Forum zu Just be there

1 Eintrag
1 Bewertung
80% Bewertung
  • Bewertung

    Einfach da sein, einfach Tanz

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    In „Just be there“ ist Caspar Pfaundler just there in Proberäumen des Wiener Staatsballetts und des „Cloud Gate Dance Theaters“ in Taiwan und wird Zeuge von sehr unterschiedlichen Tanzproben. Während im Wiener Staatsballetts ein Tanz einstudiert wird, der auf Ballettelementen aufbaut und ganz klassisch von einem Paar dargestellt wird, werden in Taiwan in immer unterschiedlichen Gruppenkonstellationen Teile eines modernen Tanzstücks erarbeitet. Die etablierte Klassik stößt ganz unvermittelt auf die junge Moderne. Selten ist man so nah an hinter geschlossenen Türen stattfindenden Proben dabei, wie in dieser Doku. Dennoch bleibt man als passiver Zuseher stets in der Ecke, genauso wie die Kamera und bewegt sich kaum. Und trotzdem vermögen schon die zerstückelten Proben eines Stückes das Publikum in den Bann zu ziehen und man sehnt sich nach der Komplettaufführung.

    Leider wird diese Wunschvorstellung im Film nicht erfüllt. Nur ein kleines Häppchen der Generalprobe wird dem Publikum serviert. Caspar Pfaundler hat ganz bewusst die tatsächlichen Aufführungen der Tanzstücke aus dem Film gelassen. Für ihn ist der Prozess des Probens viel spannender als das fertige und gesamte Kunstwerk. Ganz nach dem Motto: Werden ist aufregender als Sein.

    So darf man Manuel Legris (Direktor des Wiener Staatsballetts von 2010 bis 2020) und seiner Tanzpartnerin Nina Poláková zusehen, wie sie mit dem Choreographen Patrick de Bana an ihrem Tanz feilen. Genauso wie Choreograph Cheng Tsung-Iung mit seinem Ensemble an seiner Vorstellung des Lunar Halo arbeitet. Wenn man sich die Endprodukte der beiden Proben anschaut, sind sie komplett konträr zueinander und man fragt sich doch, wie die beiden Produktionen in einen gemeinsamen Film passen können. Die Proben an sich unterscheiden sich allerdings wenig voneinander, auch wenn sie zwei komplett verschiedene Tanzrichtungen zeigen. Der Choreograph gibt vor, was getan werden soll und kommentiert und korrigiert während die Tänzer versuchen, seine Vision umzusetzen. Vielleicht hat sich Caspar Pfaundler auch deshalb dazu entschieden, die Aufführungen nicht mit in den Film zu nehmen.

    Neben dieser exotischen Mischung fällt die Dokumentation jedoch auch noch durch die Art und Weise auf, wie sie dem Publikum präsentiert wird. Es wirkt so, als ob der Film in seiner Rohfassung gezeigt werden würde, wie ein ungeschliffener Diamant. Nicht so als ob keine Arbeit in das Arrangement der Tanzszenen geflossen wäre, sondern in dem Sinn, dass sie einen unvermittelt treffen. Es wird weder erklärt, wer hier tanzt, noch wieso oder für welche Aufführung. Und was noch viel erstaunlicher und auffallender ist, ist die Tatsache, dass keine Person im Film übersetzt wird. Auf der einen Seite wird Französisch, Englisch und Deutsch gesprochen, wovon man als Europäer schon ein paar Sätze oder Phrasen verstehen kann. Aber wenn man mit keiner asiatischen Sprache je in Berührung geraten ist, ist es recht seltsam dem Choreographen Cheng Tsung-Iung zuzuhören, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was er sagt. Um die Sprache geht es Caspar Pfaundler nicht, der Tanz ist das Einzige, was im Mittelpunkt steht.

    Somit spiegelt der Film eine Einstellung wider, die vermutlich viele Tänzer und Choreographen teilen: dass Tanz eine eigene Sprache ist, die keine Worte braucht und universell verständlich gemacht werden kann. Ob das dann in jeder Tanzvision tatsächlich umgesetzt werden kann und beim Publikum auch so ankommt, wie es gedacht war, sei dahingestellt.

    Für den Fall, dass dem Publikum im Kino der Zusammenhang zwischen den zwei unterschiedlichen Probenmitschnitten nicht ganz so ersichtlich erscheint, hat ihnen der Regisseur eine ganz individuelle Rahmung verpasst. Den Anfang wie das Ende des Films schmücken selbstgemalte Gemälde von Caspar Pfaundler, die sich ebenfalls dem Thema Tanz bildnerisch annehmen. Und so bleibt nur noch eines: Klappe, Action, und alles tanzt!
    ninaisele_45f654ec11.jpg
    17.04.2022
    21:19 Uhr