3 Einträge
10 Bewertungen
85.5% Bewertung
  • Bewertung

    Über die Magie des Filmemachens

    Steven Spielberg hat der Welt des Filmes viele unvergeßliche Klassiker geschenkt: große Blockbuster, weniger erfolgreiche, aber teure Filme und den einen oder anderen verhältnismäßig kleinen, aber feinen Film, in dem er sein Gespür für das Erzählen einer Geschichte unter Beweis stellt. Wenn er nicht unter dem Druck des kommerziellen Erfolges dreht entstehen solche Filme wie dieser: warmherzig, mit feinem jüdischen Humor und der unverhohlenen Begeisterung für das Filmen und das Kino. Ohne jeden Zweifel ist es klar, dass "Die Fabelmans" viele Elemente aus dem Leben von Spielberg selbst erzählen, besonders dann, wenn es um die Faszination und die Magie des Kinos und des Filmens geht. In diesen Szenen vermag der Film besonders zu berühren, doch auch insgesamt geht von der Geschichte und wie sie erzählt wird eine große Magie und Liebe des Filmemachens aus, die sehr sympathisch beim Publikum ankommt. Wie bei jeder Rückschau auf längst vergangene Zeiten bleibt eine gewisse retrograde Amnesie sicher hier auch nicht aus, aber die Geschichte mit all den liebevoll gezeichneten Charakteren geht auf eine sehr angenehme Art zu Herzen.
    uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
    14.01.2024
    10:08 Uhr
  • Bewertung

    Der Horizont des Filmemachers

    Wie coacht man eigentlich die eigene Meinung zu einem Film, der bei Publikum und Kritikern bereits als Klassiker hofiert wird? Ist es da überhaupt möglich, die eigene, vielleicht gänzlich andere Meinung für sich selbst zu akzeptieren, wenn der Druck von außen, das Werk gut finden zu müssen, langsam unerträglich wird? Leicht ist das nicht, sich von all dem loszulösen, was in der Meinungsfindung befangen macht oder die Sicht auf das gerade Sehende beeinflusst. Am besten nichts mitbekommen, doch das klappt nur selten. Zwischen Das muss auch mir wahnsinnig gut gefallen und Das gefällt mir genau deswegen nicht mag die Treibjagd der eigenen Meinung losbrechen. Objektiv subjektiv zu bleiben: vergesst es.

    Wie man auch zu welchem Entschluss kommt – es geht schließlich nur um Filme. Doch Filme können ein Leben sein. Oder das Leben beeinflussen. Auf jeden Fall sind sie leicht das Objekt einer – wie zum Beispiel meiner – Leidenschaft. Oder die des Steven Spielberg – nur vom anderen Ende aus betrachtet, vom anderen Punkt am Horizont, der tunlichst nicht in der Mitte liegen darf, denn sonst ist es „scheißlangweilig“.

    Spielberg zählt für mich zu den aktuell besten Regisseuren der Welt. Ich würde sogar so weit gehen, ihn als ein Universalgenie zu bezeichnen, ein bisschen wie ein Leonardo, der nichts unversucht lässt; der sich in jedes Genre wagt, auch wenn es nicht unbedingt sein Steckenpferd ist. Der aber mit einem natürlichen Gespür für die goldene Mitte des Regieführens so gut wie immer überzeugt. Außer bei 1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood vielleicht. Doch auch sowas macht einen Virtuosen wie ihn nur menschlich.

    So menschlich wie virtuos ist auch The Fabelmans – Spielbergs Autobiografie in Bildern und ganz vielen erhellenden Worten, die damals wohl so oder ähnlich gefallen sind. Sie haben ihn die Dinge so sehen lassen, wie er sie vielleicht heute noch sieht. Sie haben ihn erkennen lassen, was Kunst eigentlich ist und wo ein Künstler seine Prioritäten setzen muss, um ganz oben anzukommen. Ruhm und Ehre sind dabei willkommene Türöffner, die das nötige Kleingeld lukrieren, um das geliebte Handwerk auch zu leben. Ein Handwerk, dass beim Super8 Film beginnt – bei der kleinen, tonlosen Kamera, die alles einfängt, was es wert ist, festgehalten zu werden: Zum Beispiel eine glückliche Familie.

    Den Fabelmans scheint ja anfangs die Sonne aus dem Allerwertesten, dass es fast schon kitschig wirkt. Oder als hätte Wanda Maximoff eine neue Realität erschaffen. Doch wie so meistens trügt auch hier der Schein einer heilen Welt – all die Risse ziehen sich erst nach und nach durch dieses turbulente Harmoniebedürfnis, welches vor allem Mama Mitzi Fabelman (Michelle Williams) wie ein Zepter ganz hochhält – ist sie doch diejenige, die mit den meisten Dämonen zu kämpfen hat. Neben drei quirligen Schwestern und einem beruflich zukunftsorientierten Papa (Paul Dano) bleibt dem jungen Sammy (eine Entdeckung: Gabriel LaBelle) die früh entdeckte Leidenschaft für die inszenierte Illusion, für den Special Effect und all die Tricks, als wäre er sein eigenes ILM-Studio. Mit dieser Begeisterung hat er bald eine ganze Crew am Start – die Freude am Tun endet aber jäh, als Sammy hinter ein Geheimnis kommt, welches die ganze Familie wohl in ihren Grundfesten erschüttern wird.

    Anfangs ist die scheinbar biedere Fifties-Handschrift Spielbergs ja geradezu regressiv. Doch auch ein Meister wie er braucht so seine Zeit des Warm-Ups, um gerade einen Stoff, der ihn persönlich mit allerlei Emotionen wird aufgeladen haben, in gewohnter Professionalität umzusetzen. Und dann, wenn die ersten Filme über die hauseigene Leinwand flimmern, beseelt Spielberg seine Reise ins frühe Ich mit ganz viel Esprit, Gefühl und weisem Verstand. Und Respekt vor allen, die ihn zu dem gemacht haben, der er heute ist. Seine geliebte Mutter, sein geliebter Vater – The Fabelmans ist eine Widmung an sie beide. Und vielleicht auch an John Ford, der ihm diesen einen Moment der Erleuchtung beschert. The Fabelmans ist eine Danksagung an all die Umstände, auch an all die Entbehrungen, aber auch an all das Glück, getan haben zu dürfen, wonach ihm der Sinn stand.

    In der gewohnten, aber unverwechselbaren Bildsprache Janusz Kamińskis ist ein sensibles, sehr privates Werk entstanden, ohne jegliches Tamtam aus Fantasy, History oder Science-Fiction. Fast schon mutet The Fabelmans wie ein Independentwerk an, so ungefällig kommt es daher, so intim mutet es an. Und manchmal wäre es dem Film lieber, er liefe unter Ausschluss der Öffentlichkeit, nur im Kreise der Familie. Das muss nicht sein: Spielberg kompromittiert oder beschämt niemanden. Seine Erinnerungen sind voller Anstand, aber auch voller Selbsterkenntnis. Zum Beispiel jener, selbst ein Egoist zu sein. Falco hat mit seinem Song wohl recht gehabt, zum Egoisten muss man taugen, auch wenn es schmerzt. Diese ehrliche Kritik ans Ego zeugt von Reife. Auch die Diskrepanz zwischen Realität und Fiktion, und wie sich das Medium Film ausnutzen und benutzen lässt. Das ist Weisheit vom Fach, irgendwo zwischen American Graffiti und Wunderbare Jahre, nur ohne Stimme aus dem Off.

    Auch wenn Filme wie Babylon – Rausch der Ekstase, Final Cut of the Dead oder Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind die Essenz des Filmemachens oder die Geschichte des Kinos zelebrieren, ist The Fabelmans doch nicht darauf aus, mit Getöse, flirrenden Bildern und üppiger Nostalgie einem globalen Kulturphänomen zu huldigen. Spielbergs Film ist Besinnung, eine innere Einkehr. Zu und für sich selbst, und nicht für das große Ganze.


    Mehr Reviews und Analysen gibt's auf filmgenuss.com!
    filmgenuss_logo_quadrat_2a3baf4bcc.jpg
    10.03.2023
    15:47 Uhr
  • Bewertung

    Ein bewegtes Leben in bewegten Bildern

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Ohne Steven Spielberg würde die heutige Kinolandschaft wahrscheinlich ganz anders aussehen. Der in Cincinnati geborene Filmemacher, der ursprünglich der New-Hollywood-Bewegung entsprang, gilt als einer der großen Pioniere des Blockbusters. Seinem 1975 erschienenen Kassenschlager „Der Weiße Hai“ wird sogar nachgesagt, diesen bis heute in Verwendung befindlichen Terminus erst ins Leben gerufen zu haben. Spielberg leitete die Ära des sommerlichen Eventkinos ein, das Abermillionen von Zuschauerinnen und Zuschauern in die Sitze bewegte, und bestückte dieses über die Jahre mit zeitlos gealterten wie tricktechnisch revolutionären Meilensteinen á la „Close Encounters of the Third Kind“ (1977), „Indiana Jones“ (1981) oder „Jurassic Park“ (1993). Fälschlicherweise wird Spielberg vielerorts weiterhin in die Kategorie der handelsüblichen Kinohandwerker gesteckt. Dabei schlummert hinter der oberflächlichen Fassade weit mehr als lediglich ein braver Craftsman: und zwar ein Regisseur mit vielerlei stilistischen Eigenheiten, wiederkehrenden Motiven und einer großen Portion Persönlichkeit. Etwas, das man von gegenwärtigen Trittbrettfahrern nur schwer behaupten kann. Demnach ist er das seltene Beispiel eines waschechten Auteurs mit Gespür für Massengeschmack. Kunst und Kommerz verschmelzen in seinem Werk zu einem leicht verdaulichen, aber dennoch köstlich schmeckenden Vier-Gänge-Menü. Für seinen neuesten Film hat der zweifache Oscarpreisträger den Bombast aber gänzlich zur Seite geschoben und gibt intimere Einblicke in sein emotionales Innenleben denn je zuvor. Das für sieben Oscars nominierte Drama „Die Fabelmans“ basiert nämlich auf der eigenen Kindheit und dem künstlerischen Werdegang des Ausnahmefilmemachers.

    Aus Steven Spielberg wird Sammy Fabelman (als Kind: Mateo Zoryan Francis-DeFord, als Erwachsener: der großartige Newcomer Gabriel LaBelle), der als einziger Sohn einer mehrköpfigen, jüdischen Mittelstandsfamilie im New Jersey der 1950er aufwächst. Schon in frühen Kindheitstagen entwickelt er eine große Leidenschaft fürs Kino. Als er den Entschluss fasst, diese Faszination zum Beruf zu machen, zeigen seine Eltern zunächst gemischte Gefühle. Vater Burt (Paul Dano: begeistert in einer ungewohnt zurückhaltenden Rolle) sieht es als wenig mehr als einen Zeitvertreib - ein Hobby, dem Sammy wohl früher oder später entwachsen dürfte. Mutter Mitzi (Michelle Williams: spielt als wohl tragischste Figur groß auf), die selbst nie ihren Traum, eine Konzertpianistin zu sein, ausleben durfte, steht hingegen voll und ganz hinter der Passion ihres Sohnes. Das mehrere Jahre umspannende Drama schildert den Weg vom anfänglichen Kinoliebhaber hin zum ernstnehmenden Hobbyregisseur mit reichlich Potenzial für mehr. Das Filmemachen wird für Sammy zum Ventil zur Verarbeitung privater Krisen und Traumata.

    Was in den falschen Händen in ein fragwürdiges Produkt eitler Selbstbeweihräucherung hätte ausarten können, wird unter der Feder von Spielberg und seinem Co-Autor Tony Kushner zu einer aufrichtig erzählten Hommage an die unbändige Kraft des Filmemachens. Und diese birgt, wie hier deutlich gemacht wird, gewiss nicht nur Schokoladenseiten. Der Hauptkonflikt basiert auf der tatsächlich geschehenen Scheidung von Spielbergs Eltern – ein Resultat einer Affäre zwischen Mama und einem langjährigen Familienfreund wie Arbeitskollegen des Vaters (hier verkörpert von Seth Rogen: überzeugt als warmherziger Gegenpol zum stoischen Papa). Und im Film bekommt der jugendliche Sammy, wie könnte es anders auch sein, über selbstgedrehtes Filmmaterial unfreiwillig von dieser Wind. Eine furchtbare Entdeckung, die der Teenie lange für sich behielt und die ihm auch als Inspiration für frühe Filmeexperimente diente. Die Erschütterung dieser Entdeckung wird in einer der Kernmomente mitreißend inszeniert. Selbst die größte Leidenschaft kann zum blanken Horror mutieren.

    Dieser Horror wird auch in den Momenten deutlich, in denen Spielberg seine eigene jüdische Identität und damit verbundenen, antisemitische Tiraden aus High-School-Tagen verarbeitet. In einer besonders beeindruckenden Sequenz lässt er seinen eigenen Mobber, ein blonder Mann mit blauen Augen, samt nahezu Riefestahl-esquem Heldenkitsch ironisch zum gesellschaftlichen Idealbild verklären. Ein medial weiterhin häufig vermittelter Idealtypus, dem ironischerweise selbst Spielberg als Mann, der den uramerikanischen Pathos perfektioniert hat, bereits zum Opfer gefallen ist – ob nun gewollt oder nicht. Nun mal gibt er den Massen das, was sie scheinbar sehen wollen. Und eben die Widersprüchlichkeiten, die diesem Moment zu Grunde liegen, machen die Szene zu einer der faszinierendsten in Spielbergs mehr als 50 Jahre umfassender Karriere.

    Von einer reinen Verteufelung des Mediums ist das autobiografische Drama aber weit entfernt. In erster Linie zelebriert es die Aufregung, die mit dem Prozess des Filmemachens und -schauens verbunden wird – eben das Erschaffen von atemberaubenden Scheinwelten, die ein künstliches, idealisiertes Spiegelbild der Realität abbilden. Ein Prozess, der die engsten Träume und Wunschvorstellungen auf der Leinwand zum Leben erwecken lässt. Und diese Magie wird gleich zu Beginn aus den wahrscheinlich beeindruckbarsten Augen heraus inszeniert: denen eines Kindes. Spielberg selbst hat diesen kindlichen Optimismus trotz präsenter, zynischer Gegenbilder nie links liegen gelassen. Dieser durchdringt „The Fabelmans“ aller Konflikte zum Trotz wie eine warme Wolldecke, derer man sich kaum entledigen möchte. Ein persönliches Spätwerk eines Meisters, der eigentlich nichts mehr zu beweisen hatte, hier aber einen seiner meist-verschachtelten und emotional komplexesten Filme vorlegt. Wunderbar!
    1705313743158_ee743960d9.jpg
    21.02.2023
    19:54 Uhr