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    Gewaltverherrlichung unter dem Deckmantel von Notwendigkeit


    In einem Interview in der Berliner Morgenpost vom heutigen Tage verteidigt sich Regisseur José Padilha gegen den Vorwurf, sein Film trüge faschistoide Züge und verherrliche die Anwendung von Gewalt und glorifiziere die Arbeit der Sondereinheit BOPE der brasilianischen Polizei, mit dem Argument, er hätte ja eigentlich eine Dokumentation drehen wollen. Niemand von den Polizisten wäre aber bereit gewesen, vor der Kamera über die Zustände innerhalb des Polizeiapparates zu sprechen, also habe er aus dem, was sie ihm erzählt hatten, ein Drehbuch geschrieben. Angesichts der haarsträubenden menschenverachtenden Vorfälle bei den Verhören und dem himmelschreienden Maß an Korruption bei der Polizei wollte er all das an die Öffentlichkeit bringen.

    Die Öffentlichkeit hat er ganz gewiss damit erreicht, denn angeblich haben mehr als 2.5 Millionen Brasilianer den Film auf (illegaler) DVD und offiziell noch einmal 10 Millionen im Kino gesehen. Es gab heftige Diskussionen in Brasilien über den Film, die Vorwürfe reichten von der Verbreitung von Unwahrheiten über die Arbeit der Polizei bis hin zur Behinderung ihrer Arbeit. Anfangs verlangten die Leiter der Eliteeinheit, der Film solle in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden dürfen, womit er sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Nun läuft der Film hier im Wettbewerb der Berlinale und wird ebenfalls für ein großes Presseecho sorgen. Ähnlich wie letztes Jahr beim Film „Bordertown“ wird das Thema, um das der Film sich dreht, die ganze Aufmerksamkeit und die übliche verlogene Betroffenheit in der Presse und unter Politkern auslösen und vielleicht sogar einen politisch-korrekten Jurypreis mit nach Hause nehmen, wer weiß. Spätestens nach 3 Wochen hat sich das Ganze aber wieder erledigt und die wichtigen Punkte, die den Film als solchen betreffen, bleiben aus der Diskussion ausgespart. Und genau hier liegt das ganz große Problem: hatte „Bordertown“ zusätzlich noch mit grottenschlechten schauspielerischen Leistungen zu kämpfen, steckt die Wurzel allen Übels dieses Filmes in seiner Gewalt verherrlichenden Botschaft: die „normalen“ Polizisten sind so korrupt, dass sie sich lieber in eine Bar zurück ziehen oder ihr Schmiergeld einkassieren gehen, als dass sie sich die Finger schmutzig machen und es BRAUCHT gerade die Eliteeinheit, um die Welt von den bösen Jungs zu befreien. Wer die bösen sind, wissen sie natürlich immer, sie irren sich nie und es gibt niemanden, den sie nicht dazu bringen, mit der Wahrheit heraus zu rücken. Die Beamten irren sich nie, nein, auf keinen Fall. Sie werden ausgewählt, werden im Ausbildungscamp durch Demütigung, Erniedrigung und gnadenlose Gewaltanwendung und militärischen Drill gebrochen, gefügig gemacht, eingeschworen auf die Ideologie der auserwählten Gruppe, die jedes Maß von Gewalt gegen jeden anwenden kann und damit immer davon kommt. Sie verkaufen sich als die Hüter von Recht und Ordnung, als die Garanten von Freiheit und Sicherheit und sind in Wahrheit das genaue Gegenteil: beim Begräbnis eines bei einer Schießerei erschossenen Kollegen legen sie über die brasilianische Fahne, in die der Sarg gehüllt ist, jene mit dem Totenkopflogo der BOPE. Dieses Bild sagt schon alles: sie sind über dem Staat, sie haben ihre eigenen Gesetze und weil die Politik nicht fähig ist, für bessere Verhältnisse im Land zu sorgen, braucht sie die Truppe wie die Luft zum Atmen. Was der Film aber schändlich verschweigt, ist, dass die Truppe genau diese Verhältnisse ebenso braucht, um eine Existenzberechtigung für ihre Arbeit zu haben. So verkauft der Film sein Publikum für so naiv, zu glauben, nur die anderen wären die Bösen und alle Mitglieder der BOPE-Schlägertruppe würden quasi nachhause gehen um Blumen zu züchten, wenn ihre Arbeit getan wäre. Dazu sind sie gar nicht fähig, weil die ihnen entgegen gebrachte elitäre Verherrlichung immer wieder Menschen anzieht, die schon in ihrem Privatleben mit gewaltlosen Mitteln der Konfliktbewältigung nicht klar kommen. Wer es gewohnt ist, Befehle zu erteilen, der macht keinen Unterschied zwischen dem Kasernengelände, dem Polizeikommissariat und dem Wohnzimmer. Das, wenigstens das (!), kehrt José Padilhas Film nicht unter den Teppich, aber er zeigt es am Rande, er widmet der innerlichen Leere und dem ungeheuren Aggressionspotential und der erschreckend niedrigen Frustrationstoleranz der Protagonisten nur soviel Raum, als er sie als Folge ihrer Ausbildung, ihrer Arbeit und ihres Alltages präsentieren kann. Dass es umgekehrt auch sein könnte, interessiert ihn nicht die Bohne.

    Sieht man von der Sprengkraft seiner Botschaft ab, präsentiert sich der Film als adrenalingeladener, fast ausschließlich mit der Handkamera gefilmter und rasant geschnittener Thriller, bei dem der Puls wohl nie unter 150 sinken wird und der Zuseher wohl nicht nur einmal instinktiv vor dem Kugelhagel auf der Leinwand in Deckung gehen möchte.
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    11.02.2008
    22:34 Uhr