Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Die Osterferien bei der Tante und deren Familie am Bauernhof verbringen. Das allein mag für so manche Jugendliche schon nach einem Horror-Szenario klingen. Wenn der Hof in schauriger Abgeschiedenheit liegt, der eigentümliche Sohn der Familie dich mit im Bettgestell eingeritzten Beleidigungen begrüßt und zu allem Überfluss die Tante sich als gruselige Esoterikerin entpuppt – dann macht das die Situation nicht gerade attraktiver. Sollte man zumindest meinen.
Doch die beleibte Teenagerin Simi (Nina Katlein) entschließt sich im österreichischen Horror-Film „Family Dinner“ tatsächlich aus völlig freien Stücken, die Festtage bei ihrer Verwandtschaft zu verbringen. Allerdings nicht aus Verbundenheit zur Familie, sondern aus ganz eigenwilligen Gründen. Denn ihre Tante Claudia (Pia Hierzegger), so erfahren wir schnell, ist eine bekannte Ernährungsberaterin, die schon mehrere erfolgreiche Bücher auf den Markt gebracht hat. Simi, die sich bereits ausgiebig mit den Werken beschäftigt hat, möchte gerne abnehmen. Hierfür ist sie gewillt, als „Schülerin“ ihrer Tante in die Lehre zu gehen und mehrere Tage zu hungern, um „ihren Körper zu entgiften“, wie es heißt. Doch welch grauenerregenden Ausgang das Ganze letztlich nehmen wird, vermag sie sich noch nicht vorzustellen.
Wie viele Red Flags kann ein Familienbesuch eigentlich mit sich bringen? Und wie dumm muss man sein, um da nicht sofort das Weite zu suchen? Das wird vielleicht jetzt dem einen oder der anderen nach dem Lesen dieses Einstiegs in den Sinn kommen. Doch tatsächlich dreht hier „Family Dinner“ an so einigen Schrauben, um die Erwartungen des Publikums immer wieder umzukrempeln. Unsere Wahrnehmung hinsichtlich der Familie schwankt dabei zwischen seltsam-aber-harmlos, sehr-problembeladen und hochgradig-gefährlich.
Die unbehagliche Stimmung, welche der Film sehr gekonnt aufbaut, lässt währenddessen nie nach. Vom guten Schauspiel bis hin zu den überaus realistisch anmutenden Ausweidungen tierischer Körper gibt es so einiges, was sich hier lobend erwähnen lässt.
Auffallend ist, wie diese unangenehmen Anteile immer wieder im Kontrast zu den in Instagram-Foodporn-Manier inszenierten Speisen stehen, die Tante Claudia für ihre Familie zubereitet. Der Film greift hier den Selbstoptimierungswahn auf, der eben durch Plattformen wie Instagram und Co befeuert wird und dem mutmaßlich auch unsere junge Protagonistin zum Opfer fällt. Denn Simi ist bereit, selbst den absurdesten Forderungen ihrer Tante nachzugeben, bloß um einem auferlegten Ideal gerecht zu werden. Zugleich wird sie auch immer wieder mit Beschimpfungen des Sohnes Filipp (Alexander Sladek) konfrontiert, die auf ihr Gewicht abzielen, womit der Film auch das Thema Fatshaming anreißt. In dieser Hinsicht geht „Family Dinner“ jedoch bedauerlicherweise nicht allzu weit – weder beim Darstellen des alltäglichen Horrors, der mit derartigen Diskriminierungen einhergeht, noch in Bezug auf das Freimachen von den hier zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Erwartungen. Viel mehr beugt sich der Film am Ende den vorhersehbaren Horror-Konventionen und macht im Übrigen auch keinen Hehl aus seinen Vorbildern – seien es die Werke von Ari Aster oder Kubricks „The Shining“, der bereits ganz am Anfang mit einer Drohnenaufnahme zitiert wird.
Als Genre-Vertreter aus Österreich ist „Family Dinner“ aber allemal positiv hervorzuheben und selbst für geschultere Horror-Vielschauende einen Blick wert.