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    Geschäftsgespräche im Puppenhaus

    Es kommt nicht oft vor, dass man abseits inszenierter Gala-Filmpremieren gemeinsam mit Schauspielern im Kino sitzt, die im gerade gezeigten Film vorkommen. Auch wenn der renommierte österreichische Schauspieler Johannes Krisch nur eine winzig kleine Nebenrolle bekleiden durfte, stach diese doch aufgrund ihres leuchtend roten Ornats aus mancher Szene heraus und zog die Blicke, die normalerweise Scarlett Johansson gegolten hätten, auf sich. Und nicht nur er stand auf der Ensembleliste von Wes Anderson, auch Karl Markovics war wieder mit dabei, versteckt in einer schwarzweißen Szene, die zwischen Leben und Tod einen Mann vorführt, der sich laut Andersons Drehbuch Zsa-Zsa Korda nennt und Zeit seines Lebens auf wüste Weise die Weltwirtschaft durcheinandergebracht hat, ungefähr so wie Donald Trump eben jetzt, nur vielleicht etwas charmanter, weniger Vorschlaghammer.

    Dieser Zsa-Zsa steht in der Gunst der Schicksalsgötter, denn die lassen ihn auch nach zahlreichen Attentatsversuchen nicht und nicht über die Klinge springen. Was dieses Glück im Unglück aber bei diesem Mann von Welt ausgelöst hat, ist eine Art Besinnung, die ihn an seine wohl einzige Tochter denken lässt, eine Novizin namens Liesl, gespielt von Kate Winslets Tochter Mia Threapleton. Im Film darf sie das Erbe von Benicio del Toro antreten, allerdings nur probehalber. Was beide nicht wissen: Ein Vereinigung, die sich Excalibur nennt, will dem Geschäftsmann seinen wirtschaftlichen Erfolg madig machen, indem sie durch Preisabsprachen sämtliche Projekte in Phönizien sabotieren. Wer jetzt schon das müde Augen bekommt, kann sich gleich auch noch den Polster richten: Es wird noch viel unspannender.

    Das Schwinden der Lust am Detail

    Dabei geht es um ein Preisgefälle und eine gewaltige Finanzierungslücke. Investoren müssen umgestimmt und dazu bewogen werden, mehr zu zahlen. Und so weiter und sofort, alles natürlich in penibel arrangierten Puppenhaus-Settings, die auch im Hintergrund nichts dem Zufall überlassen. Diese Bildwelten kennen wir bereits zur Genüge, nur hier und da lässt sich Anderson zu einer bewegteren Bildsprache hinreissen. Anders als seine Kurzfilme (u. a. Ich sehe was, was du nicht siehst), die zu Pop-Up-Bilderbüchern erstarrt sind, ist Der phönizische Meisterstreich zumindest eine Arbeit, die an ihrem Anspruch zu ermüden scheint und längst nicht mehr so akkurat das Lineal durchs Bild zieht wie in anderen Werken. Asteroid City aus 2023 ist da noch pastelliges Manifest, da sehnt man sich mit Heißhunger nach harten Kontrasten. Dieser Film hier, so hat man den Eindruck, will aus seinem zur Genüge rezitierten Dogma ausbrechen, hin und wieder passiert das auch und rekapituliert frühere Filme wie Darjeeling Limited. Und dennoch: Worauf der Fankreis wartet, muss eintreten. Wes Anderson wird zu seinem eigenen, gefälligen Manieristen, der längst nicht so penibel alles einsortiert wie er selbst zu seinen besten Zeiten, als diese seine Welten ob des Vintage-Avantgardismus noch ein Staunen wert waren.

    Immer noch stehen die Stars des Films alle Schlange wie an einem Sommertag vor dem hippen Bio-Eisladen mit fünf Euro pro Kugel. Von Tom Hanks über Bryan Cranston, Benedict Cumberbatch, Michael Cera, Matthieu Amalric und sogar Charlotte Gainsbourg sind sie alle da und geben sich die Klinke in die Hand für ulkige Kurzauftritte in einer Geschichte, die nicht viel mehr Reibung erzeugt als der frisierte Geschäftsbericht eines Superunternehmers. Wen interessieren schon Finanzierungsverhandlungen, auch, wenn sie bunt und schön und dekorativ ins Bild gesetzt werden? Mich jedenfalls nicht.



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    08.06.2025
    16:50 Uhr
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    Same same not so different

    Exklusiv für Uncut
    Es ist kaum möglich, über einen neuen Wes Anderson Film zu schreiben, ohne über seinen unverkennbaren Stil zu reflektieren, der nicht nur auf TikTok zahlreiche Nachahmer gefunden hat, sondern auch unlängst in dem Buch „Accidentally Wes Anderson“, in dem es um Orte geht, die aussehen wie Anderson Schauplätze, seinen Niederschlag gefunden hat. Bei Anderson gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann als Zuseher mit diesem Stil absolut nichts anfangen. Man mag diesen Stil und feiert jeden neuen Film von ihm grenzenlos. Oder: Man mag diesen Stil, wünscht sich aber doch da und dort ein bisschen mehr Emotionalität. Für mich gilt seit nun schon einiger Zeit letzteres.

    Worum geht es diesmal? Der reiche und mächtige Geschäftsmann Anatole „Zsa Zsa“ Korda (Benicio del Toro), der sich mit zahlreichen Anschlägen auf sein Leben konfrontiert sieht, die er mit dem Mantra „I myself feel very safe“ bekämpft, beschließt noch schnell sein Lebenswerk zu vollenden und sein „Korda Imperium“, ein Infrastrukturprojekt im Nahen Osten, aufzubauen. Als Alleinerbin setzt er seine Tochter Liesl (Mia Threapleton), eine angehende Nonne ein. Gemeinsam mit ihr und dem Hauslehrer und Insektenkundler Bjorn (Michael Cera) reist er durch das Land, um Investoren für sein ambitioniertes Unternehmen zu finden...

    „Der phönizische Meisterstreich“ ticks all the Anderson-Boxes, wenn man so will. Ein schrulliger Titel, die üblichen folkloristischen Namen und eine bemerkenswerte Ausgangssituation, exekutiert mit jeder Menge skuriller Hilfsmittel, hier: Schuhkartons, Landkarten, und Zahlenvisualisierung. Dazu, wie so oft: Wüste, Aufzüge, Eisenbahnschienen, alte Flugzeuge, intellektuelle Literatur und auffällige Kopfbedeckungen (Fes, Kapitänsmütze, Wimpel). Natürlich sind auch hier Andersons Bilder wieder perfekt durchkomponiert und die Protagonisten sprechen nicht selten direkt in die Kamera. Natürlich haben wir auch wieder einen riesigen Cast des gewohnten Anderson-Personals wie Bill Murray, William Dafoe, Scarlett Johansson, Bryan Cranston und Benedict Cumberbatch, oft sind diese ausgestattet mit exaltierten Frisuren und/oder Bärten. Dazu einige, ziemlich passende Neuzugänge, neben Benicio del Toro auch Michael Cera - „I am a bohemian“, „I thought you were from Oslo“ - und Kate Winslets Tochter Mia Threapleton als Nonne.

    Tatsächlich ist die sich anbahnende Intensivierung der Vater-Tochter Beziehung, familäre Dysfunktionen sind ein Hauptthema in Anderson Euvre, die Komponente, die diesem Film die Menschlichkeit geben hätte können, auf die man seit „The Royal Tenenbaums“ immer ein bisschen wartet. Wirklich gelingt es in „The Phoenician Scheme“ nicht, auch wenn es gewisse Ansätze gibt. Zsa Zsa erzählt Liesl, dass er sie, obwohl in ihrem Leben weitgehend abwesend, doch immer aus der Ferne beobachtet hat. Liesl daraufhin: „That’s stalking“. Zsa Zsa: „With parents it’s not called stalking, its nourishing. Maybe even caring.“ Dieser verkopfte Zugang zu den eigenen Emotionen wird auch in „The Phoenician Scheme“ über weite Strecken nicht aufgelöst.

    Stattdessen kann man den Film als eine Art Schaubühne interpretieren, auf der in abstrakter Weise über Kapitalismus, Moral und Religion verhandelt wird und wo die Zuseherinnen und Zuseher immer ein bisschen auf Distanz gehalten werden. Fußnoten wären oft wünschenswert, ein paar kunsthistorische Zusammenhänge werden im Abspann erklärt. Das alles ist, wir kennen es, enorm artsy, teilweise auch amüsant und qualitativ natürlich hochwertig. Es ist aber gleichzeitig auch mehr vom Gleichen, das uns Anderson seit Jahren in eher geringer Varianz serviert. Und so ist „Der phönizische Meisterstreich“ ein solider Anderson-Film, aber leider dann doch kein neuer Meisterstreich geworden.
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    24.05.2025
    17:07 Uhr