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73.9% Bewertung
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    Commentary Phrase

    Ein akribisches (Meister)werk. Der perfektionistische Einsatz filmischer Methoden und eine ausgeklügelte Story haben mich gefangen genommen.
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    28.12.2023
    22:40 Uhr
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    Did She Do It?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Wenn Park Chan-wook einen neuen Film ankündigt, sind die Erwartungen naturgemäß hoch. Der südkoreanische Meisterregisseur, der vor allem durch „Die Taschendiebin“ sowie seine Rache-Trilogie (bestehend aus „Sympathy for Mr. Vengeance“, „Oldboy“ und „Lady Vengeance“) bekannt ist, mischt mit „Decision to Leave“ nach mehrjähriger Pause erneut das internationale Filmgeschehen auf - und schlägt dabei ganz neue Töne an. In Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet, stellt der Film auch den Oscar-Beitrag Südkoreas für den besten internationalen Film 2023 dar. Auf der diesjährigen Viennale feierte er nun seine Österreich-Premiere.

    Am Fuße eines Berges wird die Leiche eines Mannes gefunden. Beging der leidenschaftliche Kletterer Selbstmord oder wurde er doch Opfer eines Mordes? Ermittler Chang Hae-joon (Park Hae-il), der mit Schlafproblemen zu kämpfen hat, wird mit dem Fall betraut. Zunächst scheint es sich um eine gewöhnliche Untersuchung zu handeln, doch dann trifft Hae-joon auf die Hauptverdächtige: Song Seo-rae (Tang Wei), die Witwe des Toten, die den Kommissar schnell in ihren Bann zieht.

    Zwischen der chinesischen Einwanderin und dem stoischen Kriminalbeamten scheint sich etwas anzubahnen, eine gewisse Anziehungskraft ist vom ersten Moment an spürbar. Wenn Hae-joon in weiterer Folge seine schlaflosen Nächte damit verbringt, Seo-rae in ihrer gewohnten Umgebung zu observieren, verstärkt sich diese zusehends. Die Handlung von „Decision to Leave“ steht und fällt jedenfalls mit den beiden Hauptdarsteller*innen Park Hae-il und Tang Wei, die beide nicht nur in ihren individuellen Rollen überzeugen können, sondern auch wahnsinnig gut miteinander harmonieren. Denn Park Chan-wook, der sonst eher bekannt für seine schonungslose Herangehensweise ist, wählte dieses Mal einen für ihn doch recht ungewöhnlichen Zugang: neben einem perfekt durchinszenierten Mysterythriller erhält man nämlich auch eine verlockende Romanze, die es schafft, im breiten Kosmos der Kino-Lovestorys besonders zu sein.

    Inszenatorisch erreicht der Film ein hohes Maß an Finesse. Die Kamera liefert ausdrucksstarke Bilder, die Musik sorgt stets für eine beunruhigende Atmosphäre und der Regisseur greift auch auf reizvolle Einfälle zurück, wie zum Beispiel die besondere Art und Weise, das Gedachte/Vorstellungen visuell umzusetzen. „Decision to Leave“ ist außerdem ein wahrhaftes Neo-Noir-Spektakel des 21. Jahrhunderts: mithilfe von Smartwatch und Smartphone werden die Ermittlungen angetrieben und die damit aufgenommenen Sprachaufnahmen werden zum wichtigen Handlungselement des Thrillers.

    Zwischendurch kommen auch die komödiantischen Momente nicht zu kurz, die es schaffen, die bedrückende Stimmung (zumindest kurzzeitig) etwas aufzulockern. Die Spannung ebbt dabei aber nie ab. Während der erste Teil des Films geradezu meisterhaft umgesetzt wurde, stellt sich die zweite Hälfte dann leider doch als etwas schwächer heraus - eine Kürzung hätte hier dem Gesamtergebnis sicherlich gut getan - ein atemberaubendes Ende stimmt einen dann aber doch wieder versöhnlich.

    „Decision to Leave“ stellt zwar schon einen Wendepunkt in der Filmografie Park Chan-wooks dar – die Erzählstruktur ist beispielsweise viel geordneter als jene seiner anderen Werke – und für manch harteingesessenen Fan wird der Film womöglich gar zu „brav“ erscheinen. Auf den ersten Blick zumindest, in seinem Kern ist er nämlich mindestens genauso niederschmetternd wie so mancher Vorgänger. Letztendlich erhält man aber doch genau das, was man von Park Chan-wook gewohnt ist und auch erwartet: Kunstvolles Spannungskino aus Südkorea!
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    26.10.2022
    11:20 Uhr
  • Bewertung

    Das Herz, eine Mördergrube

    Die Rache-Trilogie des südkoreanischen Regie-Visionärs Park Chan-Wook möchte ich allen Filmfreundinnen und Freunden ans Herz legen – wenn diese sowieso nicht schon als selbstverständliches Must-See auf der Watchlist stehen oder gestanden haben. Lady Vengeance, Sympathy for Mr. Vengeance und natürlich Oldboy: Großes Kino ohne Mainstream-Kompromisse, selbstbewusst bis in den letzten Spot und nicht darauf angewiesen, um jeden Preis gefallen zu müssen. Park Chan-Wooks Filme halten eben dadurch, dass sie ihrem Konzept so sehr treu bleiben, Ablehnung jedweder Art sehr gut aus. Man muss manch verstörenden Stilbruch, manch Gewalteruption oder groteskes Intermezzo nicht unbedingt verstehen, man wird aber nicht umhinkommen, die virtuose Regieführung des Meisters zu bemerken. Seine Filme sind gehaltvoll und komplex, das ist nichts für zwischendurch. Und manchmal auch ein Schlag in die Magengrube. Wer aber dennoch mit Park Chan-Wook vertraut werden und das koreanische Kino abseits kommerzieller Berechenbarkeit erfahren will, sollte mit Decision to Leave beginnen, seinem neuesten Werk, das eben bei den Filmfestspielen der Viennale läuft. Hier lässt sich ein moderater Einstieg in die vertrackte Gedankenwelt eines Künstlers finden, der mit mächtigen menschlichen Gefühlswelten hart ins Gericht geht, ist es nun Rache oder Liebe.

    Die Liebe hält bei Decision to Leave auf Umwegen Einzug, dabei fällt das heikle Wort so gut wie kaum, und auch das leidenschaftliche Empfinden einer Zuneigung findet nur im Ermitteln eines Mordfalls seine Legitimität. Denn Detektiv Hae-joon muss Song Seo, die Witwe eines beim Klettern verunglückten älteren Koreaners einvernehmen, die ob des Verlustes ihres Ehemannes nicht so wirklich Tränen vergießt, gerne mal im Verhörraum die edelsten Sushis des Viertels verdrückt und Hae-joon sowieso schöne Augen macht. Unter Mordverdacht steht die Dame nicht wirklich, doch ihre Rolle in diesem mysteriösen Fall bleibt lange im Dunkeln. Während dieser Zeit des Investigierens kommen sich die beiden näher, auf romantische Weise, doch kommt es nie zu Intimitäten. Als der Fall geklärt scheint, endet diese Art der Zweisamkeit abrupt. Doch nicht für lange.

    Der Plot klingt jetzt nicht nach einem umwerfend komplexen Filmdrama. Eine Kriminalromanze eben. Oder doch mehr? Natürlich. Es wäre nicht Park Chan-Wook, würde er das Konzept des Film Noir nicht auf eine Weise wiederbeleben und in erweiterter Form neu interpretieren. Ich denke da an die frühen Dashiell Hammett– oder Raymond Chandler-Krimis mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall. Ausgetüftelte Werke, die mit voller Konzentration gesichtet werden sollten, denn wenn auch nur einer der vielen ins Spiel gebrachten Namen nicht im Gedächtnis bleiben, stürzt das ganze filigrane Krimi-Konstrukt in sich zusammen. Aufpassen und mitdenken muss man auch bei Decision to Leave. Und hier gestaltet sich die Erarbeitung des Films noch schwieriger, denn asiatische Gesichter scheinen uns ohnehin ähnlicher als die unsrigen, und bei koreanischen Namen klingt der eine wie der andere. Hat man diese Hürde überwunden und all die Namen und Personen erscheinen vertraut, eröffnet sich ein neues Fenster mit Ausblick auf ein sehnsuchtsvolles Kriminaldrama, auf Landschaften und Meeresküsten Südkoreas, wo die Brandung tost oder der Schnee leise zwischen den Föhren fällt. Park Chan-Wooks Film widmet sich stark wie selten zuvor seinem Land und seinen Leuten, blickt in die Ferne und in eine stets offene Mördergrube namens Herz. Dort folgt eine radikale Entscheidung der anderen, und wir wissen, dass Chan-Wooks Filme keine Kompromisse eingehen. Auch hier nicht – auch in Decision to Leave ist die letzte Konsequenz eine radikale und entsteht aus dem verrückten Entschluss, sich lebenslang an die große Liebe zu binden. Die letzte Entscheidung wird zu einem künstlerischen Akt, einer Art Manifest. Bis dahin weiß das manchmal gar urkomische, locker dahinerzählte und dann wieder getragene Filmpuzzle all seine vielen Details so zu ordnen, dass sich am Ende ein schillerndes, großes Ganzes ergibt. Einen eingefleischten, satten Film Noir, der die volle Aufmerksamkeit verdient.
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    24.10.2022
    18:16 Uhr