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    Suzumes Reise ins Trauerland

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Eine wilde Kombination aus Fantasy, Roadmovie und emotionalem Drama in Animeform. Einer der schönsten Filme aller Zeiten und mein Festival Highlight.

    Suzume ist 17 Jahre alt und lebt bei ihrer Tante, sie hat vor Jahren ihre Mutter verloren. Als ihr zufällig ein geheimnisvoller Mann über den Weg läuft, zu dem sie sich hingezogen fühlt, wird sie in ein Abenteuer hineingezogen, bei dem gleichwohl ihr eigenes Schicksal, wie das ihrer Mitmenschen auf dem Spiel steht…

    Schon seit Gojira weiß man, Katastrophen in fantastischer Form zu verarbeiten ist im japanischen Kino nicht unüblich. Konkret widmet Anime-Meister Makato Shinkai dieses Werk der Erdbebenkatatstrophe Ost-Japans von 2011. Das verheerende Ereignis wird in allegorischer Form zu einer übernatürlichen Macht, die die gesamte Bevölkerung bedroht. Shinkei etabliert hier eine reichhaltige Fantasywelt und bediente sich dabei auch in der japanischen Mythologie.

    Mitten drin steht Suzume. Ab der ersten Minute sind wir bereits emotional involviert, als wir ihren tragischen Verlust miterleben müssen. Und einige Tränen sollen noch folgen. Nach und nach erfahren wir mehr über ihre Hintergrundgeschichte und wie sie mit der aktuellen Katastrophe in Verbindung steht.

    Gelacht darf natürlich zwischendurch auch werden. Typisch für das Medium füllt eine Reihe an, von herzig bis brüllend komisch reichenden, Nebenfiguren die Welt. Der heitere Aspekt eines Roadmovies, der dem Film ebenfalls anhaftet, balanciert ein wenig die Schwere, die er sonst ausstrahlt, aus. Entlang ihrer Reise wird uns die Vielfalt des Landes näher gebracht. Der Regisseur wollte hier das moderne Japan einfangen. Und es wäre selbstverständlich kein Anime, ohne jede Menge köstlich aussehendem Essen.

    Bei all der Fantastik wird sogar in gewissem Maße offen gelassen was alles wirklich passiert und was nur als Allegorie zu verstehen ist. Ich muss zugeben, dass ich noch nicht alles genau entschlüsseln konnte, es ist aber schlicht egal.

    „Suzume“ ist nicht nur thematisch wunderschön, sondern wortwörtlich. Die Bilder sind atemberaubend. Die Farben, die Komposition, die „Belichtung“, selten hat der Begriff „every frame a painting“ so sehr zugetroffen. In einer Zeit, in der der künstlerische Wert von Animation mittlerweile viel zu oft diskutiert wird, muss dieser Film, erneut, als enormes Statement verstanden werden.
    Sie ist eben nur ein Medium, kein Genre. Die „Cinematography“ (die ja im Deutschen noch um einiges unfairer lediglich als „Kamera“ bezeichnet wird) ist außergewöhnlich. Und auch für seinen Schnitt, wo Animation traditionell eher vernachlässigt wird, wäre der Film vermutlich in aller Munde, wäre er eine 1:1 umgesetzte Realverfilmung.

    Neben dem Auge wird auch das Ohr bedient, mit einer der berührendsten Filmmusiken, die ich je hören durfte. Selbst in einer eigentlich eher weniger emotionalen Dialogszene, war ich rein von der Melodie so ergriffen, dass die Augen direkt wieder feucht wurden.

    Als jemand, der nie besonders tief im Thema Anime verankert war, hat mich „Suzume“ womöglich mit einem einzigen Schlag bekehrt und schickt mich nun auf meine eigene Reise, der ich freudig entgegenblicke.
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    27.02.2023
    11:39 Uhr