen Emmerichs. Der halbherzige Versuch vor allem in der Erzählstruktur Tiefgründigkeit und Intellekt vorzutäuschen, geht allerdings leider auf Kosten der Unterhaltung.
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    27.10.2011
    12:14 Uhr