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    Larger than life

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    „Still: A Michael J. Fox Movie“ ist eine Dokumentation über den Schauspieler und Mensch Fox. Regie führt Davis Guggenheim, der Fox auch privat kennt und mit Elisabeth Shue, der Film-Freundin von Fox in „Zurück in die Zukunft“, verheiratet ist.

    Zunächst einmal: Wenn man Michael J. Fox zum Mittelpunkt einer Dokumentation macht, dann ist das mehr als nur die halbe Miete. Es gibt wenige Schauspieler oder generell Menschen in der Öffentlichkeit, Prominente, die so dermaßen geliebt werden und so wenig kontroversiell sind wie eben Fox. Er war der Held einer Generation von Menschen, deren Generation auch ich angehöre. Und fast jeder, dem ich erzählt habe, dass ich über Sundance berichten werde, hat mich gefragt: Siehst du da auch den Michael J. Fox Film? Michael J. Fox umgibt eine Aura, die über den Status Schauspieler weit hinausgeht. Man hat das Gefühl, mit ihm befreundet sein, ihn in seinem Leben haben zu wollen. Insofern hatte Guggenheim relativ leichtes Spiel, aber deshalb möchte ich auch ein bisschen differenzieren, zwischen der Person Michael J. Fox, die porträtiert wird und der Dokumentation an sich.

    Wir erfahren einiges von Fox, dass wir so vielleicht noch nicht wussten. Er war ein kleines Kind, bald körperlich kleiner als seine drei Jahre jüngere Schwester und er sah auch immer jünger aus. Bereits als Teenager ging er – mit Unterstützung seines Vaters – nach Hollywood, um dort sein Glück zu versuchen. Und fast wäre er gescheitert. „Family Ties“ war sein letzter Versuch in der Branche Fuß zu fassen und beinahe hätte er auch diese Rolle nicht bekommen, denn der Produzent war dagegen ihn zu besetzen. Als Alex B. Keaton richtete sich der Fokus allerdings schnell auf ihn, obwohl die Serie ursprünglich eher die Eltern porträtieren sollte. Weil „Family Ties“ so großen Erfolg hatte, wurde Fox für „Zurück in die Zukunft“ gecastet, und musste diesen Film dann vornehmlich nachts drehen, tagsüber ja die Sitcom.

    Fox war am Zenit seines Erfolgs, als bei ihm mit 29 Jahren Parkinson diagnostiziert wurde. Diese Diagnose hielt er lange geheim, behalf sich mit ständiger Medikation, um auf den Filmsets nicht auffällig zu werden und einiger Tricks, die er in der Doku schildert. Als er schließlich in einer weiteren Serie – „Spin City“ – erfolgreich war, hatte er auch sein Parkinson-Coming Out. Die Doku zeigt Ausschnitte aus jener beeindruckenden Folge, eine der ersten, die nach dem „Outing“ gezeigt wurde, in der Michael J. Fox praktisch die ganze Zeit Rollschuh fährt. Fast um wie allen zu zeigen: Ich lebe noch, ich bin noch derselbe, ich lasse mich nicht unterkriegen.

    Michael J. Fox geht in eindrucksvoller Weise mit seiner Krankheit um. Weder ist er verbittert über sein Schicksal und versinkt im Alkoholismus, der durchaus damals ein Thema war; seine Frau Tracy Pollan unterstützte ihn beim Entzug. Noch erklärt Fox dem Publikum in „White-washing“ Manier, dass ihn die Krankheit zu einem besseren Menschen gemacht hätte. Nein: Er sagt, es wäre Scheiße, aber er lebt jetzt halt damit. Er arbeitet viel mit Ironie, als er etwa Comedian Larry David Kaffee serviert, dabei einen Teil davon verschüttet und ihn David gespielt genervt ansieht: „Es ist meine Krankheit“ Zwinker. Aber die Doku zeigt auch, wie Fox fast täglich stürzt, gegen Möbelstücke läuft, sich auf mannigfaltige Art und Weise verletzt. Er macht trotzdem einfach weiter.

    Zur Arbeit von Guggisheim ist zu sagen: Ja, die Doku heißt „Still“ und spielt natürlich damit, dass Michael J. Fox nie wirklich ruhig war. Weder als Kind und Jugendlicher, an der Grenze zur Hyperaktivität, noch jetzt natürlich, mit seiner Diagnose. Das bedeutet aber nicht, dass diese Doku permanent so hektisch (geschnitten) sein müsste und dem Publikum kaum eine Verschnaufpause gönnt, vor lauter Reizüberflutung. Ob jedes Lebensereignis von Fox mit TV- und Filmszenen von früher illustriert sein muss, daran habe ich meine Zweifel, auch wenn akribische Recherchearbeit dafür nötig war. Am stärksten ist „Still“ dort, wo Michael J. Fox einfach nur dasitzt und erzählt und kleine Einblicke in seinen Alltag gibt. Wo er sich zeigt, wie er heute lebt, oft ohne seine Symptome permanent zu unterdrücken. Mehr davon hätte der Doku gutgetan.

    Alles in allem ist „Still“ aber natürlich trotzdem sehenswert, in erster Linie aufgrund der nach wie vor enorm faszinierenden Hauptperson.
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    01.02.2023
    22:11 Uhr