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    Mit dem Trauma schwanger gehen

    Wer mit Filmen wie Rosemaries Baby, Ekel oder Darren Aronofskys mother! nicht viel anfangen konnte, und wem diese obskuren und völlig kranken Sinnbilder rund um Geburt, Abhängigkeit und Paranoia einfach zu viel sind, um sich nach dem Arbeitsalltag auch noch interpretieren zu müssen, dem sei von Resurrection so ziemlich abgeraten. Dabei würde man anfangs gar nicht vermuten, es mit einem Film zu tun zu haben, der mit Vernunft überhaupt nichts am Hut hat, obwohl es zuerst den Anschein hat, dass zumindest Rebecca Hall als Protagonistin Margaret mit beiden Beinen im realen Leben steht, ist sie doch Chefin eines Pharmaunternehmens mit schickem Büro in einem Glas- und Stahlgebäude und einer adrett eingerichteten Wohnung samt fast volljähriger Tochter. Es scheint alles seine Ordnung zu haben, bis eines Tages ein Mann aufkreuzt, der Margaret in Schockstarre versetzt: Dieses Individuum namens Dave, dargestellt von Tim Roth auf gewohnt phlegmatische, aber niemals zu unterschätzende Art, hat vor mehr als zwanzig Jahren Margarets Leben zur Hölle gemacht. Irgendetwas muss da gewesen sein, und es hat mit einem Jungen namens Ben zu tun, der allgegenwärtig scheint. Dieses Baby ist es auch, welches Margaret plötzlich in ihren Albträumen erscheint. Und dieser Dave ist es, der eine ganz eigenartige Wirkung auf die sonst resolute Geschäftsfrau hat, die immer mehr und mehr den Boden unter ihren Füßen und somit die Kontrolle über ihr Leben verliert. Ist es Hörigkeit, die Margaret so abhängig macht von diesem Kerl, der eigentlich gar nichts proaktiv von ihr will? Ist es neurolinguistisches Triggern? Hypnose? Welche Macht hat Dave über Margaret, dass er sie zwingt, barfuß zur Arbeit zu laufen? Zumindest scheint es so, als wäre Tochter Abby in größter Gefahr. Die allerdings kennt sich vorne und hinten nicht aus. So wie wir als herumrätselndes Publikum, dass das, was Tim Roth so von sich gibt, einfach zu absurd findet, um ihm nur eine Sekunde lang ernst nehmen zu können.

    Zu lachen gibt’s trotz der völlig bizarren Umstände allerdings nichts. Je mehr Worte man über dieses ungesunde Wechselwirken aus Diktat und Hörigkeit verliert, umso bedauernswerter wäre das. Auf Resurrection sollte man sich einlassen – und eine Prämisse hinnehmen wollen, die gänzlich aus Symbolismen besteht. Je länger der Film dauert, umso weniger hat das Ganze mit der Realität zu tun, doch nicht bildlich. Wieder fällt mir Roman Polanskis Ekel ein. Wahn wird zur Wirklichkeit, doch wovon nährt sich dieser? Von unbewältigten Traumata, von Schuldgefühlen und vom tiefsitzenden Schmerz einer Mutterfigur. Hinzu kommt die Angst, dass sich das ganze Unglück wiederholt. Autorenfilmer Andrew Semans bezieht in seinem subtilen Horror niemals wirklich Stellung. Er schafft auch keine Klarheiten oder enthüllt seine Metaphern, die sich dann zu einer Metaebene bekennen würden, die vielleicht für das Trauma eines plötzlichen Kindstodes oder gar einer Fehlgeburt stünden. Semans lässt alles offen und lädt ein zur Spekulation. Er erklärt nichts, sondern deutet nur an. Resurrection ist die Chronik einer ins Chaos mündenden, seelischen Belastung und spielt mit Themen, die sich mitunter sogar in Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf zutage treten und so sensibel sind, dass sie in ihrem seltsam-phantastischen Kontext auf fahrlässige Art verstörend wirken könnten. Allerdings braucht man, um dieses Interpretationsvakuum zu schaffen, ganz schön viel Mut. Eine Eigenschaft, die sich nur das Independentkino leisten kann, ohne Rücksicht auf Verluste.


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    03.02.2023
    15:51 Uhr
  • Bewertung

    Die Vergangenheit ruht nicht

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Im Jänner noch im illustren Programm des Sundance Film Festival zu sehen, eröffnet Andrew Semans Psycho-Thriller „Resurrection“ nun die bereits 13. Ausgabe des Slash Film Festivals, Österreichs größtes Festival für das Horror- und Fantasygenre. Der Film zeigt niemand geringeren als Rebecca Hall und Tim Roth in den Hauptrollen, die beide aus ihren Vollen schöpfen und einander zu Gänsehaut erregenden Darbietungen hochwiegen.

    „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
    Margaret ist taff, erfolgreich und alleinerziehend. Ihre Kariere als anerkannte Unternehmensleiterin verfolgt sie mit Disziplin und Zielstrebigkeit, beim Stressabbau hilft ihr vor allem eine geheime Affäre mit ihrem Kollegen. Doch alles ändert sich schlagartig: Als ein rätselhafter Mann aus Ihrer Vergangenheit auftaucht, ist für Margaret nichts mehr so wie es vorher war. Unter ständiger Angst, von ihrem Verfolger bedrängt zu werden, verfällt Margaret in einen regelrechten Wahn, der auch ihr Umfeld zunehmend beängstigt.

    So unscheinbar „Resurrection“ auch zu Beginn seiner Lauflänge anmuten mag, was dem Publikum in den nächsten 104 Minuten vorgesetzt wird ist weder vorsehbar noch leicht zu verdauende Kost. Langsam aber stetig baut das Werk eine zunehmend beklemmender wirkende Atmosphäre auf, die mit dem psychischen Verfall der Protagonistin perfekt einhergeht. Der Spannungsbogen spitzt sich im finalen Akt immer mehr zu und vermag in den allerletzten Minuten mit einer schockierenden Wende noch einmal richtig nachzulegen.

    Dass Rebecca Hall eine wahnsinnig talentierte Schauspielerin ist, hat die Engländerin in der Vergangenheit mit Rollen in Filmen wie „The Prestige“ und „Vicky Christina Barcelona“ bereits deutlich unter Beweis gestellt, doch die Seite, die sie in Semans Horrorthriller durchscheinen lässt, stellt ihre bisherigen Darstellungen allesamt in den Schatten. Mit einem siebenminütigen Monolog, der einen buchstäblich das Blut in den Adern gefrieren lässt und ganz ohne billige Effekte, den wohl schaurigsten Moment des ganzen Films ausmacht, macht Halls zunehmend skurriles Verhalten beinahe Isabelle Adjanis singulärer Performance in „Possession“ Konkurrenz. Auch Tim Roth, um den es in den letzten Jahren schauspieltechnisch etwas ruhiger geworden war, gelingt es seiner Figur die nötige Komplexität und Tiefe zu geben, die der mysteriöse Charakter David benötigt.

    Trotz seines starken Casts und effektiver Horrorelemente bedarf „Resurrection“ eines Publikums, welches sich bewusst auf die Erfahrung einlässt, die zwar nervenzehrend aber schlussendlich durchaus lohnenswert ist. Wie der Rotten Tomatoes-Score des Films bereits andeutet, kommt der Film bei den Zuseher*innen somit sehr unterschiedlich an, auf Kritikerseite wurde der Film allerdings weitaus positiver rezensiert.

    Andrew Semans Psycho-Thriller „Resurrection“ zeugt von enormer Intensität und Spannung und lässt Hauptdarstellerin Rebecca Hall in absoluter Bestform auf die ahnungslose Kinomasse los.
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    22.09.2022
    10:18 Uhr