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    Die Frage bei den Disney Live-Action Remakes ist ja immer das „Warum?“
    Warum einen Klassiker einfach neu machen, wenn man absolut nichts neues zu erzählen hat? Oder etwa doch?

    Jein. Im Großen und Ganzen ist es wirklich 1:1 dieselbe Geschichte, und da fragt man sich wie der Film fast eine Stunde länger dauern kann. Mein Hauptkritikpunkt beim Original war ja immer, dass die Liebesgeschichte (selbst für ein Musical) zu schnell und zu unglaubwürdig daher kommt. Darin diesen Fehler zu beheben fließt ein Großteil der zusätzlichen Laufzeit. Und das erfolgreich, wie ich finde. Dieses Mal hab ichs geglaubt und gefühlt. Prinz Eric kriegt zu diesem Zweck auch mehr Backstory, mehr Motivation und sogar einen eigenen Sehnsuchtssong (dazu aber gleich mehr). Auch der „Romeo und Julia“-esque Konflikt zwischen Mensch und Meervolk wird ein bisschen besser ausgespielt wie ich finde, er bekommt von beiden Seiten etwas mehr Tiefe verliehen.
    Ebenso können durch die „Gnade der späten Produktion“ ein paar Logiklöcher des Originals ausgebessert werden. Die Verlagerung des Schauplatzes in die warme Südsee verleiht der bunten Unterwasserwelt nun auch mehr Sinnhaftigkeit und sorgt dahingehend für optisch sehr ansprechende Sequenzen. Lediglich eine wirklich signifikante Änderung fällt auf, die ich hier natürlich nicht verraten will, die aber jemand, der die Remakes, seit längerem verfolgt, sicher erahnen wird (Stichwort „Female Empowerment“). Ich finde, dass sie weder stört, noch irgendwas besser macht, aber sicher denselben Leuten sauer aufstoßen wird, die mit der Hautfarbe der Protagonistin ein Problem haben.

    Die stört nämlich definitiv nicht, im Gegenteil. Halle Bailey ist einer der Lichtblicke des Films, schauspielerisch, wie gesanglich Top Casting. Nach ihrer Darbietung von „Part of your world“ fällt es echt schwer nicht wie in einer Live Show in Applaus auszubrechen. Melissa McCarthy als Ursula funktioniert für mich großartig. Daveed Diggs als Krabbe „Sebastian“ sorgt für jede Menge Humor und Javier Bardem macht was Javier Bardem halt macht, kriegt dafür aber auch nicht mehr Screentime als König Triton im Original. Nur Awkafina als Möwe „Scuttle“ hätte ich nicht gebraucht, ich bin aber zugegeben einfach kein Fan von ihr.

    Die Legitimität aller Remakes hab ich ja immer damit entschuldigt, dass mir „Aladdin“ „Speechless“ beschert hat, einen der besten Disney Songs aller Zeiten. Leider kann ich das hier nicht behaupten. Erics „Wild Uncharted Waters“ reicht leider bei weitem nicht an die Klassiker heran und hab ich 5min später schon wieder vergessen. Die Rap-Einlage „Scuttlebutt“ geht ja mal gar nicht (was aber wie bei der Darbieterin Awkafina einfach nur persönlicher Geschmack ist). Nur Arielle‘s neuer Song „For the first time“ kann ein klein wenig Disney Magie versprühen, verliert aber etwas von seiner Wirkung, da er angesichts ihrer verloreren Stimme aus dem Off ertönt. Von einem DER Highlights, einer zusätzliche Reprise von „Part of your world“, hat man bis jetzt dagegen nie gewusst, wie sehr man sie eigentlich vermisst hat.

    Im Gegensatz zu der vorher erwähnten Änderung wäre wirklich Potential da gewesen das „Female Empowerment“ hochzufahren, indem man mit dem „Kuss der wahren Liebe“ Klischee gebrochen hätte. Aber dann hätte man auch „Kiss the girl“ streichen müssen. Feminismus schön und gut, aber nicht wenn er der guten alten Nostalgieausschlachtung im Weg steht.

    Die Effekte, im Trailer noch etwas seltsam, sehen auf der großen Leinwand echt beeindruckend aus. Nicht auf Avatar 2 Niveau aber doch sehr überzeugend. Wie bei „The Lion King“ verlieren leider alle tierischen Figuren durch die photorealistische Darstellung komplett ihren Charakter, nur bei Sebastian ist der in Zügen zu spüren, denn der sieht lange nicht so furchtbar aus wie erwartet.
    So kann man (genau wie bei „I just can’t wait to be king“) einerseits bewundern, wie sie es geschafft haben „Under the sea“ mit einer realitätsnaheren Choreografie umzusetzen, andererseits dadurch den Pomp des Originals vermissen.

    Zusammengefasst zeigt „The Little Mermaid“ also alles, was bei den Neuverfilmungen gut UND schlecht läuft.
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    30.05.2023
    23:51 Uhr
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    Arielle reloaded

    Der Zeichentrickfilm mit der Märchenvorlage von Hans Christian Andersen war 1989 mein erster Walt Disney im Kino. Ich war begeistert von der Meerjungfrau, den Liedern und der Animationstechnik. Genau so ist es mir nun mit der Live-Action-Verfilmung ergangen. Arielle wird von der bezaubernden Halle Bailey gespielt und zwar so überzeugend, dass man sich keine andere Schauspielerin in dieser Rolle vorstellen mag.
    Weil der Streifen fast eine Stunde länger dauert als das Original bekommen die unterschiedlichen Figuren mehr Raum für Tiefe und Charakterentwicklung. Als Zugabe gibts 3 neue Songs. Rob Marshall bringt mit Charme und Witz das Filmmusical zurück auf die Leinwand.
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    26.05.2023
    11:46 Uhr
  • Bewertung

    Noch einmal-Erzählung mit Charme

    Ich kenne kaum eine Geschichte, die schon so oft und in so vielen Varianten erzählt wurde wie jene von der Kleinen Meerjungfrau von Hans Christian Andersen. Die Berühmtheit der Geschichte und der unglücklich verliebten Meerjungfrau hat der Stadt Kopenhagen, der Heimatstadt von Andersen, viel Tourismus eingebracht, denn alle wollen sie sehen, wie sie traurig aufs Meer hinausblickt. Unter den zahlreichen Verfilmungen sticht vor allem jene heraus, die die Walt Disney Studios vor rund 30 Jahren als Zeichentrickfilm herausbrachten. Die Musik von Alan Menken, die lustigen Tiere und die Liebesgeschichte eroberten die Herzen vieler Kinobesucher*innen auf der ganzen Welt. Seit ein paar Jahren macht sich Disney daran, die größten Erfolge aus der Zeichentrick-Ära als Realverfilmung neu heraus zu bringen. Und nach dem "Dschungelbuch", dem "König der Löwen", "Die Schöne und das Biest" und "Aladdin" war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Arielle in Fleisch und Blut wieder im Kino zu sehen sein würde.

    Herausgekommen ist dabei eine vor allem technisch stark weiterentwickelte Neufassung, die die Unterwasserwelt in all ihren Farben auf der Leinwand zum Strahlen bringt. Auch bei einigen Details der Geschichte hat man da wie dort kleine, aber sehr zurückhaltende Anpassungen gemacht: wie wichtig es ist, Tiere mit Respekt zu behandeln, wie sehr das Meer unter den Schiffswracks (und auch dem Müll der Menschen) leidet - aber es sind nur kurze Momente, auf die man genau achten muss. Die größte Veränderung auf der visuellen Ebene ist aber Arielle selbst: nicht mehr blass und mit roten Haaren, sondern dunkelhäutig und mit Rasta-Zöpfen. In Ansätzen selbstbewusster als im Zeichentrickfilm, aber keinesfalls so emanzipiert wie Emma Watson als "Belle" in "Die Schöne und das Biest". Größtenteils aber hat Halle Bailey in der Hauptrolle die Aufgabe, hübsch zu lächeln, Kulleraugen zu machen und viel und oft (dafür aber sehr, sehr schön) zu singen. Die Liebesgeschichte ist die Gleiche geblieben, mit ein paar zusätzlichen Szenen, die aber mehr der Laufzeit des Filmes weiter helfen als der Story. Stichwort Länge: 135 Minuten für einen Stoff, der für 80 Minuten reicht, merkt man schon. Aber man kann sich meistens mit wirklich schönen Bildern trösten, den bekannten Songs zuhören oder im Geiste mitsingen. Die Arielle aus 2023 ist keine vergeudete Zeit, aber wer die Geschichte schon kennt, weiß von vorne herein, wie sie ausgeht und welche Wendungen sie nehmen wird.
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    25.05.2023
    22:39 Uhr
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    Vergeblich gesucht: Meer-Wert und Mehrwert

    Exklusiv für Uncut
    Eine gigantische CGI-Mensch-Hybrid-Krake, die im Ozean-Suppentopf rührt. Kitschige Strandspaziergänge in exotischer Atmosphäre. Platte Dialoge aus dem Glückskeks-Einheitsbrei. Was haben diese Elemente gemein? Richtig! Sie sind Teil des Live-Action-Remakes „Arielle, die Meerjungfrau“. Ganz in postmoderner Tradition setzt Disney ihre Realfilmreihe bekannter Zeichentrickklassiker fort. Wo „Dschungelbuch“ und „Die Schöne und das Biest“ interessante Elemente beinhalten, reiht sich „Arielle“ bei schlechten Vertretern wie „Aladdin“, „Mulan“ oder „Dumbo“ ein. Ein Schelm, wer dabei denkt, Disney hätte statt cineastischem Anspruch nur Vermarktung, Zielgruppenausbau und Erlösoptimierung im Sinn. Wie konnte es bei „Arielle“ so weit kommen?

    Niemand hat gesagt, dass es leicht wäre, einen Unterwasser-Musical-Realfilm zu drehen. Disney war sich dessen bewusst und installierte mit Rob Marshall einen musicalerprobter Regisseur, der zuletzt den durchwachsenen „Mary Poppins Returns“, aber 2002 auch den sehenswerten „Chicago“ drehte und gar für einen Oscar nominiert wurde. An seine Seite gesellt sich niemand geringerer als „Hamilton“-Mastermind Lin-Manuel Miranda. Hauptsächlich als Produzent verantwortlich, wirkt er im Hintergrund zusammen mit Disney-Genius Alan Menken auch an der Musik. Menken hat die Songs für den Großteil der Zeichentrickklassiker aus der 90er-Disney-Renaissance geschrieben. Beide trauen sich für das Remake allerdings nichts Neues und vorab: das gilt für den ganzen Film.

    Die Crew gestaltet sich also vielversprechend. Als größte Schwierigkeit wurde die Unterwasser-Optik ausgemacht, die aber überraschenderweise nicht negativ ins Gewicht fällt. Die Kamerafahrten zu Beginn erinnern zwar an Windows95-Bildschirmschoner oder Werbefilmchen auf Fernsehgeräten im Elektrohandel. Wer ein CGI-Schauer-Trauerspiel à la „Cats“ erwartet, wird eines Besseren belehrt. Weder Flossen noch Tiere lassen Haare zu Berge stehen.

    Solide sind auch einige Schauspielleistungen. Das kontrovers diskutierte Spielfilmdebüt von Halle Bailey ist geglückt. Sie verkörpert Arielle mit großen neugierigen Augen und einer starken Stimme. Javier Bardem als Triton ist unterfordert, überzeugt dennoch. Obwohl er bisweilen einer Jesus-Ikonographie mit Dornenkrone ähnelt. Zumindest in Ansätzen humorvoll ist die Beziehung zwischen Sebastian und Scuttle - Hamiltons schnellster Rapper Daveed Diggs und Sängerin Awkwafina sind in guter Form. Beide rappen das einzige interessante Lied, den Scuttlebutt, bei dem Lin-Manuel Mirandas Potential deutlich hervorsticht. Leider eine vertane Chance, dieses nicht öfter zu nutzen. Ein kompletter Reinfall ist Melissa McCarthy als Antagonistin Ursula. Von Schauspiel und Gesang kann hier keine Rede sein.

    Während sich die erste Filmhälfte stark an den Zeichentrickfilm anlehnt und Arielles Liebe für die Menschenwelt, Tritons Strenge sowie die Rettung Erics durch Arielle zeigt, weitet das Remake die romantische Annäherung zwischen Eric und Arielle in der zweiten Hälfte deutlich aus. Hier wünscht man sich die inszenatorische Langeweile aus der ersten Hälfte zurück, in der teils die identischen Bilder aus dem 1989er-Original verwendet werden. Denn Romantik und Gefühle sucht man vergebens. Rosamunde Pilcher und Seifenopern sind nicht weit. Plötzlich sind wir in einem Groschenroman, in einem Urlaubsfilm, der vor Kitsch trieft. Eric liest Arielles Namen in den Sternen, sie fahren mit einer Kutsche durch die Dünen und besuchen ein exotisches Strandfest. Herzlich willkommen im Werbevideo eines Kuba-Urlaubes. Passend dazu muss das Publikum nie mitdenken. Dass wir nach der Verwandlung Ursulas in ihr Alter Ego Vanessa, mit der sie Eric für sich gewinnen möchte, nochmal Ursula und Vanessa im Spiegel sehen, ist ein großes Glück. Damit auch die letzte Person im Kinosaal versteht, was hier passiert. Alles auf dem Silbertablett serviert, eigenes Denken: nicht notwendig.

    Es wäre so viel mehr drin gewesen. Abgesehen von der Mutlosigkeit im Hinblick auf die laue Aufwärmung alter Lieder auch im Inhalt: Eine feministische Aktualisierung, Aufbrechen der Heteronormativität, charakterliche Tiefe, ein Plädoyer für den Schutz der Meere, gegen Überfischung. Nichts. Das Remake spult die bekannte Leier ab, traut sich nichts. Wie auf einem Reißbrett konstruiert Disney einen Film, der sowohl Fans zufriedenstellen als auch neue Zielgruppen finden soll, letztlich aber beides verliert. Die unplausiblen Motive und Logiklöcher machen das Original schon schwerfällig, in der Verfilmung mit echten Menschen werden sie zur Farce.

    Fazit: Generische Effekte, kitschig wie eine Urlaubswerbung, altbacken, dramaturgisch mutlos, musikalisch unkreativ, gesellschaftlich uninteressant, mit 135 Minuten langatmig, inszeniert auf dem Niveau eines sonntäglichen TV-Films. „Arielle“ überzeugt auf kaum einer Ebene – bis auf wenige Gesangseinlagen und ein gutes Schauspieldebüt. Ein Film ohne Mehr- oder Meerwert, der sich Hoffnungen auf Goldene Himbeeren machen kann.
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    23.05.2023
    20:35 Uhr