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78.3% Bewertung
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    Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann

    ist Jacques Audiards neuestes Kinofeuerwek EMILIA PEREZ: Brutal, zärtlich, musikalisch und voller Schmerz und Schönheit! Das ist Kino in seiner bewegendsten und kreativsten Form.
    Zu Recht bereits jetzt ein viel beachtetes und ausgezeichnetes cineastisches Meisterwerk. Einzige Frage: Geht sich da auch noch der Oscar aus?
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    03.12.2024
    15:26 Uhr
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      Meisterwerk

      Leander Caine bringt es wieder einmal auf den Punkt: Ein cineastisches Meisterwerk. Aber auch das Filmplakat ist sehr gelungen. 👍
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      03.12.2024
      16:55 Uhr
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    Der bessere Joker!

    Stellt euch folgende Situation vor: ihr seid Anwältin in Mexiko, werdet entführt und dem mächtigsten Drogenboss im Land vorgesetzt. Klingt nach klassischem Gangsterthriller? Mitnichten! Der Award-Season-Überraschungshit Emilia Pérez ist nicht nur einer der großen Oscar-Kandidaten, Emilia Pérez ist der Name, den der mexikanische Kartellchef in seinem neuen Leben als Frau annimmt. Welch eine Wendung! Aber das war noch nicht alles, denn Regisseur Jacques Audiard komponiert dieses Transgender-Drama als Musical. Es geht um familiäre Geheimnisse und soziale Bindungen, um Selbstfindung und Reue – in einem Land, in dem jeden Tag Menschen verschwinden. Emilia Pérez ist kinetischer Tanz mit Empowerment-Songs, da werden Musikstile von Dance-Pop bis Mariachi gemischt, ist vorbildhaft inszeniert mit fantastischen Choreografien und farbenfrohen Outfits hinter artifiziellen Golden Hollywood Kulissen weit weg von Originalschauplätzen, stets am Rande kitschiger Fantasie oder witziger Satire, am Rande einer Werbe-Ästhetik. Als Musical, ja gar als Oper funktioniert Emilia Pérez gut. Doch bisweilen begegnen dem reißerischen Sog reißerische Stereotype: der Wandel vom männlichen Kriminellen zur weiblich-heroischen Heiligen verstärkt Geschlechtsunterschiede. Durch die körperliche Transformation ändert sich der Charakter der Hauptfigur, was jedenfalls eine problematische Aussage ist, da eine Vermischung zwischen biologischem und sozialen Geschlecht nicht mehr dem philosophischen Stand der Dinge entspricht. Außerdem mangelt es teils an Ernsthaftigkeit und das letzte Drittel ist zu schnell zu konstruiert. Insgesamt ein mäßiger Thriller, aber ein sehenswertes, innovatives Musical, das vor originellen Ideen sprudelt, mit einer sensationellen Zoe Saldana und mit der unwiderstehlichen Trans-Schauspielerin Karla Sofía Gascón. Als Musical über Identitätsfindung auf alle Fälle der bessere Joker!
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    20.11.2024
    09:33 Uhr
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    Geister eines anderen Lebens

    Was tut man nicht alles für seine Leidenschaft, in diesem Fall für jene für den Film: Tagwache 5 Uhr morgens. Kaffee, Zähneputzen und ab ins Kino, wo im Rahmen der Viennale um herrgottsfrühe Uhrzeit und auf weitestgehend nüchternem Magen Jacques Audiards neuer Geniestreich als Frühstücksersatz einem vollem Gartenbaukino vor den Latz geknallt wurde. Um nochmal die Analogie morgendlicher Nahrungszufuhr zu bedienen: Emilia Pérez darf sich gerne als Tische biegendes Buffet begreifen, es ist alles Mögliche dabei, von süß bis salzig, von scharf bis bitter. Dieser Film, der bei den diesjährigen Festspielen von Cannes vor allem bei den Darstellerinnenpreisen so richtig abräumen konnte, schenkt dem Kino wieder mal komprimierte Vielfalt. Noch dazu im dekorativen Gewand eines Musicals, wobei hier gesagt sei, dass ich als Muffel für diese Kunstform sehr wohl davon wusste und dennoch zum Ticket griff. Andererseits: auch wenn Gesangseinlagen den eigentlich ernstzunehmenden Erzählfluss verlassen, um den Show-Faktor zu pushen: Emilia Pérez ist aus meiner Sicht dennoch nichts, was man auslässt. Es kann gut sein, dass nächstes Jahr zu den Oscars neben Anora auch dieser Film ganz groß mitmischen wird, alleine schon wegen namensgebender Protagonistin, die sich zu Beginn des Films erstens mal ganz anders nennt und da noch längst nicht jene Person verkörpert, von welcher ein fieser Finsterling lange Zeit geträumt zu haben scheint.

    Mit diesem gewalttätigen Oberhaupt eines mexikanischen Drogenkartells ist kein bisschen zu spaßen, da muss eine wie Zoe Saldaña gar nicht genau wissen, was dieser einschüchternde Zampano alles auf dem Kerbholz hat – da reicht sein Anblick, so verkommen, verwegen und finster wirkt dieses Konterfei, welches Anwältin Rita Castro aus der Reserve lockt. Juan del Monte, kurz genannt Manitas, lässt seinem Gegenüber kaum eine andere Wahl als dieses Angebot, das sowieso niemand ausschlagen kann, anzunehmen. Doch dabei geht es weniger darum, Konten zu frisieren oder die Justiz zu manipulieren, sondern um etwas ganz ganz anders, viel Höheres und pikant Persönliches: Dieser Manitas steckt im falschen Körper. Nichts sehnlicher wünscht er sich, als eine Frau zu sein. Castro soll alles dafür Notwendige in die Wege leiten. Der Coup scheint aufzugehen, die Anwältin badet im Geld, der Drogenboss wird zur dunklen Vergangenheit, während wie aus dem Nichts Emilia Pérez ganz plötzlich die Bühne betritt. Jahre später nach der Umwandlung will die Transsexuelle nur eines: Ihre Familie zurück.

    Das klingt alles sehr nach einem Stoff, der aus dem Gedankengut eines Pedro Almodóvar hätte sprießen können und Assoziationen weckt zu seinem 1999 entstandenen Meisterwerk Alles über meine Mutter. Es wäre aber nicht Audiard, würde sich das queere Schauspielkino, was es im Kern sein will, nicht auch stilistische Anleihen aus dem lateinamerikanischen Melodrama mit denen des geerdeten Mafiathrillers verschränken. Die Wucht der Leidenschaft und des Herzschmerzes hält dann alle diese Komponenten zusammen, ihre expressiven Spitzen ereifert sich das Werk durch jene Gesangsnummern, die Zoe Saldaña oder Selena Gomez zum Besten geben. Hätte Emilia Pérez auch ohne den Faktor Musical funktioniert? Vielleicht wäre der Film dadurch beliebiger geworden, vielleicht gar weniger eigenständig, doch so genau lässt sich diese dramaturgische Alternative gar nicht durchdenken. Zu sehr mag man von Karla Sofía Gascón hingerissen sein, dieser einnehmenden Trans-Schauspielerin, die dank langjähriger Fernseherfahrung ihrem ersten Kinofilm diese melodramatischen Vibes verleiht, die Emilia Pérez womöglich auch ohne Gesangsnummern so eigenständig werden lässt. Dabei gehen vorallem die späteren Tracks so richtig ins Ohr, gerade der mehrstimmige musikalische Epilog bleibt noch lange Zeit haften.

    Jacques Audiard ist ein temperamentvolles Gesamtkunstwerk gelungen, das Schicksal schlägt dabei gnadenlos zu, die Weisheit belehrt uns am Ende mit ernüchternden Tatsachen. Eine zweite Chance, Reue, Wiedergutmachung – ein neues Ich ohne das Alte scheint in Emilia Pérez undenkbar. Das Vergangene ist die Basis des Neuen, ein Schlussstrich kaum zu ziehen, es sei denn, es ist der Tod. Als Mensch bleibt Emilia Pérez, sowohl als Mann oder als Frau, letztlich derselbe. Der Charakter, die Seele, sie lässt sich nicht neu erfinden.


    Mehr Reviews und Analysen gibt's auf filmgenuss.com!
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    12.11.2024
    17:45 Uhr
    • Bewertung

      Die Gesangseinlagen verlassen den Erzählfluss, um den Show-Faktor zu pushen?! - Echt jetzt? Ehrlich?
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      09.12.2024
      20:38 Uhr
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    Die unkonventionellste Geschichte dieses Jahres

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2024
    Ohne Vorwissen in einen Film hineingehen, kann die größten Überraschungen bereithalten. Auch auf den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes gab es zwei Beispiele, die davon sehr profitiert haben. Auf der einen Seite steht der substanzvolle Body-Horror „The Substance“, auf der anderen das Drama „Emilia Pérez“, welches schon allein einen Preis für die unkonventionellste Filmgeschichte des Jahres verdient.

    Darum geht's: Rita Moro Castro (Zoe Saldana) ist Anwältin und unterliegt einem System purer Korruption. Um nicht selbst ins Visier zu geraten, befolgt sie die vorgegebenen Anweisungen und so bleibt Klient für Klient (mal mehr, mal weniger kriminell) vor dem Gefängnis verschont. Als der Drogenbaron Juan „Manitas“ Del Monte (Karla Sofía Gascón) Zeuge ihrer Spitzfindigkeit wird, heuert er sie an, um eine neue Identität zu erlangen. Es handelt sich um Ritas größte Entscheidung ihres Lebens, doch hat sie überhaupt eine Wahl?

    Inkompatibles Kino?

    Die Gesetze im Kino zeigen sich an manchen Stellen ganz klar, die meiste Zeit bleiben sie jedoch eine Black Box, die es zu entschlüsseln gilt. Grundlegend kann man dabei fragen: Was funktioniert und was nicht? Nach diesem Ansatz (es ist nur einer von vielen filmwissenschaftlichen Zugängen) besteht die Kunst des Regisseurs darin, die unterschiedlichen Zutaten eines Films harmonisch zusammenzubringen. „Emilia Pérez“, von dem mir bis zur Cannes-Premiere vor wenigen Tagen kein einziges Wort und Bild zu Augen kam, hat mich vor diesem Hintergrund schwer beeindruckt. Die Zutaten in diesem Beispiel sehen auf den ersten Blick nämlich extrem inkompatibel aus. Das verwundert nicht, wenn man die Synopsis auf einen Satz herunterbricht: In dem Musical-Drama geht es um einen skrupellosen Drogenbaron, der sich einer Geschlechtsoperation unterzieht und anschließend als Frau ein neues Leben beginnt. So etwas gab es noch nicht einmal ansatzweise, schon allein in Hinblick auf die Kombination von Thriller, Drama, Musical und queeren Kino. Auch hier muss man also die Frage der Stunde stellen.

    Kann so ein Film überhaupt funktionieren? Wenn ich den Film nicht mit eigenen Augen selbst gesehen hätte, würde ich es vermutlich nicht glauben. Zu ausgefallen erscheint das Sujet, zu inkompatibel die einzelnen Komponenten, die Regisseur Jacques Audiard unter einen Hut bringen muss. Und sind wir mal ehrlich: Ist es nicht schon schwer genug, einen gelungenen Film nur über Gewalt, Vergebung und einen Neuanfang zu machen? Audiard, der schon mit „Der Geschmack von Rost und Knochen“ bewies, dass er ein Händchen für ausgefallene Geschichten besitzt, nahm sich dagegen einer echten Herausforderung an. Themen wie Selbstfindung, Geschlechtsidentität (inklusive der Frage, ob eine Geschlechtstransformation tatsächlich alle Probleme löst) und Vertrauen werden hinzugefügt, abgerundet von schrillen Musical-Einlagen. Es kann daher schon etwas dauern, bis man mit „Emilia Pérez“ warm wird.

    Wie Audiard all diese Komponenten grandios zusammenbringt, gleicht ebenfalls einer Black Box: Es scheint alles wenig kompatibel und doch funktioniert es. Nur schwer knackbar, präsentiert sich „Emilia Pérez“ als mutige Produktion und erweckt schon fast den Eindruck, dass es das Gangster-Transgender-Musical-Thriller-Drama als eigenständiges Genre schon lange gibt und nun perfektioniert wurde. Dies liegt auch an den Schauspielerinnen, die in der Lage sind, all diese Einflüsse in sich zu vereinen und allem auch gleichermaßen viel Raum zu geben. Allein der Umstand, dass man für dieses opulente Werk die passende Stimmung mitbringen muss, lässt sich als Schwachstelle ansehen. Insgesamt hat die Cannes-Jury jedoch gute Entscheidungen getroffen, indem sie den Preis für die besten Schauspielerinnen als auch den Jury-Preis an „Emilia Pérez“ vergeben haben.
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    25.05.2024
    20:48 Uhr