Das hätte er wohl selbst nie gedacht, einmal dort zu stehen, wo das übrige Hollywood ihm zu Füßen liegt. In den heiligen Show-Hallen der Oscar-Verleihung, eine kiloschwere Goldstatuette fest in den Händen haltend, während er womöglich Steven Spielberg eine Kusshand sendet – denn der hat den damaligen Dreikäsehoch für sein zweites Indy-Abenteuer Indiana Jones und der Tempel des Todes schließlich auch entdeckt. Als Shortround oder Shorty, wie sich der motivierte Knabe in der deutschsprachigen Synchro rufen lässt, unterstützt er Harrison Ford im Kampf gegen eine finstere hinduistische Sekte und sichert sich damit für ewig seinen Platz in der Popkultur. Dass sich einer dann so lange in der Branche halten kann, ohne regelmäßige Leinwandpräsenz zu absolvieren, muss ebenfalls gekonnt sein. Schön im Hintergrund hat Ke Huy Quan agiert, und zwar so lange, bis die beiden Daniels – Kwan und Scheinert – mit ihrem Multiversum-Wahnsinn Everything Everywhere All at Once den schmalschultrigen, zarten Amerikaner vietnamesischer Herkunft den Himmel auf Erden bescheren. Von da an ist Quan immer wieder mal zu sehen, in Marvel-Serien genauso wie zuletzt in der Stalenhåg-Verfilmung The Electric State. Doch abgesehen von Nebenrollen – gibt’s da sonst noch was? In der Tat, das gibt es, und zwar relativ brandneu: Love Hurts. Mit diesem Star-Vehikel, wenn ich es mal so nennen darf, etabliert der Oscarpreisträger mit der Brille seine Tauglichkeit als Zugpferd für einen ganzen Film. Wem er dabei ähnlich sieht? Dreimal dürft ihr raten.
Während sich schließlich das Energiebündel namens Jackie Chan dem Karate Kid-Franchise die Handkante gibt, kann dieser auch nicht überall zur gleichen Zeit Filme machen, die ihm rollentechnisch wie angegossen passen würden, für die der mittlerweile Siebzigjährige vielleicht aber auch schon mehr Verschnaufpausen benötigt als bisher. Ersetzen könnte ihn dabei Ke Huy Quan, dieser teilt in Love Hurts ordentlich aus und gibt den Flummy mit versteckter Vergangenheit. Anfangs jedoch lässt beim Anblick dieses biederen, braven Grundstücksmakler nichts darauf schließen, dass dieser weiß, wie man austeilt. Das ruhige Leben ist zwar langweilig, aber geordnet. Diese Ordnung weicht bald einer gewissen Unterwelt-Anarchie, als ganz plötzlich Marvins Ex-Kollegin Rose (Adriana deBose) aufkreuzt und den pensionierten Auftragskiller darum bittet, sie bei ihrem Racheplan gegen ihren ehemaligen Gangsterboss, der zufällig Marvins Bruder ist, zu unterstützen. Rose sollte eigentlich gar nicht mehr am Leben sein, doch Marvin, der sie damals auf der Abschussliste hatte, musste aus Liebe zu ihr ein Auge zudrücken.
Man sieht schon: der angerissene Plot oder sagen wir die Ausgangssituation der kleinen, knappen Actionkomödie erzählt wahrlich nichts Neues. Ex-Killer und Kampf-Virtuosen, die sich ihrer Vergangenheit stellen müssen, gibt es wie Sand am Meer, diese Filme lassen sich sowieso kaum mehr voneinander unterscheiden. Es ist ein austauschbares Subgenre geworden, in welchem schon seit geraumer Zeit kein Skriptschreiber oder Regisseur es wagt, die Perspektive zu wechseln oder gar Genre-Versatzstücke auszutauschen. Und wenn, dann ist da irgendwie der Wurm drin und will nicht so recht funktionieren – für die letztlich schale Story von Love Hurts mussten gleich drei Schreiberlinge Hand anlegen. Kein gutes Zeichen.
Dass Ke Huy Quan auf Adriana DeBose abfährt und umgekehrt, kann Regisseur Jonathan Eusebio nicht plausibel darstellen, dass ersterer aber anderen Mordskerlen zeigt, wo die Kampfakrobatik zuhause ist, allerdings schon. Da aber Love Hurts darauf ausgerichtet ist, im Wesentlichen eine schlagkräftige Romanze zu erzählen, deren Beweggründe eigentlich aber niemanden sonderlich interessieren oder noch während des Films in Erinnerung bleiben, fehlt hier die Substanz für so ziemlich alles. Ke Huy Quan aber freut sich, seinen ersten eigenen Film zu rocken. Die Glückseligkeit des Schauspielers motiviert ihn genug, das Beste aus dieser austauschbaren Dutzendware herauszuholen, die ihre Hoffnung vergeblich in schrägen Nebenrollen sucht. Dabei lässt sich wiedermal feststellen, dass Mustafa Shakir und Lio Tipton (u. a. The Big Bang Theory) das weitaus spannendere Duo gewesen wären, womit wir Quan wieder zur Nebenrolle degradieren müssten. Das aber würde ich ihm nicht antun wollen.
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