Exklusiv für Uncut
Francis Ford Coppola – ein Name, der aus dem Kino und der Filmgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. Die „Der Pate“-Trilogie, „Apocalypse Now“, „Dracula“ und so viele hochgelobte und geschätzte Werke stehen auf der Filmografie des Regisseurs. Und jetzt „Megalopolis“. Sein Herzensprojekt, für das er viel Beharrlichkeit und Geld aufwenden musste.
Eine lebenswertere Stadt komponieren
Wenn ein Architekt eine Vision von einer lebenswerteren Stadt hat, muss er sie verwirklichen. Um jeden Preis. Das ist die Grundgeschichte von Megalopolis, eben jener Utopie, die Cesar Catilina (Adam Driver) umsetzen möchte; erinnert ein bisschen an den Regisseur Coppola, seine Vision und den Weg zur Realisierung des Films. Vielleicht nicht zufällig. So einfach entsteht eine Utopie nämlich nicht, verschiedene Kräfte wollen das Jetzt bewahren, stehen den Plänen einer vollkommenen Neuordnung im Weg. Oder regen sich auf, weil sie aus ihrem Wohnbereich vertrieben werden sollen.
Von Rom über Shakespeare
„Megalopolis“ spielt im fiktiven New Rome, das mit den unzähligen Wolkenkratzern und Vergnügungsstempeln inklusive Neonlichtern stark an Amerika erinnert. Das ist nicht die einzige Verbindung zur Antike. Wie Cesar beziehen viele andere Figuren ihre Namen ebenfalls von großen Römern, etwa Bürgermeister Franklyn Cicero oder der Banker Hamilton Crassus. Die Analogie zum alten Rom über Aufbau und Machtstrukturen wird gleich zu Beginn vom Erzähler und selbsternannten Geschichtsschreiber erklärt. Mit Karten zur Veranschaulichung. Und Zitaten von Marc Aurel und anderen Staatsmännern im Verlauf des Films. Oder von Dichtern wie Shakespeare. Coppola illustriert viele der philosophischen Ideen zum Menschsein und guten Leben anhand von Sprüchen weiser Männer. Sollte mir ein Zitat einer Frau entgangen oder entfallen sein, bitte gerne anmerken! Da mag gute Recherchearbeit dahinter sein, es ist aber eher manierierte, rein oberflächliche Tiefgründigkeit. Eine schöne, intellektuelle Fassade.
Wandelnde Klischees
Weder Figuren noch die Geschichte erreichen annähernd Tiefe. Cesar ist ein geplagtes, verkanntes Genie (oder auch ein Wahnsinniger) mit einer dunklen Vergangenheit. Seine geliebte Frau ist tot, ihr Ableben ein Rätsel, er nur knapp einer Anklage wegen Mordes entkommen. Und wie tötet man den Verlustschmerz ab? Wie viele andere, besessene Figuren in Melodramen und Seifenopern: mit Frauen, Alkohol und allem, was sonst noch das Bewusstsein ändern kann. Und mit Arbeit an der eigenen Vision, koste es, was es wolle. Sein Gegenspieler, Bürgermeister Cicero, ist am Erhalt des Status Quo interessiert, kann sich nicht auf Neues einlassen. Dummerweise hat er eine Tochter, die zwar dem Spaß und dem rebellischen Partyleben frönt, aber bald lernt, an eine bessere Zukunft zu denken. Dazu muss sie sich aber erst in Cesar verlieben. Die Nebenschauplätze sind bevölkert von machthungrigen erwachsenen Kindern, die sich nicht anerkannt fühlen, einem alten, stinkreichen Lustmolch und einer sensationslüsternen, macht- und geldgeilen Reporterin, die sich von Cesar Catalinas Bett in das von Bankier Crassus drängt, der ihr Großvater sein könnte. Mehr Komplexität bekommen sie nicht, sie sind Teil der Seifenoper und erfüllen nur ihre Rollen im Intrigen-Reigen.
Seifige Gesellschaftskritik und (unfreiwillige?) Komik
Da mag viel Sozialkritik verpackt sein, allerdings kann man sie in dieser allzu plakativen, oberflächlichen Form, gekoppelt mit der Idee der Utopie, die den gesamten Film durchzieht, schwer ernst nehmen. Manche Szenen sind so übertrieben seifig, fast jenseits des guten Geschmacks, dass sie komisch wirken. Ob das gewollt ist, wird nicht ganz klar.
Die Zeit anhalten für die Liebe
Coppola setzt auf überbordende Romantik, um die Liebe (und auch die Ehe) als treibende Kraft für ein besseres Leben und als Basis für ein solches zu stilisieren. Er nimmt die Beschreibung dieser Verbundenheit zwischen zwei Menschen als Änderung des Zeitgefühls wörtlich. Die richtige Muse, also die Liebe zu ihr, verleiht Cesar die Fähigkeit, die Zeit zu stoppen. Eingefangen immerhin in beeindruckenden Bildern in luftiger Höhe.
Neue Bilderwelten
„Megalopolis“ vermag mitzureißen, wenn man sich auf die Bilder von New Rome, vor allem auf die architektonischen Visionen konzentriert. Kostüme, meist angelehnt an den römischen Stil und ein wenig modernisiert, und opulente Ausstattung tragen zum hohen Schauwert des Films bei.
Ein Ereignis – nicht immer im positiven Sinne
Coppolas „Megalopolis“ ist einzigartig, so viel ist sicher. Und gut gemacht, oberflächlich betrachtet ist das Budget gut investiert und genutzt worden. Atemberaubende Bilder, ein gutes Ensemble mit dem einen oder anderen umstrittenen Star (z. B. Shia LaBeouf) sorgen dafür, dass der Film eine Vision transportiert und durchaus zu unterhalten vermag. Die flache Geschichte, der Hang zum pathetischen Philosophieren und die klischeehaften Figuren lassen „Megalopolis“ ins Melodram abgleiten. So sehr, dass man die Vision nicht mehr so richtig ernst nehmen kann. Und sich Gedanken einschleichen, ob dieser Film den Meisterstatus des Regisseurs gefährdet.
Fazit: „Megalopolis“ ist ein pathetisch-melodramatisches Epos (ohne epische Tiefe) in beeindruckenden Bildern.