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75.3% Bewertung
  • Bewertung

    Sehenswerte Satire

    Triangle of Sadness ist eine (humorvolle) Kritik an unseren gesellschaftlichen Strukturen. Ich liebe die Art und Weise wie uns luxuriöse Umgebungen, z.B. die Yacht oder das teure Hotel, gezeigt werden. Nicht von der typischen Schokoladenseite sondern richtig langweilig, einsam und (teilweise) ekelhaft. Der Einsatz von unangenehmen Geräuschen unterstreicht dies. Der internationale Cast ist grandios. Besonders die Performance von Dolly De Leon ist herausragend. Auch der Soundtrack ist perfekt gewählt. Ein sehenswerter Film.
    04.12.2022
    09:06 Uhr
  • Bewertung

    Reichtum ist (k)eine Schande

    Equality, Gender Pay Gap, Kapitalismus, Kommunismus und Rüstungsindustrie. Opportunismus, Klassenkampf, das Model-Biz und die Inhaltsleere von Social Media. Hab ich etwas vergessen? Die Gier der Reichen vielleicht? Oder gleich alle Todsünden? Nein, mit diesen hat Ruben Östlund in seinem Cannes-Gewinner nichts am Hut. Maßlosigkeit und Völlerei finden wir im Monty Python-Klassiker Der Sinn des Lebens wieder, und spätestens beim Minzplätzchen im schicken Restaurant braucht der Zuseher vielleicht selbst einen Kübel, denn da bringt die Komikertruppe ihr gesellschaftskritisches Fass im wahrsten Sinne des Wortes zum Überlaufen.

    Bei Östlund sind es die Klos auf einer Luxusyacht, welche die mangelnde Seefestigkeit ihrer steinreichen Passagiere nicht mehr kompensieren können. Und ja: das kann passieren, ist aber keine Strafe für gelebten Reichtum. Denn Reichtum per se ist keine Schande. Menschen wie jene, denen auf diesem Narrenschiff das große Kotzen kommt, haben nun mal Geld und Einfluss. Doch sie sind weder gierig noch gemein noch maßlos. Vielleicht etwas blasiert, sonst aber nur unfassbar naiv. Wie Kinder in der Heileweltblase eines Spieleparadieses mit Bällchenbad. Wie Ludwig XVI. in seinem Versailles, umringt von Speichelleckern und einer angekrochen kommenden Entourage, die jeden Wunsch von den Augen abliest. Das Geld macht alles heil und jeden willig. Das Geld ist die Schaumstoffmatte beim Fall aus geringer Höhe, ist das einlullende Schlaflied am Ende des Tages. Seltsame Leute, so weltfremd und kleinkariert, und doch so erfolgreich. Wie passt das zusammen? Östlund seziert dieses Dilemma. Er will dies mit feiner Klinge tun, so wie er dies bei seinem Erstling Höhere Gewalt getan hat. Akkurat, mit kühlem Kopf, und aus sicherer Distanz, um der Lawine an Einsichten nicht zu nah zu kommen.

    Bei Triangle of Sadness – die Kummerfalten im Südbereich der Stirn, knapp über den Augen und ungeeignet für eine Modelkarriere – hat Östlund viel zu sagen, und es gefällt ihm anscheinend gar nicht, wohin sich die Gesellschaft entwickelt hat. Alle Menschen scheinen ihm zuwider, aber doch nicht in einem Ausmaß, der ihnen unangenehm werden könnte. Man kann ja da und dort ein bisschen triezen, mit dem moralischen Finger in die Leistengegend der anderen stochern. Während die Reichen, denen der Reichtum in den Schoß gefallen zu sein scheint, ihren Überfluss hinnehmen wie eine Magenverstimmung, will Östlund mit seinem Überfluss an belangvollen Themen keines so wirklich präferieren. Der von Woody Harrelson und Zlatko Burić so zitatenreich ins Feld geführte Kommunismus schwappt also auf den Film über. Marx hätte mit Triangle of Sadness wohl seine Freude gehabt, er hätte sich spätestens dann köstlich amüsiert, wenn die Umkehr der Hierarchien die Nutzlosigkeit des profitgeilen Establishments zum Vorschein bringt.

    Doch bevor es so weit kommt, und bevor die uns allen längst bewusst gewordene globale Unfairness in handzahmen satirischen Spitzen, die offene Türen einrennen, ihren Ausgleich sucht, kreiert die erste von drei zusammenhängenden, aber unterschiedlich platzierten Episoden im schnell verfassten Plauderton alltagsparadoxen Kabarettstoff für die Kleinkunstbühne, der aber kaum die Wucht hat, um szenenlang über Gleichberechtigung und den Wert des Geldes zu polemisieren. Im Mittelteil wird das groteske Drama dann so richtig zum Östlund-Anarchismus, und wenn diesmal auch nicht der Affenmensch die eitle Gesellschaft sprengt, ist es die gemarterte Sunnyi Melles, die mit ihrer bizarren Brechdurchfall-Performance (Hut ab vor so viel inszenierter Selbsterniedrigung) die kleinen, obskuren Eitelkeiten mit dem magensauren Wischmopp beiseitefegt. Ja, dieses Spiel mit den Erwartungen ist Östlunds Stärke. Dieses Vorführen eines sich in Sicherheit wiegenden Publikums.

    Was Östlund noch tut: Er weigert sich, seine Figuren zu verzerren. Stattdessen verzerrt er ihr Umfeld und das, was ihnen geschieht. Durch diese Diskrepanz entsteht ein subversives Echo – bei The Square war dies am stärksten, bei Triangle of Sadness ist das Umfeld der Figuren ein überraschend geradliniges Worst Case Szenario, was auch der Grund sein mag für ein schleppendes letztes Drittel. Eine Insel-Mystery á la Lost, die das System hinterfragt, aber auf der Stelle tritt. Den Östlund‘schen Bruch gibt es nur einmal – dass dieser seine Satire nochmal auf die Spitze treibt wie beim Versenken seiner Luxusjacht, würde man sich vielleicht wünschen – oder auch nicht. Letzten Endes lässt sich der Cannes-Doppelsieger aber zu keinen neuen Sichtweisen mehr motivieren.
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    21.10.2022
    13:15 Uhr
  • Bewertung

    Subtilität ist ganz sicher nicht das Anliegen von Ruben Östlunds erstem englischsprachigen und in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Film "Triangle of Sadness". Ganz im Gegenteil macht der Film gleich zu Beginn deutlich, worüber er sich in den kommenden zweieinhalb Stunden lustig machen möchte: über die Oberflächlichkeit der Modebranche, der Influencer*innen und Superreichen. Es geht um Äußerlichkeiten, um Schönheit, um Geld und um damit einhergehende Fragen von Macht und Ungleichheit.
    Leider bleibt Östlunds Film in seiner Gesellschaftsanalyse jedoch genauso oberflächlich wie die Passagier*innen der Yacht, über die er sich lustig macht. Sie beschränkt sich darauf, dass sich Influencerin Yaya und ihr Modelfreund Carl zu Beginn des Films über finanzielle Ungleichheit und Genderklischees streiten oder dass sich später der kommunistische Kreuzfahrtkapitän und einer seiner superreichen Passagiere betrinken und Marx- und Thatcher-Zitate austauschen. Diese Diskussionen sorgen bestenfalls für ein paar Lacher; ihnen fehlt es aber an jeglicher Tiefe. Sie tragen keinerlei neue oder interessante Perspektiven zu Debatten bei, die seit Jahrzehnten bereits genauso geführt werden.
    Die Kritik am Kapitalismus und seinen Nutznießer*innen, die sich eine Kreuzfahrt leisten können oder diese nicht mal bezahlen müssen, gipfelt schließlich im dritten Kapitel des Films, in dem einige der Passagier*innen und Crewmitglieder des Kreuzfahrtschiffs auf einer einsamen Insel stranden. Dort müssen die sozialen Rollen und Beziehungen innerhalb der Gruppe neu ausgehandelt werden. An dieser Stelle wäre nun Raum gewesen, eine Utopie zu entwickeln, eine Gesellschaftsminiatur, die sich durch ein Mit- statt ein Gegeneinander auszeichnet, aber daran hat "Triangle of Sadness" kein Interesse. Stattdessen setzt Östlund auf den offensichtlichsten Gag: das Geld und der Status der Superreichen spielt in dieser Überlebenssituation keine Rolle mehr, stattdessen kann sich Abigail, die auf dem Kreuzfahrtschiff als Reinigungskraft arbeitet, durch ihre praktischen Fähigkeiten als Anführerin der Gruppe etablieren.
    Und so ist "Triangle of Sadness" am Ende nicht bloß nicht subtil, sondern vor allem unterkomplex und oberflächlich in seiner Gesellschaftsanalyse, die an Plumpheit nur noch durch die von Iris Berben gespielte Therese übertroffen wird, die alle paar Minuten den immer gleichen Drei-Wort-Satz ruft.
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    14.10.2022
    16:56 Uhr
  • Bewertung

    Wie aus reich arm wird und aus arm reich

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2022
    Der schwedische Regisseur Ruben Östlund hat 2017 mit „The Square“ nicht nur die Goldene Palme gewonnen, sondern auch die Latte für seinen aktuellen Film „Triangle of Sadness“ sehr hochgelegt. Ich persönlich finde, dass seine überdrehte und höchst amüsante Gesellschaftskritik mindestens gleich gut geworden ist.

    Der Film ist in drei Kapiteln aufgeteilt. Ein fesches junges Paar (er Modell, sie Influencerin) streitet um die Begleichung der Rechnung, dann werden wir als Zuschauer auf eine irre Fahrt mit einer Luxusyacht eingeladen und werden Zeugen zahlreichen Spinnereien der Super-Reichen, die sich sogar den Luxus leisten mit dem Hubschrauber Nutella auf die Yacht mitten im Ozean einfliegen zu lassen. Das Meer ist beim Abendmahl jedoch so unruhig, dass die gewaltigen Wellen für die Teilnehmer Seekrankheit mit allen Konsequenzen (Monty Pythons Kotzorgie aus „Der Sinn des Lebens“ lässt grüßen) auslösen. Hier hat Woody Harrelson einen sehr sympathischen Auftritt als Schiffskapitän in Trinklaune, der mit einem Oligarchen Zitate und Philosophien über Kapitalismus und Kommunismus austauscht. Als Seepiraten das Luxusschiff angreifen, geht’s um einige Überlebende um Fragen wie „Wer kann Feuer machen?“ und „Wer kann was zu essen anschaffen?“. Sehr bald werden Rolexuhren gegen Fisch getauscht und aus der ursprünglichen Reinigungskraft auf dem Boot wird die Herrscherin der gestrandeten, verängstigen und verunsicherten Schönen und Reichen.

    Ist das nun eine Komödie mit kritischen Untertönen? Ich sage mal ja. Und als Zuschauer hat man eine (Schaden-)freude, wenn man sieht, wie schnell sich alles ändern kann. By the way: Eine Rolex kann man doch nicht essen.
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    23.05.2022
    23:50 Uhr