Lars von Triers Filme waren noch nie einfach oder in irgendeiner Form gewöhnlich. Sie fordern und provozieren. In „Antichrist“ wird mit einer Brise Horror und Ekel nachgewürzt, der alte Dogma-Herd durch Neues ersetzt und siehe da, das Mahl schmeckt vorzüglich. Anders als in seinen früheren Filmen, die den Gesetzen des Dogma 95 unterlagen, die besagen, dass zum Beispiel nur Handkameras erlaubt sind und weder Filmmusik noch Filter und Spezialeffekte verwendet werden dürfen, bricht Von Trier diesen Bezug nun fast zur Gänze ab und präsentiert uns ein hochstilisiertes, mit technischen Raffinessen protzendes Werk voller Gewalt und Sex. Mit dem wahnwitzigen Prolog wird dem Seher gleich zu Beginn ein Highlight des Films offeriert. In schwarz-weißen Ultrazeitlupe-Aufnahmen sieht man das vor Großaufnahmen nicht zurückschreckende und perfekt mit der Musik harmonierende Liebesspiel der beiden Hauptcharaktere in der Dusche. Im Regelfall also ein klassischer, nichtssagender und sehr unterhaltsamer Beginn für einen Exploitationfilm. Hier wird jedoch sofort die Story vorangetrieben, so übersehen die beiden in ihrer Lust, dass ihr kleines Kind im Nebenzimmer auf die Fensterbank klettert und, wer hätte das gedacht, kurz darauf in den Tod stürzt.
Aufblende, Kapitel 1: Die Mutter erleidet am Begräbnis einen Schwächeanfall und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Der überambitionierte Mann glaubt durch seine Erfahrungen als Psychotherapeut seiner Frau helfen zu können, in dem er sie am Ursprungsort ihrer Ängste, eine Waldhütte im Gebiet Eden, behandelt. Dort angekommen geht die Frau jedoch nicht auf die Therapie ein, sie weicht jeder Frage aus und fordert stattdessen die Ehepflichten des Mannes ein. Die beiden sind unzufrieden, entfremden sich dadurch und beginnen schließlich mit Gewaltsex ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Was wir nun zu sehen bekommen, ist wohl eine der heftigsten Ehekrisen der Filmgeschichte. Es wird gewürgt, geschlagen, ein Bein durchbohrt und ein Geschlechtsteil abgeschnitten. Arthaus meets Gore. Ein äußerst interessanter Mix, wenngleich man dies alles, trotz philosophischer Ausschweifungen, nicht allzu Ernst nehmen sollte.
Auszug aus der Blu-Ray-Reviewweiterlesen