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    Der Dude des Umbruchs

    Gerade noch auf der Couch, vernebelt bis dorthinaus, im Fernsehen läuft The Battle of Algiers, untermalt von den Takten eines Ennio Morricone, da läutet auch schon das Festnetz. Wie denn, was denn? Ein verfilzter Leo DiCaprio, der sich mal ordentlich gehen lassen darf, wird eiskalt abgeduscht, als sich Stimmen melden, die vor sechzehn Jahren zum letzten mal an sein Ohr drangen. Die Revoluzzer sind wieder da, und das niemals oder nur langsam älter werdende, unrasierte Babyface mit fettiger Mähne soll sich sputen! Natürlich kommt der Mann dann doch irgendwie in die Gänge, aber nur so, als wäre er hinter sich selbst her, ohne sich einzuholen. Doch wie heisst es so schön: Move your ass, your mind will follow.

    Revolution ist geil

    Nach diesem Leitsatz stolpert der Star also durch ein Chaos aus Staatsgewalt und den Morast der Verzweiflung ob vergessener Passwörter. Wir kennen das – wir scheitern, wenn wir uns bei unserem Lieblingsstreamer einloggen wollen, wenn der mal ein Update hatte. Es ist zum Haareraufen und Speichelspucken, zum Zetern und Schimpfen – all das, was DiCaprio gut kann und gerne tun will. Auf diese Weise wird uns allen aber klar: Auch wir könnten, wenn die Kacke so sehr am Dampfen ist, unseren inneren Schweinehund, der da als Couchpotato Wurzeln schlägt, ins Gesicht schlagen, uns aufraffen und den Widerstand besingen – gegen die weiße Herrenrasse, gegen den Faschismus, gegen die Indoktrinierung von rechtem Gedankengut. Denn: Revolution ist geil. Saugeil sogar. Paul Thomas Anderson findet das genauso cool. Zumindest so sehr wie den Autor Thomas Pynchon, aus dessen Schaffen er nun den zweiten, seiner Meinung nach einzig verfilmbaren Roman auf die Leinwand stemmt – allerdings nicht nur aus dem Grund, um nächstes Jahr bei den Filmpreisen groß abzuräumen. Sondern, weil sich Pynchon anscheinend maßlos gut dafür eignet, seinen individuellen Filmstil zu tragen, über hügelige Straßen, an militanten Nonnen vorbei, durch muffige Fluchtwege unter der Erde bis hin zu Sean Penns völlig entgleister Visage, dessen Mimik fast schon einen Film im Film darstellt.

    Linksradikale Ballerfrauen

    Diese Idee von der geilen Revolution, die muss Anderson ausschlachten. Die Agenden sind wohl zweitrangig, obwohl uns klar wird: Ja, es geht um Migration, ob illegal oder nicht, um Ausweisung, um Abschiebung, um die Brandmarkung aller nicht in den USA Geborenen als Drogenhändler, Katzenfresser und Streitsüchtige, die für Unreinheit in einer Reagan/Trumpwelt sorgen – schließlich sind die Ideen des Möchtegern-Alleinherrschers über die ganze Welt alle nicht neu, sondern halbwegs aufgetaut, um sie den Leuten zwischen Arsch und Couch zu schieben, als bequemes Kissen, weil die Sitzschwielen aufgrund der vielen Bequemlichkeit nicht mehr ausgesessen werden können. Doch anstatt sich den politischen Umständen, Umwälzungen und dem Kern der Sache hinzugeben, ist es wohl besser, die Ruppigkeit der Revolution als Ikonographien der gewaltbereiten Aufsässigkeit hinzustellen, ohne jemals darin die Chance ersichtlich machen zu können, dass all diese linksradikalen Ballerfrauen, ob hochschwanger oder im Tütü, mit ihrem Modus Operandi auch nur irgendetwas am System zu ändern.

    Mehr als ein Thriller?

    Revolution ist so ein Wort, das klingt nach Che Guevara und vielleicht auch Krieg der Sterne, nach rotzfrechen Heldinnen und Helden, die als schnöde Kriminelle die gute Sache nur noch kolportieren. Mit dieser Prämisse hat One Battle After Another so seine Probleme – als „Film der Stunde“, wie manche sagen, gibt Anderson seinem schauspielerischen Sprengkommando eine allzu lange Lunte in die Hand. Sie brennt und brennt, und währenddessen tut sich ein überraschend geradliniger und überhaupt nicht sonderlich komplexer Thriller auf, der in seinen besten Momenten die Absurdität von Breaking Bad atmet, orientierungslos grimassierend im Niemandsland des wüstenhaften Grenzgebiets – glutheisse Kulissen, die DiCaprio niemals dazu bewegen, seinen Bademantel abzulegen, denn der hat schließlich jetzt schon so sehr Kultstatus, dass sich das Outfit dieses Spätrevoluzzers bereits schon beim Faschingsprinzen bestellen lässt. Der Thriller aber ist handwerklich so sehr ausgereift, dass es allemal für denkwürdiges Kino reicht. Etwas gar penetrant mit Klavierklimpern unterlegt, sind nach einem grob gehobelten Epilog, der keine Chance dafür lässt, mit den Figuren warm zu werden, die Rechten und Linken positioniert. Erst jetzt sprudelt Anderson mit seinem Können nur so hervor, setzt groteske Sequenzen, Arthouse-Optik und Robert Altman-Stilistik, in Kubrick‘schem Weitwinkel und lakonischer Ironie.

    Wenn am Ende die irre Suspense in einer schwindelerregenden Berg- und Talfahrt einer Autoverfolgungsjagd die niemals ihrem Schicksal entkommenden Gestalten aufeinandertreffen lässt, hat man das Gefühl, etwas Erfahrenswürdiges gesehen zu haben, etwas filmgeschichtlich Kultiges, und damit meine ich nicht zwingend Sean Penn, der hier als zum Femdschämen ideologisierter Tintifax DiCaprio die Show stiehlt. Wohl eher ist es die Erkenntnis, dass das Private, Intime, in dessen Dunstkreis sich jeder selbst der Nächste ist, weit mehr Priorität hat als der weltbewegende Umbruch, zu dem es nie kommt, weil immer wieder jemand anderer im Weg steht, dem das Hemd näher ist als der Rock.


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    09.10.2025
    16:46 Uhr
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    Widerstand am Brennglas der Gegenwart

    Die Welt steht am Abgrund…möchte man meinen. An der Gesellschaft ziehen Fliehkräfte mit nicht zu bremsender Dynamik. Geopolitik, Kriege, Verrohung, Rechtsruck, Angst, Paranoia …Mit seinem zehnten Spielfilm, seinem neuen (bisher teuersten) Mammutwerk „One Battle After Another“ gießt der gefeierte Regisseur Paul Thomas Anderson (PTA) die gegenwärtigen Phänomene in Filmkunst. Die ersten Rezeptionen? Einheitliche Begeisterungsstürme! Nicht nur, dass die Bewertungsskalen aller US-amerikanischen Plattformen überlaufen - selbst Regisseur-Ikonen wie Spielberg und Scorsese überschlagen sich mit Lobeshymnen. Was macht diesen Film so stark?

    Jetzt also Leonardo DiCaprio. Nachdem PTA bereits die Schar der besten Schauspieler dieses Jahrtausends vor seine Kamera bekam, ist jetzt DiCaprio dran. Als Bob Ferguson agiert er im Verborgenen als Teil einer Widerstandsgruppe, gezeichnet von der gewaltvollen Vergangenheit des politischen Aktivismus. Damals an seiner Seite: Perfidia, unwiderstehlich gespielt von Teyana Taylor. Mit ihr dringt Erotik in Bobs Leben, die in einem Baby gipfelt. Doch sie ist nicht bereit, zeigt Anzeichen postnataler Depression und verlässt Freiheit suchend die Familie. Sukzessive fliegen die antikapitalistischen Aktionen auf. Seitdem gilt für Bob: Untertauchen, Paranoia, Angst, Identitätswechsel, Drogen. Das Rezept eines tiefdunklen Thrillers ist vorbereitet…

    Doch PTA bricht mehrmals die Verdüsterung durch satirische Einfälle. Von kiffenden Nonnen bis zu buchstäblich bombastischem Sex. Auch DiCaprios Figur balanciert Tragik und Humor. Seine Rolle des alternden Revoluzzers im Bademantel, der besser das „Rebellenhandbuch“ hätte lesen sollen, ist ein Mix aus Jordan Belfort, Howard Hughes und Big Lebowski - tollpatschig, psychotisch, neurotisch, naiv. Nicht zu glauben, aber wahr: seine Figur verblasst jedoch im Angesicht seiner mitstreitenden Casting-Crew. Denn in dieser ernsten sozial-kinematischen Gemengelage findet PTA mit den Mitteln der Satire eine Prise absurde Leichtigkeit, die teilweise ins Karikatureske driftet. Insbesondere Scene Stealer Sean Penn mit nervösen Mundwinkelzuckungen sticht heraus. Ein eindrucksvoller Antagonist, aufgefressen durch die psychischen Probleme eines toxisch-maskulinen White-Supreme-Idealbildes. Nicht zu vergessen der autoritäre Militarismus, den er repräsentiert. Er setzt als Colonel Lockjaw den Actionreigen in Gang, als er Bobs Tochter Willa sucht, die inzwischen zum Teenager herangewachsen ist. Sie bildet laut PTA „Herz und Zentrum des Films“ und man muss es hier ausdrücklich sagen: die Frauenfiguren sind brillant geschrieben. Nicht nur Perfidia als unkonventionell-eigenwillige Mutter fernab der Klischees, auch Willa als verletzliche Tochter in einem Sensationsdebüt von Chase Infiniti – beide Charaktere bleiben genauso im Gedächtnis wie diverse Bilderinnerungen.

    Denn in Form und Machart ist „One Battle After Another” außerordentlich gelungen. PTA findet erfolgreich neue Bilder für das Kino am Puls der Zeit. Ein Maschinengewehr vor dem Babybauch, kurzrasierte Black-Power-Wut, zerschossene Wangen und eine nie gesehene Vehikel-Verfolgungsjagd, die als motorisierter Mexican Standoff in die Filmgeschichte eingehen wird. Die Kamera steht lang in Plansequenzen, nimmt die Vogelperspektive ein, ist dann wieder ganz nah, wechselt rücksichtslos die Distanz. Es herrscht ein Gefühl für Gesichter, Räume, für Klarheit, während im Hintergrund die atonale Musik dröhnt und enerviert. Und das in dieser unbarmherzigen Hektik einer Welt zwischen den Welten. Ohne Zeittafeln, dafür mit anachronistischem Interieur entstehen absichtliche Irrungen. Der Bezug zur Aktualität ist nicht einwandfrei, aber doch klar erkennbar, zur amerikanischen Welt im Speziellen.

    Mit dem Hardliner Col. Lockjaw/Sean Penn überschwemmt die politische Situation den Film, er ist Kommandant der berüchtigten ICE, der Einwanderungsbehörde, die dieser Tage im September 2025 mit brutalen Razzien die Gazetten der Realwelt füllt. An ihm und dem ganzen Widerstandsteam entfacht sich ein wechselseitiger Raubtierstreifzug durch alle aktuellen Grabenkämpfe, durch alle Strukturkategorien – politische Ideologien, psychologische Abgründe, sexuelle Orientierungen, familiäre Patchwork-Arbeit. Das in den USA nie überstandene Rassismus-Problem, der extremistische Kampf zwischen Links-Anarchie und rechts-kapitalistischer Macht sowie Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols bis hin zu Verschwörungsmythen im weißen Untergrund. Teilweise verlieren sich die Ideen in der Kinematik des Films, in dieser unaufhörlichen Geschwindigkeit – bis alles auf eine berührende Vater-Tochter-Story reduziert wird. Da ist sie noch: Menschlichkeit in einer zerschnittenen Welt. Und eine Symbiose. Das Zurückwerfen all der Probleme auf die biologische Menschlichkeit, wenn alle sozialen Trennwände auf körperlicher Ebene verschmelzen. Symbiose als Symbol der Hoffnung. Dieses überreiche Deutungsangebot mag einige erschöpfen, für einen pessimistischen Abgesang der modernen Zeit müssen aber schwere Geschütze aufgefahren werden.

    Fazit: Es ist das gegenwärtigste Filmmosaik, das gedreht werden konnte. Ein Werk des Jetzt. Ohne Rückschau, ohne Historizität, blanke Gegenwart, die einem pulsierenden Pulverfass gleicht – und auch so inszeniert ist. Eine fieberhafte Anti-Utopie, die handwerklich beeindruckt, die aufwühlt, der ein wenig mehr Ruhe, Herz und Nähe gestanden hätte. Im Gegensatz zum Kinopublikum, dessen Herz im Anti-Rhythmus des atonalen Klavierklimperns rast – dank Paul Thomas Andersons Unberechenbarkeit und Ideenfülle. „One Battle After Another“ ist ein Anti-Film, ein Film über die marodierte Gesellschaft, über das Gegen, das Gegeneinander der Menschen. Doch wenn am Ende das Licht angeht und Tom Pettys rauchige Stimme erklingt, hinterlässt uns Anderson einen Hauch Widerstand in dieser fragmentierten, unstillbaren Welt.
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    26.09.2025
    14:14 Uhr
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    The Revolution Will Not Be Televised

    Exklusiv für Uncut
    Leonardo DiCaprio muss in Paul Thomas Andersons actiongeladener Polit-Thriller-Sternstunde als verpeilter Ex-Revoluzzer seine Tochter aus den Klauen von Sean Penn befreien.

    Die Weltpolitik ist ziemlich am Arsch. Das mag jetzt polemisch und allzu pessimistisch klingen, gibt aber eigentlich ganz gut das derzeit vorherrschende Sentiment wieder. Kein Tag vergeht ohne eine neue Eskalation in einem der vielen Krisenherde – sei es etwa in Russland, Israel, Afghanistan, oder ganz besonders schlimm, in den USA. Seit der Wiederwahl Donald Trumps als Präsident klaffen die ideologischen Gräben immer weiter auseinander und die Furcht vor einem zweiten amerikanischen Bürgerkrieg oder gar einem dritten Weltkrieg wird mit jedem Tag größer. Durch den erneuten Aufschwung des umstrittenen Rechtspopulisten sind auch seine radikalen Anhänger mit ihren fremdenfeindlichen Agenden wieder auf dem Vormarsch. Es reicht ein ordentlicher Funke, um das Pulverfass ein für allemal zum Überlaufen zu bringen. Vor diesem Hintergrund bringt Paul Thomas Anderson jetzt seinen nunmehr zehnten Spielfilm, „One Battle After Another“, in die Kinos.

    Und mit seiner bislang aufwendigsten und teuersten Produktion wagt er sich erstmals in Mainstream-Gefilde vor. Aber man muss gar nicht befürchten, dass Anderson für seinen potenziellen ersten Blockbuster seine Seele am Studiogelände von Warner Bros. Pictures abgegeben hat. Denn auch hier haben wir es wieder mit einem typischen PTA-Werk zu tun, nur mit mehr Budget, mehr Action und mehr Ambition. Ein wenig erinnert das fertige Produkt an die Coen-Brüder zu ihren besten Zeiten, als hätten sie ihren „Dude“ Jeffrey Lebowski in die düster-karge Welt von „No Country for Old Men“ transportiert. So in etwa fühlt es sich hier an, nur dass sich Anderson nicht auf den hoffnungslos-pessimistischen Nihilismus eines Cormac McCarthy beruft, sondern auf seinen Lieblingsautor Thomas Pynchon. Vor elf Jahren wagte er sich mit „Inherent Vice“ schon einmal an eine Verfilmung eines Pynchon-Romans heran und ließ Joaquin Phoenix als ständig bekifften Amateur-Detektiv Doc Sportello in ein abgefahren schwarzhumoriges, wenn auch kompliziertes Unterwelt-Komplott stolpern. Das andere Werk Pynchons, das Anderson schon lange für eine filmische Umsetzung ins Auge gefasst hatte, ist „Vineland“ (1990). Aber anstatt wie zuvor den Roman vorlagengetreu zu adaptieren, nutzt er hier „Vineland“ lediglich als Inspiration und Sprungbrett, und lässt damit seinem Film „One Battle After Another“ genügend Raum, als eigenständiges Kunstwerk angesehen zu werden, dessen Verbindung zum Roman zwar intakt bleibt, aber mit genügend eigenen Ideen Andersons erweitert wird.
    Sein „Dude“ in dieser Geschichte ist Pat „Ghetto Pat“ Calhoun (Leonardo DiCaprio), Sprengstoffexperte der Revolutionären-Bewegung „French 75“. Er und seine Mitstreiter, darunter seine enorm sexhungrige und aggressive Freundin Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor), befreien eines Nachts über 200 illegale Immigranten aus einem Anhaltezentrum, das von Captain Steven J. Lockjaw (Sean Penn) überwacht wird. Es entsteht eine eigenartige Anziehung zwischen Lockjaw und Perfidia, und der gedemütigte Rassist nimmt unerbittlich die Verfolgung der „French 75“ auf. Kurz nach der Geburt von Pats und Perfidias Tochter wird sie bei einem versuchten Terrorangriff geschnappt und er muss mit dem Baby über Umwege in Baktan Cross untertauchen, wo er unter dem Tarnnamen Bob Ferguson 16 Jahre eine ruhige Kugel schieben darf. Dann nämlich, Tochter Willa (Chase Infiniti) geht jetzt auf die High School, kehrt der zum Colonel beförderte Lockjaw zurück, weil er unbedingt in den exklusiven „Christmas Adventurer’s Club“ aufgenommen werden will, eine White Supremacist-Vereinigung. Weil Lockjaw aber glaubt, dass Willa seine Tochter ist, und diese Verbindung seinen Ruf und seine Ambitionen ruinieren würden, trachtet er ihr nach dem Leben. Bob, inzwischen paranoid und völlig von der Welt abgekapselt, sucht Hilfe bei seinen alten Kameraden der „French 75“ sowie Willas Karatelehrer Sergio St. Carlos (Benicio del Toro), um sie wiederzubekommen.

    Wenn es nach seinen bisherigen neun Filmen noch Zweifel gegeben hat, dass Paul Thomas Anderson einer der außergewöhnlichsten und begnadetsten Geschichtenerzähler des Gegenwartskinos ist, dann zerstreut er sie hier ein für alle Mal. „One Battle After Another“ ist ein weiteres Meisterwerk eines Auteurs in völliger Kontrolle über sein Handwerk. Man merkt ihm und seinem Kameramann Michael Bauman aber noch eine gewisse Unerfahrenheit bei manchen Actionszenen an, in denen sich die Kamera zu hektisch, zu verwackelt und zu unfokussiert bewegt, was Zuschauer, die besonders empfindlich auf starke Wackeleinstellungen reagieren, zeitweise herausfordern dürfte. Das trübt leider ein wenig den ansonsten starken Gesamteindruck des Films. Die finale Verfolgungsjagd ist dafür jedoch meisterhaft inszeniert und gefilmt und eine der besten seit langer Zeit. Überhaupt ist der Film über die gesamten 161 Minuten kompakt und souverän inszeniert und hat nur wenig Leerlauf, auch wenn manche Szenen durchaus noch etwas Straffung vertragen hätten. Aber Anderson hält die Spannung von Anfang an aufrecht und zieht sie im letzten Drittel noch einmal so richtig an. Auch schafft er es, aktuelle politische Brennpunkte aufzugreifen, ohne mit dem Holzhammer draufzuhauen.

    Das ist auch ein Verdienst seines einmal mehr handverlesenen Ensembles an Schauspielern: Leonardo DiCaprio gibt hier eine weitere Kostprobe seines komödiantischen Talents ab, das er seit „The Wolf of Wall Street“ vermehrt demonstrieren darf, ohne aber auf seine gewohnte emotionale Intensität verzichten zu müssen. Hier harmoniert er besonders gut mit Benicio del Toro, deren humoristischer Rapport glatt aus einer Stoner-Komödie übernommen sein könnte. Den emotionalen Anker des Films, und das in ihrer erst dritten Schauspielrolle nach der Fernsehserie „Aus Mangel an Beweisen“ und einem Musikvideo von Tyler The Creator, bildet unterdessen Chase Infiniti als DiCaprios Filmtochter Willa, die sich nicht in die Opferrolle zwängen lässt und neben ihren renommierten Kollegen besteht. Das eigentliche Highlight des Films ist aber Sean Penn, der hier seine beste Performance seit seinem zweiten Oscar-Gewinn für „Milk“ vor 17 Jahren abliefert. Von seiner ersten Szene – mit Ständer (!) – bis zum Ende strahlt er eine gewohnt starke und bedrohliche Präsenz aus, ohne auch nur einmal wie sein Gegenspieler DiCaprio aus der Haut fahren zu müssen. Nur schade, dass Penn und DiCaprio nicht mehr Gelegenheit bekommen haben, einander gegenüberzustehen. So stiehlt Penn ihm fast die Show.

    „One Battle After Another“ hat in jedem Fall das Zeug, ein moderner Kulthit zu werden, und rechtfertigt einmal mehr Warner Bros.‘ mutige Strategie, mehr auf originelle Stoffe von Autorenfilmern denn auf mehr Blockbuster-Massenware zu setzen. Nach Ryan Coogler („Sinners“) und Zach Cregger („Weapons“) erweist nun Paul Thomas Anderson dem Studio, aber auch den Zuschauern, einen guten Dienst. An Filme wie diesen werden wir uns in vielen Jahren noch mit viel Ehrfurcht erinnern.
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    23.09.2025
    14:20 Uhr