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75% Bewertung
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    Jof & Mia, Ritter Block und die anderen

    Das ist wohl Bergmans ambitioniertester Film, die alle ohnehin prall gefüllt sind mit gedanklich komplizierten Konstrukten. Er hat wieder seine bewährte Crew um sich versammelt, die Kameramann Gunnar Fischer in unglaublich eindrucksvollen s/w Aufnahmen auf die Leinwand zauberte.
    Titel und Vorspann lehnen sich an die Offenbarung des Johannes an: ‘und als das Lamm das siebente Siegel brach, entstand im Himmel eine Stille, die erst nach einer halben Stunde endete.‘ Drum setzte Bergman auch Ton und Stille mehrmals als Stilmittel ein. Der größte Teil des Scores dient der akustischen Folter.
    Wir sind im Mittelalter: Wundergläubigkeit, Hexenwahn und Scheiterhaufen. Ritter Block (Max von Sydow) kehrt vom Kreuzzug total desillusioniert heim. Er fand, dass das Unternehmen nur etwas für Idioten war. Doch er will weiter glauben und geht mit seinem gebildeten Knappen Jöns (Gunnar Björnstrand) auf seinem Heimweg der Frage nach ‘Ob es Gott gibt?‘ Ein Thema das Bergman in mehreren Filmen darzustellen versucht hat. Block erscheint der Tod und spielt mit ihm um sein Leben Schach.
    Ein Schmid Plog (Ake Fridell) sucht seine streunende Frau Lisa (Inga Gill), ein Dorfmädchen Mute (Gunnel Lindblom) verliebt sich in Jöns. Alle folgen Ritter Block auf seine Burg, wo seine Frau Karin (Inga Landgré) auf ihn wartet.
    Nur die Familie des Wanderschaustellers Jof (Nils Poppe) und Mia (Bibi Andersson) mit ihrem kleinen Sohn Michael bilden einen Hort der Zufriedenheit. Manche sehen darin sogar die ‘Heilige Familie‘ mit Maria und Joseph. Sie meistern ihr Leben mit Freundlichkeit und menschlicher Wärme und werden die einzigen sein, die überleben. Alle anderen bilden eine Kette und werden vom Tod geholt. Im Silhouetten Format bestehend aus kleinen Menschlein zieht er alle hinter sich her.
    Bergman, der auch das Drehbuch verfasste, lehnte sich gedanklich unter anderem an Orff, Camus und Strindberg an. Optisch wurde er von Dürer beeinflusst.
    Beeindruckend herb ist der Film aus den 50er Jahren immer noch eine echte Herausforderung. Dabei bildet das grandiose darstellerische Potential eine Brücke über die gedanklichen Untiefen der Handlung.
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    17.12.2018
    19:21 Uhr
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    Das siebente Siegel

    Ritter Antonius Block (Max von Sydow) kehrt mit seinem Knappen Jöns (Gunnar Björnstrand) aus dem Kreuzzug zurück nach Schweden. Beide Männer sind vom Krieg gezeichnet, haben ihren Sinn für Idealismus und ultimativ den Glauben verloren. Doch die gemeinsame Erfahrung äußert sich unterschiedlich: Während Jöns seinem Unmut laut und offen Luft macht, stets zynische Kommentare und bissige Ratschläge auf Lager hat, zieht Block sich zurück. Ihm verlangt es nach antworten. Er hat den Tod (Bengt Ekerot) kennen gelernt, der in diesen Zeiten der Pest viele Opfer fordert, doch mit ihm gehen – dafür ist er noch nicht bereit. Mit einem Schachspiel schindet der Ritter Zeit, bis er Gewissheit über Gottes Existenz erlangt hat. Doch jene, die seiner Meinung nach Bescheid wissen müssten, verweigern sich ihm: Der Tod gibt keine Antworten und der Teufel verweigert gar die Bekanntschaft, als Block eine Hexe vor dem Scheiterhaufen um Vermittlung bittet.

    Wichtigste Nebenfiguren sind das Gauklerpaar Jof (Nils Poppe) und Mia (Bibi Andersson), die mit ihrem kleinen Söhnchen trotz der schweren Zeiten relativ unbeschwert und in bescheidenem Glück leben. Sie bilden den Kern eines kleinen Tross von typischen Figuren, die dem Ritter begegnen, bzw. sich ihm anschließen.

    „Das siebente Siegel“ ist berühmt dafür, große Fragen der Metaphysik nach Gott, dem Sinn des Lebens und des menschlichen Leidens direkt und symbolstark zu thematisieren. Zugänglich wird der Stoff durch den Einsatz großer Dichotomien. Das Spiel der Gaukler stößt auf einen Zug von Flagellanten. Tanz und Musik gegen Krankheit, Geißelung und Strafpredigt. Trotzdem beides eine Art von Theater und der Versuch, das Schicksal zu verarbeiten.
    Die beschwerlichen Versuche Blocks, spirituelle Wahrheit zu erfahren, während der sanftmütige Jof ganz natürlich Empfänger von Visionen ist.
    Erdbeeren naschen und freundschaftliches Beisammensein auf der Wiese statt eines bedrückenden Frühstücks im Schloss, bei dem aus der Offenbarung des Johannes gelesen wird.

    Mittelalterliche Ikonographie hat den Film entscheidend beeinflusst. Teils adaptiert er sie in die Handlung, etwa wenn eine Heiligenerscheinung oder der Totentanz vor unseren Augen erstehen. Manchmal treten die Kunstwerke auch selbst auf: der Blick eines hölzernen Christus vom Kruzifix herab oder Kirchenmalerei, die beim zeitgenössischen Betrachter Angst und Schrecken hervorrufen. Dabei geht es also nicht nur um die Frage, wie etwas dargestellt wird, sondern warum der Inhalt eines Bildes für den Menschen überhaupt Bedeutung hat und welche Funktion in ihm angelegt ist.

    Ohne ein spezielles geschichtliches Ereignis zu recherchieren oder den Anspruch, durch besondere Ausstattung etwa Historie wieder lebendig zu machen, fängt „Das siebente Siegel“ den Geist der Pestepidemie bestechend ein. Wünsche, Ängste, Zorn und Fatalismus werden nachvollziehbar. Doch es ist nicht bloßes Wühlen in den Problemen längst vergangener Zeiten. Die Fragen des Films sind auch die Fragen des modernen Menschen – spezifisch: Ingmar Bergman selbst, allgemein: uns allen. Ritter und Knappe sind als desillusionierte Gestalten in ihrer eigenen Welt Außenseiter, doch sie scheinen sehr gut in unsere zynische Gegenwart zu passen.
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    15.02.2011
    22:12 Uhr