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    Um die Wette und ums Wetter

    Denkt man an Wetten, kommt uns deutschsprachigen Zentraleuropäern unweigerlich die massentaugliche Spieleshow Wetten dass …? in den Sinn, die an ausgewählten Samstagen die Straßen leerfegte, weil sich damals in den Achtzigern und Neunzigern, zum Hauptabend, die Familie vor dem Fernsehgerät versammelt hat. Worum dort gewettet wurde, das konnte den prominenten Gästen wohl oder übel egal gewesen sein, Hauptsache sie hatten Publicity. Jenen, die diese Gäste aber herausforderten, sahen die Sache ganz anders. Sie sahen ihre Wetten als Challenge, um der ganzen fernsehenden Welt zu beweisen, was alles geht, wie weit es geht, und welche Risiken man einzugehen bereit sein kann. Der Unfall von Samuel Koch 2010 sitzt als dunkle Stunde des Unterhaltungsprogramms immer noch tief. So ein Unglück, das könnte jeden einholen, der sich, motiviert durch Ehrgeiz und hohem Einsatz, selbst überschätzt.

    Wo, wenn nicht in Las Vegas, in dieser Stadt in der Wüste, in der rund um die Uhr gewettet, gezockt und das Showbiz praktiziert wird, lässt sich der mehr als nur olympische Wetten dass …?-Gedanke noch stärker ausleben? Hank (Douglas Smith), ein wett- und spielesüchtiger Taugenichts, hat, auch wenn man es nicht für möglich hält angesichts seines angetrunkenen Zustands zumindest zu Beginn des Films, einiges am Kasten. Vor allem Ehrgeiz. Und einen unbändigen Willen, Wetten auch zu gewinnen. Er wäre Gottschalks idealer Kandidat, so aber bleibt ihm nur sein Best Buddy Jack (Justin Cornwell), Poker-Profi und hartgesottener Zocker unter der wüstenheissen Sonne Nevadas, der aber selbst bei Hanks aus der Hüfte geschossenen Schnapsidee kurz mal zögern muss, um dann doch einzuschlagen: Ein nahezu dreifacher Marathon, 70 Meilen innerhalb von 24 Stunden um den hauseigenen Block im geliebten Grätzel der Stadt, unweit des weltberühmten Strips, dessen Lichter des Nächtens den großen Reibach verlocken. Wir alle wissen, wie unmöglich es ist, einen Marathon zu laufen, ohne dafür ausreichend trainiert zu sein – wenn man ihn am Stück läuft. Darauf lässt sich Hank dann doch nicht ein, Pausen sind inbegriffen. Eine Million Dollar, sollte Hank es nicht schaffen – ein Drittel davon, sollte er gewinnen. Während Hank also läuft und läuft und läuft, finden sich Freunde, Familie und Nachbarn ein, philosophieren über das Leben, dessen Einfluss und all die Erwartungen, die ein solches stellt. Es ist, als wäre man in einem kauzigen, kleinen Dialogfilm von Kevin Smith mit einer lebensweisen, mehrdeutigen Prise Richard Linklater, der die Menschen von nebenan herausfordert und über sich hinauswachsen lässt. Und zwar aus eigenem Antrieb, nicht durch Fremdeinwirkung motiviert.

    Tatsächlich handelt es sich bei The Million Dollar Bet aber um das Werk des Österreichers Thomas Woschitz, der, wie schon seinerzeit Robert Dornhelm für Echo Park, seine True Story so aussehen lässt, als wäre es eine waschechte Independetfilm-Produktion aus den USA. Ein souverän aufspielendes Ensemble gibt sich den in Las Vegas omnipräsenten Vibes für Spiel, Chance und Glück hin, aber auch dem Müßiggang, dem Geplaudere und dem Stillstand, während der leibhaftig gewordene Selbstbeweis Runden zieht. Dramatisches Attribut in dieser Mittelschichts-Miniatur ist neben dem Wetten das Wetter: Ein heranrollender Sandsturm wird gleichermaßen zur Sanduhr – die Frage ist, wer wohl schneller sein wird. Der völlig untrainierte Lebenskünstler oder die Macht der Winde.

    Stilistisch orientiert sich Woschitz ganz bewusst nicht am Glanz und Glamour dieser Vergnügungsstadt, die neben ihrem ewigen Kommerz-Hedonismus auch ganz normale Bewohner beherbergt, jenseits des Treibens; zwischen Palmen, Wüstensand und hell getünchten Bungalows. Las Vegas zwischen Tag und Nacht – und hat man Gia Coppolas The Last Showgirl gesehen, könnte man beide Filme für Episoden unter dem selben Nenner erachten, denn nicht nur stilistisch, auch erzählerisch weisen beide Werke völlig unbeabsichtigterweise Ähnlichkeiten auf, beide mit Fokus auf einen Alltag, dessen Zeit nicht stillsteht.

    Coppolas Film mag etwas dramatischer sein, Woschitz‘ Episode hingegen gibt sich entspannt, intuitiv, fast wie aus dem Stegreif. Kann sein, dass The Million Dollar Bet nicht ganz so leicht nachvollziehbare Prioritäten vermittelt und seinen Figuren weniger nahekommt als geplant – den fast dreifachen Marathon so hinzubiegen feiert die pragmatische Beharrlichkeit des Willens. Und den Reiz des gar nicht mal so leicht verdienten Geldes.


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    19.05.2025
    18:27 Uhr
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    Nice

    Sehr gelungen für einen „kleinen“ österreichischen Film. Überzeugende Schauspieler und „Spannung“ bis zum Schluss. Ich hoffe der Film bekommt noch einen regulären Kinostart in Österreich.
    #diagonale25
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    06.04.2025
    22:09 Uhr
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    Über Freundschaft und eine Millionenwette

    Exklusiv für Uncut vom K3 Film Festival
    „The Million Dollar Bet“ feierte vor wenigen Wochen seine Premiere auf der Viennale. Gestern folgte die österreichische Premiere auf dem K3 Festival in Villach. Ein weiterer perfekter Film für das Oberthema des Festivals „Nähe“. Einerseits im Kontext Zwischenmenschlichkeit, andererseits bei der titelgebenden Wette und der gesamten Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert.

    Hank (Douglas Smith) und Jack (Justin Cornwell) sind durch Glücksspiel, besser gesagt Poker, in Las Vegas reich geworden und müssen sich nicht mehr mit den alltäglichen Problemen, in erster Linie einem Nine-to-Five-Job, herumschlagen. Langeweile stellt sich jedoch schnell ein und so kommt Hank in den frühen Stunden eines neuen Tages auf eine Idee, mit der er Jack herausfordern will.

    Eine Strecke von 70 Meilen (122 Kilometer) will er in 24 Stunden zurücklegen, was einem dreifachen Marathon gleicht. So wetten sie mit einem hohen Wetteinsatz. Falls Hank diese gewaltige Distanz nicht innerhalb der festgelegten Frist bewältigen sollte – was mehr als 400 Umrundungen seines Wohnblocks entspricht – würde Jack einen Gewinn von einer Million Dollar einstreichen. Unmöglich kann Jack bei diesem exzentrischen Vorhaben seines völlig untrainierten Freundes absagen…

    Eine weitere abstruse Geschichte aus Las Vegas

    An Las Vegas haften viele Themen, Schlagwörter, Phrasen. Ganz weit vorn: Was in Las Vegas passiert, bleibt auch in Las Vegas. Ab und zu schafft es eine Geschichte doch aus der Stadt der Sünde heraus. „The Million Dollar Bet“ ist eine solche Erzählung, die perfekt zu dieser Stadt passt. Alles ist auf Superlative ausgelegt - das Ziel, die Einsatzsumme, nicht zu vergessen das Leben am Limit und die Herausforderung der Gesundheit, abgerundet von einem atmosphärischen Vakuum, welches viele Filme zuvor zeichneten. Werke wie „The Cooler“, oder auch „Leaving Las Vegas“ kommen in den Sinn, die das verführerische Nachtleben festhalten und es gleichzeitig mit der intensiveren Zurückgezogenheit in den äußeren Verästelungen der Stadt konterkarieren. Es passt zu der Aussage des Regisseurs nach dem Film, dass sich am amerikanischen Kino orientiert wurde.

    Was zuerst wie ein Spiel oder schlecht gemeinter Witz beginnt, stellt sich im Laufe der Geschichte als immer intensivere Tortur für beide Parteien heraus. Obgleich wir erfahren, dass dieses Vorhaben tödlich enden könnte, bleibt die Komponente der Gefahr oder Intensität jedoch weitestgehend unausgespielt. Ganz andere Situation und auch ganz anderer Film, gibt „127 Hours“ vor dem Hintergrund das perfekte Gegenbeispiel ab. Hier werden zähneknirschende Momente, Situationen maximaler Erschöpfung und traumatisierende Szenen vereint und schaffen ein spürbar intensiveres Erlebnis. „The Million Dollar Bet“ ist hingegen der deutlich angenehmere Film, in dem auch etwas Platz für Humor ist.

    Während Hank seine Runden dreht, spielen sich die unterschiedlichsten Mini-Geschichten ab: Hamburger essen im Schnellrestaurant, das Beobachten der Nachbarn und auch der Auftritt einer leicht senilen älteren Dame sorgen immer wieder für Abwechslung und fügen sich natürlich in die Geschichte und das Setting ein. Ganz leicht machen diese Momente den Eindruck einer harmloseren Version von „Pulp Fiction“, als das wohl beste Beispiel für die Verschmelzung kleinerer Geschichten.

    Der ganz große Unterschied dabei ist, dass „The Million Dollar Bet“ deutlich minimalistischer konzipiert ist und sich auch bewusst gegen Überladung entscheidet. Hier gibt es weder übertriebene Schicksalsmomente à la Deus ex Machina oder das Bemühen, ikonisches Kino zu kreieren, noch handelt es sich um ein tiefergehendes Psychogramm voller Bedeutungszuschreibungen. Sicherlich ließe sich die Frage stellen, warum Hank sich so ein superlatives Ziel aussucht - und vermutlich ließe sich auch ein Zugang finden. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass der Film diese und weitere ähnlich gelagerte Fragen zu keiner Zeit breit tritt, um sich künstlich am Leben zu erhalten. Statt affektierten Bemühungen bleibt es kurz und bündig - lakonisch, um es in der Gesamtheit festzuhalten.

    „The Million Dollar Bet“ gibt damit nicht nur einen sehenswerten Indiefilm ab, sondern bringt auch das K3 Filmfestival zu einen gelungenen Abschluss. Mit einer großen Bandbreite an verschiedenartigen Filmproduktionen war es ein spannendes Festival, das in den meisten Fällen zum Staunen einlädt.
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    08.12.2024
    23:22 Uhr