Forum zu She Came to Me

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4 Bewertungen
70% Bewertung
  • Bewertung

    Ein wilder Ritt

    Es ist wirklich unglaublich, wie viele verschiedene Figuren(konstellationen) und Handlungsstränge Rebecca Miller in "She Came to Me" unter einen Hut zu bringen versucht. Nach jedem Schnitt folgt zuerst ein Gefühl der Desorientierung: Wo sind wir denn jetzt schon wieder gelandet? Irgendwie soll es eine Liebesgeschichte sein, aber auch ein Musikfilm, ein Justizdrama und noch viel mehr, an das ich mich jetzt schon nicht mehr erinnere.
    Man könnte meinen, dass bei dem Staraufgebot um Peter Dinklage und Anne Hathaway zumindest die Hauptfiguren des Films klar sind, aber nicht einmal da ist sich "She Came to Me" sicher. Mit jeder Szene ändern sich die Protagonist*innen. Das ist insgesamt irgendwie schon ein faszinierendes Chaos, aber letztendlich führt es ins Leere.
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    03.03.2023
    10:22 Uhr
  • Bewertung

    Kommt ein Opernkomponist in eine Bar …

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Kommt ein Opernkomponist in eine Bar …
    Nicht der Beginn eines schlechten Witzes, sondern Ausgangspunkt für eine der charmantesten Liebeskomödien der letzten Jahre, die als Eröffnung der Berlinale 2023 ihre Weltpremiere feiert.

    Steven Lauddem (Peter Dinklage) leidet unter einer Schreibblockade. Die nächste Oper will und will einfach nicht das Licht der Welt erblicken. Seine unter Putzzwang leidende Ex-Therapeutin und Nun-Ehefrau Patricia (Anne Hathaway) versucht ihn zu unterstützen wo sie nur kann, ist aber selbst mit ihrer intensiven Beziehung zu Gott beschäftigt. Doch dann erhält Steven eine Muse in Form der sexsüchtigen Schlepperkapitänin Katrina (Marisa Tomei). Sein dunkelhäutiger Stiefsohn Julian verliebt sich dazu in die, ebenso wie er, wissenschaftsbegeisterte Tereza, die zufällig die Tochter von Stevens und Patricias polnischer Reinigungskraft Magdalena (Joana Kulig) ist. Deren erzkonservativer Ziehvater Trey (Brian d‘Arcy James) ein überambitionierter Gerichtsstenograf und Bürgerkriegsreenactor, hat da aber entschieden was dagegen. Chaos ist garantiert …

    Man muss sich diese Synopsis mal auf der Zunge zergehen lassen. Eine so bunte Figurenkonstellation erlebt man selten. Sie ist es auch wovon „She Came To Me“ lebt. Die Charaktere erhalten eine Tiefe, die in anderen Komödien ihresgleichen sucht.
    Rebecca Miller („Pippa Lee“, „Maggies Plan“) schrieb das Drehbuch auf Basis einer Kurzfilmidee, und manche Figuren sogar auf Basis realen Personen. Trotz all der Übertriebenheit fühlt sich nämlich dennoch alles erfrischend real an, was zusätzlich durch das bewusste Verzichten auf klischeehafte Comedymusik unterstützt wird.

    Musik prägt nichtsdestotrotz den Film. „The National“ Bandgründer und Komponist Bryce Dessner beschert uns einen sehr melodischen Score, der jede Szene so perfekt einführt, dass man echt mehrmals das Gefühl hat, die Schauspieler würden jederzeit in Gesang ausbrechen. Seine Intention war es laut eigener Aussage auch die Musik als treibenden Faden in der Geschichte zu verweben, eben wie bei einer Oper. Ich fragte bei der Pressekonferenz, ob es vielleicht je im Raum stand (nicht zuletzt durch die Thematik) das Ganze glatt als Musical zu inszenieren, hatte man doch eine Reihe sehr gesangsbegabter Akteure zur Verfügung. Wie die Regisseurin jedoch zugibt, war das nie ein Gedanke. Der Musiktheaterfan wird aber mit zwei grandiosen Operettenszenen beschenkt, definitive Highlights des Films. Außerdem wird der Abspann durch den eigens für den Film geschriebenen Song „Addicted to Romance“ von The Boss höchstpersönlich, Bruce Springsteen, bereichert.

    Die Darsteller leisten durch die Bank Großartiges, besonders hervor sticht jedoch Peter Dinklage, der zwischen all den exzentrischen Performances gerade durch eine pointierte Insichgekehrtheit glänzt.

    Eine so wilder Haufen geht dann leider mit einer gewissen Unfokussiertheit der Handlung einher. Anfangs ist gar nicht klar wer jetzt eigentlich im Mittelpunkt stehen soll, bis sich irgendwann die „Romeo und Julia“-esque verbotene junge Liebe als ein zentralerer Handlungsstrang etabliert. Sie erhält trotz für Jugendliche eigentlich ungewöhnlicher Ernsthaftigkeit, seltsamerweise ein bisschen weniger Tiefe, allerdings sind Teenagerromanzen im realen Leben ja auch bekanntlich nicht super tiefgründig. Jede Menge Situationskomik entschädigt den Zuschauer dafür aber allemal, und der Opernthematik wird das auch gerecht.

    Von ihrem Therapeuten erhielt Katrina einst den Rat, romantische Filme zu meiden, dies hier ist aber einer, den man dem Publikum getrost zumuten kann.
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    16.02.2023
    23:51 Uhr