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    Die Diva hinter der Diva

    Im Abspann des biographisch angehauchten Spät-Portraits Maria zeigt Pablo Larrain zahlreiche kurze Videosequenzen, auf welchen die echte Maria Callas zu sehen ist. Ich stelle fest: So divenhaft wirkt sie gar nicht. Gut, die schicke Kleidung, das perfekt frisierte Haar, die Entourage, die sie umgibt, zeugt davon, wie angesehen die Dame wohl gewesen sein muss. An ihrer Seite der steinreiche Reeder Onassis, doch sie selbst, La Callas eben, gibt sich locker, auffallend natürlich, augenzwinkernd, menschlich. Sagen so wenige Szenen mehr über eine Person aus als es der ganze Film, in welchem die Filmdiva schlechthin, nämlich Angelina Jolie, so tut, als wäre sie Angelina Jolie, die wiederum so tut, als wäre sie Maria Callas?

    Nach Spencer hat der Chilene Pablo Larraín abermals den Skriptschreiber Steven Knight dazu beauftragt, der bedeutenden Sopranistin eine biographische Stimme zu geben – allerdings mit der Tendenz in Richtung eines zwischen Realität und Imagination changierendes Psychodrama und subjektives Portrait, eingefasst in einen Zeitrahmen von einer Woche, nämlich der letzten Lebenswoche einer viel zu früh verstorbenen, die, so wie es dem Film nach scheint, sowieso nichts mehr zu verlieren gehabt hätte nach dem Verlust ihres hallenfüllenden, kräftigen Organs und der Bewunderung, von der manche Stars leben können, als wäre es das Nahrhafteste auf der Welt. Die finalen Tage gestalten sich entsprechend ereignislos, das vermittelt auch der Film. Um als Zuseher nicht in den Standby-Modus abzugleiten, bereichern Larrain und Knight ihre Hommage mit der allgegenwärtigen, fleischgewordenen Präsenz eines Rauschmittels, genannt Mandrax, das angeblich gegen Angststörungen und Schlaflosigkeit helfen soll. Süchtig wird man davon allemal, in Afrika nimmt man das Zeug immer noch ein, Ende der Siebziger genügt es Maria Calls immerhin noch, um einen imaginären Interviewer auferstehen zu lassen, in diesem Fall Kodi Smit-McPhee, der die in edle Gewänder gehüllte Dame auf ihren Spaziergängen begleitet, nur nicht in die Pariser Oper, denn dort sitzt Jeffrey Tate, einst Assistent von Karajan und Chefdirigent überall auf der Welt. Er unterstützt die Diva dabei, ihre Stimme wiederzufinden – letztendlich leider vergebens, obwohl Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher, La Chimera) stets ganz anderes Feedback gibt. Die herzensgute Seele in den Gemächern der Künstlerin sieht ihre Komplimente als Balsam für Marias enttäuschtes Gemüt, ihr zur Seite steht der Diener Ferruccio, sowieso Mädchen für alles, geplagt von Rückenschmerzen und willig, selbst die absurdesten Wünsche der gottgleichen Dame zu erfüllen.

    Bruna und Ferruccio – welchen unorthodoxen Blickwinkel hätte der Film nur gewonnen, hätte Larraín diese beiden devoten, fast schon engelsgleichen und geerdeten Personen, die nichts anderes im Sinn haben als das Gutgemeinte, ins Zentrum des Geschehens gerückt. Schließlich ist es so, dass Rohrwacher und der wunderbare Pierfrancesco Favino (u. a. Il Traditore, Adagio) bisweilen faszinierender, greifbarer und interessanter wirken als der zentrale Star dieses reich bebilderten Essays: Angelina Jolie. Keine Ahnung wann das passiert ist, zumindest war das zu ihrer Paraderolle als Psychiatrie-Insassin in Girl, Interrupted noch nicht der Fall, dass La Jolie begonnen hat, so zu tun, als wäre sie die gefragteste Schauspielerin auf diesem Planeten, um sich ein Verhalten anzueignen, dass sich in vielen anderen ihrer Filme nicht anders ausdrückt als eben hier, in diesem Diven-Abgesang. Gestelzt, abgehoben, über allen Dingen schwebend, unnahbar und fassadenhaft, natürlich makellos schön und voll der Ausstrahlung. Nur diese Strahlen schillern nicht, es ist ein gleichmäßiges Licht, das Jolie verbreitet. Und es ermüdet.

    Auch wenn sie noch so versucht, sich in diesem vermuteten Schmerz hinzugeben, den Maria Callas gehabt haben könnte – man kommt dem Wesen dieser Person nicht näher, man betrachtet lediglich Bilder von ihr und erhält als einzige aufschlussreiche Information jene, dass Angelina Jolie in allen möglichen Kostümen, in auf die Farben der Siebziger gefilterten Bildsequenzen oder in Schwarzweiß, in gefakten Archivaufnahmen, als Anne Boleyn oder Turandot, immer Angelina Jolie bleibt, die unbedingt in eine Rolle schlüpfen will, die ihre eigene Divenhaftigkeit verbergen soll, um als ganz andere Diva zu erscheinen. Es gelingt ihr nicht. Und es gelingt dem Film an sich auch nicht, aufgrund dessen diesem Mysterium Callas näherzukommen – zu fragmentarisch ist dieses prächtige Requiem, und vielleicht auch zu selbstverliebt. Die Diva lässt sich auch in Pablo Larraín finden.


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    26.02.2025
    08:53 Uhr
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    Singendes Kehlchen im Goldkäfig

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Für gequälte Frauenfiguren mit historischem Bezug hat Pablo Larraìn viel übrig - das sind keine Neuigkeiten. In seinem englischsprachigen Debüt „Jackie“ gab Natalie Portman die Witwe John F. Kennedys zu der schwierigsten Zeit ihres Lebens: als sich diese Tage nach der Ermordung ihres Gatten im Kreuzfeuer der Medien wiederfand. Mit „Spencer“ schenkte Kristen Stewart Lady Di die Würde zurück, die ihr vom britischen Königshaus und Boulevardblättern genommen wurde. Was als Trilogie über missverstandene, geschundene, komplexe Damen im Goldkäfig geplant war – der chilenische Regisseur bezeichnet es als die „Ladies-with-heels-trilogy“ (zu Deutsch: „Damen mit Stöckelschuhen“) – wird mit einer weiteren Persönlichkeit moderner Zeitgeschichte abgeschlossen. Einer Frau, die jahrelang auf der Bühne funktionieren musste, während sie doch am liebsten ihr eigenes Liedchen geträllert hätte: Maria Callas. Ihr stimmgewaltiger Sopran machte Callas, einer einfachen Familie aus Griechenland entspringend, in den 1950ern zum glühenden Stern der Opernszene. Im Privaten hat die Diva aber unter dem Ruf gelitten. Das Streben nach Perfektion, die ihr unerreichbar schien, hat der Sängerin den Verstand geraubt. 1977 dann das tragische Ende: im Alter von 54 Jahren erlag sie einem tödlichen Herzinfarkt; die Nachwehen jahrelangen Medikamentenmissbrauchs und physischer Selbstgeißelung. „Maria“ fokussiert sich auf die letzten Lebenstage der Sopranistin, inszeniert diese als furiosen Rausch zwischen surrealen Wahnvorstellungen, empathischen Gelegenheitsgesten und graugetünchten Erinnerungen an eine glorreiche Vergangenheit, die hinter der Bühne gar nicht so glorreich war.

    Die Rolle ihres Lebens

    Die verletzliche Rolle der Callas wurde einer Schauspielerin überreicht, deren Wahl auf den ersten Blick überraschen mag: Schauspiel-Superstar Angelina Jolie. Dabei ist die Besetzung ein Geniestreich, lassen sich zwischen der Hollywood- und der Opern-Diva doch so einige Parallelen entdecken. Wie Callas stand auch Jolie unter dem medialen Druck, das Bild einer perfekten Ehe zu wahren. Mittlerweile weiß man: diese hat es gar nie gegeben. Nachdem problematische Details über den Rosenkrieg mit Ex-Partner Brad Pitt ans Licht kamen, wurde sie in den letzten Jahren durch den Boulevardzirkus getrieben. Als Schauspielerin sah man sie zuletzt 2021 im Marvel-Flop „The Eternals“. In Larraìns feinfühligem Biopic darf sich die Oscarpreisträgerin („Girl, Interrupted“) den ganzen Frust von der Seele spielen und singen (ja, sie hat zum Großteil selbst gesungen). Und das mit einer Darbietung, die weniger protzig und aufmerksamkeitsheischend ist, als sich vermuten ließe. Die Performance lebt von feinen, subtilen Nuancen: den desillusionierten Blicken, den Unsicherheiten überspielenden Hang zu Humor, dem herzhaften Lachen in raren Momenten der Zuversicht. Als dann später tatsächlich die großen Gesten folgen, mit kränkelnder Stimme der Schmerz vom Leib geschrien wird, tut das nach dem ruhigen Aufbau umso mehr weh. So viel sei gesagt: in der kommenden Oscar-Saison wird Jolies Name das eine oder andere Mal bestimmt fallen. Der fantasierende Überbau - der Realitätsverlust spiegelt sich in übersteigerten, opernesk anmutenden Bildern wieder – ist manchmal etwas zu dick aufgetragen. Es sind die menschlichen Momente dazwischen, in denen „Maria“ ungemein zu berühren weiß. Wenn denn zum Beispiel das sorgsame Hauspersonal zum Kartenspiel lädt. Da zeigt sich auch wieder die große Stärke von Larraìn als Regisseur: die kleinen, intimen Gesten einzufangen, die das Leben erst lebenswert machen. Selbst in Zeiten des Sturms.
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    30.08.2024
    09:18 Uhr