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    Nur Brüder geben Feuerschutz

    Ich bleibe dabei, und ja, ich weiß, da gehen die Meinungen auseinander, aber: Ben Affleck ist für mich nach wie vor und im überstilisierten Dunstkreis eines Zac Snyder’schen DC-Universums „der“ Batman schlechthin. Muskelbepackt, stiernackig, arrogant, aber auch idealistisch. Nicht unbedingt ein Held zum Gernhaben, aber einer, dem man dann doch die Zügel in die Hand drücken würde, wenn es heisst, den Karren aus dem Dreck zu dirigieren. Die stählerne Rüstung, mit welcher er Superman bekämpft, mag ein bisschen den Charme der Lego-Filme bedienen, nichtsdestotrotz hat der Best Buddy von Matt Damon eine gute Figur gemacht. In anderen Filmwerken mag man ihm vielleicht ausgelebte Langeweile hinsichtlich seiner zu verkörpernden Rollen diagnostizieren – in ganz wenigen aber hat der selbstverliebte Geck so einiges drauf.

    Wie zum Beispiel als Accountant Christian Wolff, der die mimischen Defizite des Stars damit erklären kann, unter einer nicht näher definierten Form von Autismus zu leiden, unter welcher soziale Interaktion wie wir sie kennen bisweilen zu leiden hat. Auch das Emotionale ist nicht so Ben Afflecks alias Christian Wolffs Ding – womit sich der Knabe aber bestens auskennt, das ist Mathematik und das Erkennen von Zusammenhängen inmitten eines diffusen Durcheinanders, angesichts dessen allen anderen Ermittlern die Köpfe rauchen. Mit so einem Fall wurde Afflecks Figur schon 2016 betraut – damals musste er mit Buchhalter-Kollegin Anna Kendrick einer breit angelegten Veruntreuung auf die Schliche kommen. Dabei kam ihm sein eigen Fleisch und Blut in die Quere – der zum Profikiller ausgebildete Jon Bernthal. Dass sich letztlich beide zusammenraufen, um gemeinsam gegen das Unrecht vorzugehen, und zwar recht akkurat, hemdsärmelig und ohne Gewissensbisse – diese Tatsache bildet den Grundstein für eben erst im Kino erschienenen zweiten Teil – neun Jahre also nach dem nicht nur von Kritikern positiv abgenickten Original.

    Diesmal mischt auch wieder J. K. Simmons als pensionierter Finanzpolizist mit, der in seiner Freizeit immer noch gerne ungelösten Fällen nachhängt. Sich dabei aber mit dem Verschwinden von Menschen zu befassen, kostet ihm letztlich das Leben, jedoch nicht ohne vorher eine Nachricht zu hinterlassen, die besagt, dass Nachfolgerin Marydith Medina (die wir auch aus dem Original kennen) unbedingt jenen Zahlenjongleur ausfindig machen soll, der damals John Lithgows großes Geheimnis gelüftet hat. Medina wird ihn finden, zum Glück zeigt sich dieser auch bereit, auf seine weltfremde und nüchterne Art der Sache nachzugehen. Als die Sache aber richtig brenzlig wird, kommt Jon Bernthal ins Spiel. Und mit ihm das Motiv der launigen Actionkomödie, welche die energetischen Dynamiken des Buddy-Films für sich und das ganze unterhaltende Publikum neu entdeckt.

    Dabei ist The Accountant 2 kein Schenkelklopfer, der sich selbst parodiert. Über den Ernst der Lage in diesem Film macht sich keiner lustig. Stereotypen, sofern es welche gäbe, werden ebenfalls nicht durch den Kakao gezogen. Die Situationskomik entsteht dabei nicht dadurch, indem sie die Erzählform ins Lächerliche verzerrt, sondern den richtigen Moment erwischt. Das liegt vorallem auch an Jon Bernthals schnoddrige Scheiß Drauf-Attitüde, die der Mann so treffsicher im Schlaf beherrscht, dass Ben Affleck gar nicht mehr viel tun muss, um als autistischer Rationalist, der über den Schatten sozialer Unzulänglichkeiten springt, als idealer Konterpart zu funktionieren. Wie in einer verspäteten Screwball-Comedy werfen sich beide die Wortbälle zu, dass es eine Freude ist, wobei man selbst dann nicht darauf vergisst, warum es eigentlich geht und wohin die investigativen Recherchen letztlich führen sollen. Irgendwann gibt es dann auch Action, wie man sie schon oft gesehen hat – in diesem Kontext aber ist sie nur erfüllendes Beiwerk, während die kernige Tragikomödie zweier ungleicher Brüder die eigentliche Identität des Films darstellt. Gavin O’Connor gelingt ein überraschend sehenswerter kleiner Knüller, der Bewährtes vergnüglich auffrischt und im Vergleich zum Vorgänger mehr die Alltagstauglichkeit von zwei Actionhelden erprobt als die kriminalistische Analyse eines Sonderlings zu liefern.

    Das weckt eine ungeahnte Dynamik, auch im Hinblick auf die im Hintergrund agierenden juvenilen Superhirne, die den waffen- und lichtschwertschwingenden Spezialisten ähnlich supporten wie jene, die Tom Cruise alias Ethan Hunt stets den Rücken freihalten. Da dieser bald sein Finale feiert, könnten Affleck und Bernthal gerne mit einer dritten Mission liebäugeln. Beide Charaktere sind etabliert, abgesteckt und in ihren USPs erfasst – Zeit für neue Abenteuer!



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    02.05.2025
    17:29 Uhr