1 Eintrag
1 Bewertung
50% Bewertung
  • Bewertung

    Risse im Luxusparadies

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
    Seit dem Oscar-Sieg von „Parasite“ ist der Klassenkampf wieder im Kino des Mainstreams angelangt. Filme, die auf die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich hinweisen, die bewusst den Finger in die Wunden des Spätkapitalismus legen. Mit mal mehr, mal weniger satirischer Präzision. „The Menu“. „Knives Out“. „Saltburn“. Wie sie nicht alle heißen. Auf diese Trendwelle will man nun auch in Deutschland aufspringen. In „Delicious“ von Nele Müller-Stoffen wird einer vermögenden Familie die Hölle heiß gemacht.

    Risse im LuxusparadiesEin unerwarteter Gast Finanziell müssen sich Esther (Valerie Pachner) und John (Fahri Yardim) keine Sorgen machen. Sie leben das Bilderbuchleben einer Wohlstandsfamilie: hohe Positionen in großen Firmen, zwei wohl erzogene Kinder, Urlaub in der Sommervilla in Frankreich. Eben da will man sich es wieder gemütlich machen, sich ein bisschen Ruhe vom Alltag genehmigen. „Man gönnt sich ja sonst nichts.“ Die Idylle beginnt allmählich zu bröckeln, als sie eine junge Frau mit dem Auto anfahren. Zunächst gibt man sich noch als hilfsbereit aus, möchte der aus Spanien stammenden Teodora (Carla Díaz) im Eigenheim erste Hilfe leisten. Dass bewusst kein Krankenwagen gerufen wird, man will den eigenen Ruf nicht schädigen, wirft kein gutes Licht auf die Familie. Da sieht Teodora, selbst aus einfachen Verhältnissen entspringend, ihre Chance gekommen. Was wenn sie die selbstzentrieren Schnösel um einen Job erpresst? Gesagt, getan: das Vierergespann nimmt sie kurzerhand als neue Aushilfskraft in die eigenen vier Wände auf. Und die stellt deren luxuriösen Alltag ordentlich auf den Kopf.

    Uninspirierter Kampf gegen „die da oben“

    „Delicious“ fängt vielversprechend an. Wie der Film die Eigenheiten deutscher Bobofamilien, die sich ihrer Privilegien nicht im Klaren sinnt, einfängt, mag wenig erkenntnisreich sein, aber der Realität nicht fern. Werden die Lebensumstände zwischen Arm und Reich absurder und absurder, muss Satire nicht ausgefeilt sein, um realen Missständen den Spiegel vorzuhalten. Handwerklich und schauspielerisch gibt es nichts auszusetzen, die Dekadenz der Oberen Zehntausend wird in pompösen Bildern festgehalten, die international mithalten können. Die Tragödie von „Delicious“ fängt an dem Punkt an, an dem das Publikum realisiert, dass hinter den ganzen Verwirr- und Rätselspielchen der Inszenierung sich nicht mehr verbirgt, als die haarsträubendste und absehbarste Lösung. Selten wurde der Leitsatz „Eat the Rich“ plumper versinnbildlicht. Selten ein eigentlich offensichtlicher Plotpoint einem mehr als der weltbewegende Twist verkauft. Man mag es kaum glauben, so dämlich ist die finale Pointe. Dass „Delicious“ sich an internationalen Vorbildern orientiert, ist von Minute eins klar – die Einflüsse, von „Parasite“ zu „The Menu“ oder der HBO-Serie „The White Lotus“ reichend, spiegeln sich in den Bildern, den Erzählpunkten und den Figurenkonstellationen wieder. Gelungene Reichensatiren brauchen eine Raffinesse, die bei „Delicious“ reine Behauptung bleibt. Der Klassenkampf-Thriller zielt auf ein Publikum ab, das er auf Netflix womöglich auch erreichen wird. Hat der Durchschnittskonsument ihn aber verschlungen und vergessen, wird er wieder in den algorithmisierten Weiten des Streamers verschwinden. So viel steht fest.
    1705313743158_ee743960d9.jpg
    24.02.2025
    07:46 Uhr