Forum zu London River

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    Der 11. September vom 7. Juli 2005

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2009
    Die Anschläge auf die U-Bahn und den Bus vom Juli 2005 brachten den Terror islamischer Fundamentalisten nach Europa. Bis zu diesem Tage hatte man geglaubt, nur die USA wären im Visier der Terroristen. Die Menschen fühlten sich sicher, bis in London (und später auch in Madrid) in öffentlichen Verkehrsmitteln Bomben explodierten und es sich zeigte, wie schlecht das Krisenmanagement funktionierte und wie hilflos man bisher solchen Anschlägen gegenüber war, weil ein solches Bedrohungsbild nicht zu den potentiellen Gefahren gezählt worden war. Der algerische Regisseur Rachid Bouchameb erzählt die Ereignisse vom 7. Juli 2005 aus der Perspektive zweier Elternteile, die ihre Kinder bei den Anschlägen verloren haben. Wie viele andere waren sie unschuldige Opfer geworden, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Für Bouchameb ist aber nicht nur das Leid der Hinterbliebenen das Thema seines FIlmes, sondern auch die zwei völlig verschiedenen Kulturen, die in Gestalt der beiden Elternteile aufeinanderprallen: der Vater von Ali kommt aus Afrika, ein Schwarzer, mit langen Haaren und ein gläubiger Moslem, die Mutter eine typische Britin mit blasser Hautfarbe, die einen Bauernhof auf der Insel Guernsey bewirtschaftet. Sie ist Protestantin, ihr im Krieg verstorbener Mann war Katholik gewesen. Schwarz und Weiß stehen sich als vermeintliche Gegensätze gegenüber, beide kämpfen mit den Vorurteilen dem Anderen gegenüber, seiner bzw. ihrer Kultur und der Art und Weise, mit dem Schmerz, den sie empfinden, umzugehen. Sich vorzustellen, dass ihre Kinder ein Paar gewesen sein sollen, fällt ihnen schwer. Erst als sie langsam akzeptieren, dass ihre Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Opfern sind, schaffen beide es, hinter die Hautfarbe zu blicken und im Anderen einen Vater, in der Anderen eine Mutter zu sehen, der bzw. die sein bzw. ihr geliebtes Kind auf grausame Weise verloren hat und angesichts der Todesumstände nicht einmal die Möglichkeit hat, sich zu verabschieden. Es gibt kein Begräbnis, kein Ritual, das helfen könnte, das Leid zu mindern. Wie so viele Filme hier auf dem Festival ist auch dieser ein sehr ruhiger, leise und zurückhaltend inszenierter Film mit einem sehr bewegenden und tragischen Thema. Dennoch ein Film, der gerade dadurch, dass er so inszeniert ist, Raum lässt für die Empathie des Publikums und die Ereignisse im Juli 2005 wieder gegenwärtig macht, die viele bereits wieder vergessen haben und die im Schatten des 11. Septembers 2001 auch filmisch nahezu unbeachtet geblieben waren.
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    10.02.2009
    23:56 Uhr